Problem mit dem Abstraktum!

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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Gelöschter Nutzer

Re: Problem mit dem Abstraktum!

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

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Tante Dagobert
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Re: Problem mit dem Abstraktum!

Beitrag von Tante Dagobert »

Brinetor77 hat geschrieben:
thh hat geschrieben:
AlicImWunderland hat geschrieben:1. Könnt ihr mir ein Beispiel geben, in dem Tateinheit vorliegt und durch dieselbe Handlung DASSELBE Strafgesetzt MEHRFACH verletzt wird?
T ruft fünf Fans des gegnerischen Fußballvereins zu: "Ihr seid alle Schweine, Drecksäue, Verlierer, das allerletzte seid ihr!"

W fährt mit weit überhöhter Geschwindigkeit, verliert die Kontrolle über sein Fahrzeug und rast in eine Fußgängergruppe.
AlicImWunderland hat geschrieben:2. Mal zurück zu meiner Ausgangsfrage im ersten Post: Nehmen wir an wir hätten 2 tateinheitliche räuberische Erpressungen, jeweils tateinheitlich mit Körperverletzung und dazu dann noch einen Raub in Tatmehrheit. Wie müsste das Abstraktum dann lauten?
Unter der Annahme, dass jeweils bes. schwerer räub. Erpressung / bes. schw. Raub (§ 250 Abs. 2 StGB) gegeben sind:

... wird angeschuldigt, er habe

- in zwei rechtlich selbständigen Handlungen -

1. - in rechtlich derselben Handlung-

a) zwei Menschen mit Gewalt gegen eine Person und unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung genötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines Anderen Nachteil zugefügt, um sich zu Unrecht zu bereichern, wobei er bei der Tat ein gefährliches Werkzeug verwendet hat,

b) zwei andere Personen mittels eines gefährlichen Werkzeugs körperlich misshandelt und an der gesundheit WERBELINK

2. mit Gewalt gegen eine Person und unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht weggenommen, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen,

wobei er bei der Tat ein gefährliches Werkzeug verwendet hat.


Das musst Du freilich ggf. noch auf die örtlichen Üblichkeiten umbauen; prinzipiell funktioniert das natürlich auch mit "wird angeklagt ... am ... in ... zu haben".
Sehr detaillierte Antwort - vielen Dank!

Falls es noch niemanden aufgefallen ist, in dem vorstehenden Post findet sich an hier markierter Stelle ein doch recht einfallsreich versteckter Werbelink... :D
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Re: Problem mit dem Abstraktum!

Beitrag von jurapeasant »

1) Ich bin der Ansicht, dass es sich hier bei der ersten selbstständigen Handlung (Herausgabe des Geldes) um eine Erpressung, nicht um einen Raub handelt.

2) Fischer zu § 255 Nr. 9: "Tateinheit ist möglich mit (...) Körperverletzung (VRS 55, 263).

Auch wenn Fischer sagt, Tateinheit sei möglich, bin ich mir nicht sicher ob dies wirklich hier der Fall ist. § 255 StGB erfasst mE als Qualifikation den Gebrauch eines qualifizierten Nötigungsmittels, hier der Schläge, und ahndet dies mit erhöhter Strafandrohung "gleich eines Räubers". Beachte: § 253 Strafrahmen = von bis zu 5 Jahren; § 249 = nicht unter einem Jahr! Der Gewaltgebrauch gegen eine Person ist also schon erfasst und tatbestandliche Voraussetzung von § 255. In Fällen in denen das Nötigungsmittel allein Mittel zur Nötigung bleibt, würde ich daher Handlungseinheit und nicht Tateinheit vorziehen. Hier würde mE somit Spezialität vorliegen (?). Zwar verdrängt bei Taten in Tateinheit die Tat mit der höheren Strafandrohung die andere Tat, letzte wird jedoch im Rahmen der Strafzumessung i.e.S. berücksichtigt. Dies fände ich nicht gerecht, insbesondere nicht in Hinsicht auf § 46 III StGB.
In dem beschriebenen Fall daher Tateinheit einzunehmen würde für mich nur zählen, wenn die Körperverletzung über den Nötigungszweck hinaus Bedeutung zukommen sollte.
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Re: Problem mit dem Abstraktum!

Beitrag von thh »

jurapeasant hat geschrieben: Auch wenn Fischer sagt, Tateinheit sei möglich, bin ich mir nicht sicher ob dies wirklich hier der Fall ist. § 255 StGB erfasst mE als Qualifikation den Gebrauch eines qualifizierten Nötigungsmittels, hier der Schläge, und ahndet dies mit erhöhter Strafandrohung "gleich eines Räubers".
Aber nicht nur - sondern auch die Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben.
jurapeasant hat geschrieben: Der Gewaltgebrauch gegen eine Person ist also schon erfasst und tatbestandliche Voraussetzung von § 255.
Nein. Der Tatbestand kann auch durch Drohung und durch Gewalt ohne Körperverletzung verwirklicht werden. Auch wer sich aus dem Haltegriff reißt oder jemanden wuchtig von sich stößt, übt Gewalt gegen eine Person aus, begeht aber keine Körperverletzung.
jurapeasant hat geschrieben: In dem beschriebenen Fall daher Tateinheit einzunehmen würde für mich nur zählen, wenn die Körperverletzung über den Nötigungszweck hinaus Bedeutung zukommen sollte.
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Re: Problem mit dem Abstraktum!

Beitrag von jurapeasant »

thh hat geschrieben:
jurapeasant hat geschrieben: Auch wenn Fischer sagt, Tateinheit sei möglich, bin ich mir nicht sicher ob dies wirklich hier der Fall ist. § 255 StGB erfasst mE als Qualifikation den Gebrauch eines qualifizierten Nötigungsmittels, hier der Schläge, und ahndet dies mit erhöhter Strafandrohung "gleich eines Räubers".
Aber nicht nur - sondern auch die Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben.
jurapeasant hat geschrieben: Der Gewaltgebrauch gegen eine Person ist also schon erfasst und tatbestandliche Voraussetzung von § 255.
Nein. Der Tatbestand kann auch durch Drohung und durch Gewalt ohne Körperverletzung verwirklicht werden. Auch wer sich aus dem Haltegriff reißt oder jemanden wuchtig von sich stößt, übt Gewalt gegen eine Person aus, begeht aber keine Körperverletzung.

jurapeasant hat geschrieben: In dem beschriebenen Fall daher Tateinheit einzunehmen würde für mich nur zählen, wenn die Körperverletzung über den Nötigungszweck hinaus Bedeutung zukommen sollte.
Wie seht ihr das?
Anders.
Danke für den Hinweis hinsichtlich der Gewaltanwendung und der nicht zwangsweisen Verwirklichung einer KV. Ich bin hier davon ausgegangen, dass die Kassiererin nur geschlagen wurde und damit auch eine Körperverletzung begangen wurde. Von einer Drohung lese ich in der Kurzsachverhaltsangabe nichts? Zwar hat die TE dies im Abstraktum aufgeführt, ob das aber auch bewusst darsteht, weiß ich nicht.
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Re: Problem mit dem Abstraktum!

Beitrag von thh »

jurapeasant hat geschrieben:Danke für den Hinweis hinsichtlich der Gewaltanwendung und der nicht zwangsweisen Verwirklichung einer KV. Ich bin hier davon ausgegangen, dass die Kassiererin nur geschlagen wurde und damit auch eine Körperverletzung begangen wurde.
Das mag ja sein, ist aber doch für die Frage der Konkurrenzen ohne Bedeutung?
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Re: Problem mit dem Abstraktum!

Beitrag von jurapeasant »

thh hat geschrieben:
jurapeasant hat geschrieben:Danke für den Hinweis hinsichtlich der Gewaltanwendung und der nicht zwangsweisen Verwirklichung einer KV. Ich bin hier davon ausgegangen, dass die Kassiererin nur geschlagen wurde und damit auch eine Körperverletzung begangen wurde.
Das mag ja sein, ist aber doch für die Frage der Konkurrenzen ohne Bedeutung?
Das war eben meine Überlegung. Bestünde hier Tateinheit zwischen KV und § 255 oder würde die verwirklichte KV von § 255 verdrängt.
Aber meine Überlegung war wohl falsch. Die beiden Delikte schützen unterschiedliche Rechtsgüter. Außerdem - wie du richtig sagtest - ist die Körperverletzung (mit Verletzungserfolg) nicht zwangsweise eine tatbestandliche Voraussetzung von § 255, da bereits "Gewalt" d.h. kein KV-Erfolg ausreicht.
Insgesamt also Tateinheit.
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Re: Problem mit dem Abstraktum!

Beitrag von thh »

jurapeasant hat geschrieben:Das war eben meine Überlegung. Bestünde hier Tateinheit zwischen KV und § 255 oder würde die verwirklichte KV von § 255 verdrängt.
Und das hängt nicht zuletzt davon ab, ob eine KV notwendig mitverwirklicht wird, um eine räuberische Erpressung zu begehen.

Da das nicht der Fall ist, gibt es keinen Anlass, von einer Verdrängung auszugehen; der Unrechtsgehalt der Körperverletzung tritt - eben je nach konkreter Tatbegehung - zu dem der räuberischern Erpressung hinzu.
jurapeasant hat geschrieben:Aber meine Überlegung war wohl falsch. Die beiden Delikte schützen unterschiedliche Rechtsgüter. Außerdem - wie du richtig sagtest - ist die Körperverletzung (mit Verletzungserfolg) nicht zwangsweise eine tatbestandliche Voraussetzung von § 255, da bereits "Gewalt" d.h. kein KV-Erfolg ausreicht.
Insgesamt also Tateinheit.
Genau.
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