Möglicherweise hat es auch nur etwas mit Berufsverständnis zu tun. Insbesondere im Strafrecht bist du halt nicht nur Parteivertreter, sondern hast auch eine eigene Stellung im Verfahren. Daher muss man nicht jeden Scheiß vom Mandanten mitmachen und die Grenze ist mE auch viel früher erreicht als im Zivilrecht (und sollte es auch, weil man sonst schnell selbst mit einem Bein auf der falschen Seite steht). Der Mandant kann zum Beispiel sicherlich Wünsche äußern und auch die Verteidigungsstrategie aktiv mitgestalten, letztendlich aber nur im vertretbaren Rahmen. Zum Vertrauensverhältnis gehört auch, dass dem beauftragten Experten hinsichtlich der fachlichen Einschätzung auch geglaubt wird. Ob der Mandant dann am Ende aus persönlichen Gründen irrational entscheidet und die mE schlechtere Strategie wählt, sollte einem dann egal sein, er hat ja die Suppe auszulöffeln. Sicherlich bestimmt er aber auch dann nicht die konkrete Arbeitsleistung, das wäre mE auch nicht mit meinem Berufsverständnis zu vereinbaren. Wenn er mit der Arbeit nicht zufrieden ist, muss er das Mandat dann entziehen. Was bei uns in der Kanzlei tatsächlich dann auch gelegentlich passiert und finanziell natürlich auch ärgerlich ist (gelegentlich kommen sie dann aber geläutert mit dem Mandat fürs Rechtsmittel wieder, wenn die Strategie doch nicht so clever war).joee78 hat geschrieben: Genau diese Konstellation war es - ihm selbst war es zu peinlich, so wie jemand mit ner Geschlechtskrankheit, der sich nicht traut zum Arzt zu gehen - der Bruder hat ihn dann dazu gedrängt und mir das Mandat erteilt. Anwaltliche Arbeit ist eben nicht gradlinig und theoretisch wie im Studium - manchmal glaube ich, Herr Anwalt und ich sind die einzigen richtigen Anwälte hier!
Ein schönes Beispiel ist auch immer, wenn unter der Hand bei einer Verständigung vereinbart wird, dass keine Rechtsmittel eingelegt wird. Da gibt es Mandanten, die später dann ganz clever sein wollen und dann doch noch weiter gegen das Urteil vorgehen wollen. Mit meinem Berufsverständnis ist solch ein Vorgehen nicht zu vereinbaren und das weitere Mandat muss abgelehnt werden. Gibt genug Anwälte die da deutlich skrupelloser sind. Macht es aber nicht richtiger. Zeigt eher, dass das Berufsverständnis bei vielen Anwälten noch ausbaubar ist.
Zu deinem konkreten Fall: Alleine die Bezeichnung "Der Bruder hat mir das Mandat erteilt" sollte doch schon alle Alarmglocken anschlagen lassen... Ich hoffe nur du hast dich erneut unglücklich ausgedrückt und du bist vom Betroffenen mandatiert worden und der Bruder zahlt nur die Rechnung.