Hallo zusammen,
ich hätte zwei kurze Fragen zu den Urkundendelikten.
1.) Wenn jemand bspw. mit einem Bildbearbeitungsprogramm ein falsches Zeugnis herstellt und dies dann als PDF-Datei an den Arbeitgeber, bei dem er sich bewerben möchte, schickt, begeht er ja keine Urkundenfälschung nach § 267 I mangels Verkörperung der PDF-Datei.
Er macht sich aber nach § 269 strafbar, oder? (Alles andere fände ich eine große "Strafbarkeitslücke" im digitalen Zeitalter)
2.) Es besteht ja (weitgehend) Einigkeit darüber, dass eine Kopie - die auch als solche zu erkennen ist - keine Urkunde i.S.v. § 267 I darstellt.
Wie sieht es jetzt aber aus, wenn jemand eine Urkunde kopiert und diese Kopie dann verändert, z.B. mit einem passenden Stift ein Datum auf der Kopie verändert.
Meiner Meinung nach macht sich die betreffende Person in diesem Fall (Kopie ist als Kopie zu erkennen) jedenfalls nicht nach § 267 I strafbar. Seht ihr das auch so oder könnte im Verändern der Kopie das Herstellen einer unechten Urkunde liegen (trotz der Erkennbarkeit, dass es sich um eine Kopie handelt)?
Urkundendelikte - zwei kurze Fragen
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Re: Urkundendelikte - zwei kurze Fragen
Rspr.: Es kommt nicht auf die Qualität und Erkennbarkeit der Kopie an, also etwa schlecht gemacht=straflos. Entscheidend ist der subjektive Wille des Täters, also ob er die Kopie zur Verwendung eines falschen Originals geschaffen hat, oder aber ob er sie als bloße Kopie in den Rechtsverkehr bringen will. Die Qualität der Kopie entfaltet allenfalls eine Indizwirkung für die FälschungsabsichtUltimaSpes hat geschrieben:
2.) Es besteht ja (weitgehend) Einigkeit darüber, dass eine Kopie - die auch als solche zu erkennen ist - keine Urkunde i.S.v. § 267 I darstellt.
Wie sieht es jetzt aber aus, wenn jemand eine Urkunde kopiert und diese Kopie dann verändert, z.B. mit einem passenden Stift ein Datum auf der Kopie verändert.
Meiner Meinung nach macht sich die betreffende Person in diesem Fall (Kopie ist als Kopie zu erkennen) jedenfalls nicht nach § 267 I strafbar. Seht ihr das auch so oder könnte im Verändern der Kopie das Herstellen einer unechten Urkunde liegen (trotz der Erkennbarkeit, dass es sich um eine Kopie handelt)?
OLG Stuttgart 1 Ss 13/06
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Re: Urkundendelikte - zwei kurze Fragen
Hat keiner eine Antwort zu Frage 1?
Wie ist das bei solchen EDV-Vorgängen, die nur wegen der mangelnden Verkörperung keine Urkundenfälschung nach § 267 I sind?
Wie ist das bei solchen EDV-Vorgängen, die nur wegen der mangelnden Verkörperung keine Urkundenfälschung nach § 267 I sind?
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Re: Urkundendelikte - zwei kurze Fragen
Letztendlich kann man das PDF insoweit behandeln wie eine Kopie. Solange offensichtlich ist, dass der Täter das PDF erstellt hat, liegt - bei gedachter Wahrnehmung des PDF als verkörperte Urkunde - keine Täuschung über den Aussteller, sondern nur über die Existenz eines entsprechenden Originals vor. Die von dir befürchtete Strafbarkeitslücke im digitalen Zeitalter besteht nicht. Wer im Rechtsverkehr ein PDF als Beweis akzeptiert, ist nicht schutzwürdiger als jemand, der sich auf eine unbeglaubigte Kopie verlässt.
Etwas anderes gilt dann, wenn der Aussteller der Urkunde auch als Aussteller des PDF wahrgenommen werden soll. Das dürften bei der klassischen Bewerbungsfälschung aber eher Ausnahmefälle sein.
Etwas anderes gilt dann, wenn der Aussteller der Urkunde auch als Aussteller des PDF wahrgenommen werden soll. Das dürften bei der klassischen Bewerbungsfälschung aber eher Ausnahmefälle sein.
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Re: Urkundendelikte - zwei kurze Fragen
Umgangsformen sind nicht so deins, oder?UltimaSpes hat geschrieben:Hat keiner eine Antwort zu Frage 1?
Wie ist das bei solchen EDV-Vorgängen, die nur wegen der mangelnden Verkörperung keine Urkundenfälschung nach § 267 I sind?
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Re: Urkundendelikte - zwei kurze Fragen
Danke, ich wusste noch nicht, dass die Rechtsprechung das so sieht. In der Literatur habe ich jedoch nur gefunden, dass beides gegeben sein (sehr guter Qualität der Kopie + Willen des Täters).Tobias__21 hat geschrieben: Rspr.: Es kommt nicht auf die Qualität und Erkennbarkeit der Kopie an, also etwa schlecht gemacht=straflos. Entscheidend ist der subjektive Wille des Täters, also ob er die Kopie zur Verwendung eines falschen Originals geschaffen hat, oder aber ob er sie als bloße Kopie in den Rechtsverkehr bringen will. Die Qualität der Kopie entfaltet allenfalls eine Indizwirkung für die Fälschungsabsicht
OLG Stuttgart 1 Ss 13/06
Ich habe mir halt den Extremfall vorgestellt, dass sich jemand in einem Krankenhaus durch ein PDF-Dokument (angeblich abgeschlossenes Medizinstudium) eine Stelle als Arzt erschleicht, obwohl er nie Medizin studiert hat - also der "klassische" Hochstapler-Fall.[enigma] hat geschrieben: Die von dir befürchtete Strafbarkeitslücke im digitalen Zeitalter besteht nicht. Wer im Rechtsverkehr ein PDF als Beweis akzeptiert, ist nicht schutzwürdiger als jemand, der sich auf eine unbeglaubigte Kopie verlässt.
Klar, wäre das Krankenhaus dann ziemlich blöd, ein PDF-Dokument als Nachweis über die ärztliche Eignung des Bewerbers ausreichen zu lassen und deswegen nicht schutzwürdig.
Aber die Patienten des Krankenhauses, die nicht von einem Laien operiert werden wollen, wären auf jeden Fall noch schutzwürdig. Dadurch könnte man das Schutzgut des § 267 I "Sicherheit im Rechtsverkehr" auch auf die Patienten erstrecken.
Aber nach deiner auch einleuchtenden Argumentation wäre im Falle eines PDFs ja grundsätzlich kein Raum für § 267 I und dann bliebe es im eben geschilderten Fall bei einer Strafbarkeit nach § 132a (Titelmissbrauch).
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Re: Urkundendelikte - zwei kurze Fragen
In vielen Fällen - gerade bei der Vermittlung über Agenturen - wird schlicht gar nichts geprüft, und sonst genügt eigentlich immer eine Kopie (oder vielleicht auch ein PDF), so dass Urkundsdelikte eher selten verwirklicht sind (und wenn dann der Nachweis schwierig ist).UltimaSpes hat geschrieben:Ich habe mir halt den Extremfall vorgestellt, dass sich jemand in einem Krankenhaus durch ein PDF-Dokument (angeblich abgeschlossenes Medizinstudium) eine Stelle als Arzt erschleicht, obwohl er nie Medizin studiert hat - also der "klassische" Hochstapler-Fall.[enigma] hat geschrieben: Die von dir befürchtete Strafbarkeitslücke im digitalen Zeitalter besteht nicht. Wer im Rechtsverkehr ein PDF als Beweis akzeptiert, ist nicht schutzwürdiger als jemand, der sich auf eine unbeglaubigte Kopie verlässt.
Klar, wäre das Krankenhaus dann ziemlich blöd, ein PDF-Dokument als Nachweis über die ärztliche Eignung des Bewerbers ausreichen zu lassen und deswegen nicht schutzwürdig.
Es bleibt auch die unerlaubte Ausübung der Heilkunde (§ 5 HeilPrG) und - vor allem - Körperverletzungsdelikte, weil die unter der Annahme der Behandlung durch einen Arzt erteilte Einwilligung des Patienten in den ärztlichen Heileingriff unwirksam ist, im Zweifel auch in der Form der gef. KV, weil die privilegierende (dogmatisch ohnehin zweifelhafte) Rechtsprechung Skalpelle, Kanülen pp. nur in der Hand des Arztes (!) nicht als gefährliches Werkzeug auffasst. Hinzu tritt auch - gewerbsmäßiger - Betrug, weil das Gehalt durch die Täuschung erschlichen wurde, approbierter Arzt zu sein (im Ggs. zu Zeugnisfälschungen kommt es dem Krankenhaus gerade darauf an, nur einen Arzt anzustellen - hätte es gewusst, dass der "Arzt" keiner ist, hätte es ihn nicht angestellt und nicht bezahlt).UltimaSpes hat geschrieben:Aber die Patienten des Krankenhauses, die nicht von einem Laien operiert werden wollen, wären auf jeden Fall noch schutzwürdig. Dadurch könnte man das Schutzgut des § 267 I "Sicherheit im Rechtsverkehr" auch auf die Patienten erstrecken.
Aber nach deiner auch einleuchtenden Argumentation wäre im Falle eines PDFs ja grundsätzlich kein Raum für § 267 I und dann bliebe es im eben geschilderten Fall bei einer Strafbarkeit nach § 132a (Titelmissbrauch).
Auf die Urkundsdelikte kommt es daher gerade in dieser Konstellation nicht mehr an. Das reicht - je nach Konstellation - auch so für eine nicht mehr bewährungsfähige Freiheitsstrafe.
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Re: Urkundendelikte - zwei kurze Fragen
Vielen Dank für deine ausführliche Antwort.thh hat geschrieben: Es bleibt auch die unerlaubte Ausübung der Heilkunde (§ 5 HeilPrG) und - vor allem - Körperverletzungsdelikte, weil die unter der Annahme der Behandlung durch einen Arzt erteilte Einwilligung des Patienten in den ärztlichen Heileingriff unwirksam ist, im Zweifel auch in der Form der gef. KV, weil die privilegierende (dogmatisch ohnehin zweifelhafte) Rechtsprechung Skalpelle, Kanülen pp. nur in der Hand des Arztes (!) nicht als gefährliches Werkzeug auffasst. Hinzu tritt auch - gewerbsmäßiger - Betrug, weil das Gehalt durch die Täuschung erschlichen wurde, approbierter Arzt zu sein (im Ggs. zu Zeugnisfälschungen kommt es dem Krankenhaus gerade darauf an, nur einen Arzt anzustellen - hätte es gewusst, dass der "Arzt" keiner ist, hätte es ihn nicht angestellt und nicht bezahlt).
Auf die Urkundsdelikte kommt es daher gerade in dieser Konstellation nicht mehr an. Das reicht - je nach Konstellation - auch so für eine nicht mehr bewährungsfähige Freiheitsstrafe.
In Bezug auf Körperverletzungsdelikte kann man ja auch sagen, dass der angebliche Arzt nicht gerechtfertigt ist, weil die Einwilligung der Patienten an einem Willensmangel leidet (Täuschung).