Du vermengst hier Problemkreise. Es geht weder um "informelle Deals" noch um "Gentlemen's Agreement". Der Rechtsmittelverzicht ist kein Bestandteil der Verständigung. Bestandteil ist lediglich die Ankündigung auf Rechtsmittel zu verzichten. Daher betrifft ein späterer nicht erlaubter Rechtsmittelverzicht auch nicht die Verständigung, sondern nur die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzicht. In unserem Fall ist es ja sogar so, dass gar kein "Rechtsmittelverzicht" im formellen Sinne erfolgt, sondern lediglich angekündigt wird, dass man kein Rechtsmittel einlegen wird (hier schon fraglich, ob das überhaupt unter § 302 Abs. 1 S. 2 StPO fällt).Swann hat geschrieben:Dann ist es aber keine einseitige Ankündigung ins Blaue hinein mehr, sondern Gegenstand der Verständigung. Und eben das ist unzulässig, denn nach dem Gesetz und der Rechtsprechung des BVerfG ist jede Verständigung, die die gesetzlichen Grenzen überschreitet, rechtswidrig. Und wenn ein Verfahrensbeteiligter seine Zustimmung zur Verständigung auf die gesetzlich nicht vorgesehene Ankündigung, keine Rechtsmittel einzulegen, stützt, dann wird ein Verfahrensverhalten vom Angeklagten erwartet, das von ihm nach dem gesetzlichen Regelungskonzept nicht erwartet werden kann. Dass das nicht bindend ist, ist egal, denn nach der Rechtsprechung des BVerfG sind ausdrücklich auch informelle Deals und Gentlemen's Agreement strikt verboten.Ara hat geschrieben: Es ist daher absolut nichts anrüchiges im Rahmen einer Verständigung anzukündigen, dass man das Rechtsmittel nicht einlegen wird. Allen Verfahrensbeteiligten muss aber dabei klar sein, dass es keine prozessuale Wirkung entfaltet, sondern eine unverbindliche Zusage ist. Diese Zusage kann aber das Zünglein an der Waage sein, damit die StA sagt "okay, um das Verfahren schnell zu beenden".
Kann man sicher anders sehen, sieht der BGH richtigerweise aber nicht so wie du (siehe Muirne Entscheidung, wo der BGH selbst im Fall einer Umgehung nur die Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts annehmen will) oder auch ausdrücklich und überzeugend (auch wenn noch zum alten § 302er, aber die Argumentation ist bis heute gültig) in BGHSt 50, 40, 62:
Die Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts folgt nicht zwangsläufig aus seiner unzulässigen Vereinbarung im Rahmen einer Urteilsabsprache.
a) Urteilsabsprache und Rechtsmittelverzicht betreffen nämlich verschiedene Verfahrensabschnitte: die Urteilsabsprache einschließlich des Verfahrens bis zur Urteilsverkündung (erster Abschnitt) und die danach von den Rechtsmittelberechtigten getroffene Entscheidung (zweiter Abschnitt). Den jeweiligen Abschnitten liegen unterschiedliche Prozeßhandlungen zugrunde. Bestandteil der Absprache sind die gegenseitigen "Versprechen", in einer bestimmten Weise zu verfahren. Das zusätzliche "Versprechen", kein Rechtsmittel einlegen zu werden, kann die Rechtsmittelberechtigten rechtlich nicht binden. "Versprechen" kann deshalb nicht mehr bedeuten als die unverbindliche Ankündigung, nach Urteilserlaß den Rechtsmittelverzicht erklären zu wollen.
Der Rechtsmittelverzicht ist eine selbständige Prozeßhandlung im zweiten Verfahrensabschnitt. Die Urteilsverkündung bildet eine zeitliche Zäsur, nach der der Rechtsmittelberechtigte ohne rechtliche Bindung an seine zuvor geäußerte Ankündigung über den Rechtsmittelverzicht entscheiden kann.