§ 211 - Habgier, absichtlich herbeigeführte Bewusstlosigkeit

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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DavidSchabany
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§ 211 - Habgier, absichtlich herbeigeführte Bewusstlosigkeit

Beitrag von DavidSchabany »

Wie ist die Konstellation zu beurteilen, wenn das Tatopfer seine Bewusstlosigkeit vorsätzlich herbeiführt, z.B. durch Einnahme von entsprechenden Tabletten o.Ä. ?

M.E. müsste hier doch vom generellen Grundsatz abgewichen werden, dass bei Bewusstlosen keine Arglosigkeit vorliegt; das Tatopfer führt in diesem Fall seinen Zustand gerade bewusst herbei, weshalb hier eine Ähnlichkeit zum Schlafenden gesehen werden könnte, der seine Arglosigkeit "mit in den Schlaf nimmt“. Ist meine Ansicht vertretbar? Gibt es hierzu eine vorzugswürdige, allgemeine Auffassung? Danke schon einmal für eine Antwort.
Tobias__21
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Re: § 211 - Habgier, absichtlich herbeigeführte Bewusstlosig

Beitrag von Tobias__21 »

Diese ganze Unterscheidung zwischen Bewusstlosigkeit und Schlafenden wird teilweise eh kritisiert. Auch derjenige der vom Schlaf "übermannt" wurde, soll keine Fähigkeit zum Argwohn haben.

Ich würde davon ausgehen, dass der BGH hier eine Arglosigkeit verneint. Er stellt hierbei darauf ab, dass das Opfer seinen Zustand nicht mehr abwenden kann. Wenn man bspw. operiert wird und in Narkose liegt, lässt man sich ja auch freiwillig in eine Bewusstlosigkeit versetzen. Ich bin mir aber ziemlich sicher der BGH würde hier eine Heimtücke ablehnen (es sein denn, man schaltet schutzbereite Dritte aus). Bei einer Intoxikation mit Tabletten / Drogen kann m.E nichts anderes gelten. Auch wenn das Opfer sich freiwillig zudröhnt und die Bewusstlosigkeit herbeiführen möchte, hat er deren Eintritt nicht mehr selbst in der Hand. Da läuft eine biologisch-chemische Reaktion im Körper ab, auf die es keinen Einfluss hat.

Jetzt mag man sich fragen, wo da der Unterschied zu demjenigen liegt, der sich freiwillig schlafen legt. Auch der hat es nicht in der Hand wann er einschläft und wann er aufwacht. Auch der Schlafende hat keine Fähigkeit mehr argwöhnisch zu sein und kann sein Gefahrbewusstsein nicht aktualisieren. Ich könnte mir vorstellen, dass die Tötung eines Schlafenden besonders verwerflich und hinterhältig erscheint, so dass man den auf jeden Fall von der Heimtücke erfasst haben wollte. Ich sehe aber ehrlich gesagt keinen Grund Bewusstlose anders zu behandeln, gerade wenn die Bewusstlosigkeit absichtlich herbeigeführt wird.

In der Klausur kannst Du sicher beides vertreten.
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DavidSchabany
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Re: § 211 - Habgier, absichtlich herbeigeführte Bewusstlosig

Beitrag von DavidSchabany »

@Tobias_21 Ich danke Dir für deine gute Antwort.
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immer locker bleiben
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Re: § 211 - Habgier, absichtlich herbeigeführte Bewusstlosig

Beitrag von immer locker bleiben »

Tobias__21 hat geschrieben:Jetzt mag man sich fragen, wo da der Unterschied zu demjenigen liegt, der sich freiwillig schlafen legt. Auch der hat es nicht in der Hand wann er einschläft und wann er aufwacht.
Er hat es aber in der Hand, sich zum Schlafen einen Platz zu suchen, bei dem er davon ausgehen darf, dass er nicht im Schlaf ermordert wird.
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Tobias__21
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Re: § 211 - Habgier, absichtlich herbeigeführte Bewusstlosig

Beitrag von Tobias__21 »

immer locker bleiben hat geschrieben:
Tobias__21 hat geschrieben:Jetzt mag man sich fragen, wo da der Unterschied zu demjenigen liegt, der sich freiwillig schlafen legt. Auch der hat es nicht in der Hand wann er einschläft und wann er aufwacht.
Er hat es aber in der Hand, sich zum Schlafen einen Platz zu suchen, bei dem er davon ausgehen darf, dass er nicht im Schlaf ermordert wird.
Mach das denn einen Unterschied? Das klingt auch teilweise in der Literatur so an, wird aber nicht näher ausgeführt, warum es darauf ankommen soll. Wenn ich in meinen sicheren vier Wänden vom Schlaf übermannt werde, bin ich dann arglos, weil die Umgebung ja sicher ist?
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immer locker bleiben
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Re: § 211 - Habgier, absichtlich herbeigeführte Bewusstlosig

Beitrag von immer locker bleiben »

Tobias__21 hat geschrieben:
immer locker bleiben hat geschrieben:
Tobias__21 hat geschrieben:Jetzt mag man sich fragen, wo da der Unterschied zu demjenigen liegt, der sich freiwillig schlafen legt. Auch der hat es nicht in der Hand wann er einschläft und wann er aufwacht.
Er hat es aber in der Hand, sich zum Schlafen einen Platz zu suchen, bei dem er davon ausgehen darf, dass er nicht im Schlaf ermordert wird.
Mach das denn einen Unterschied? Das klingt auch teilweise in der Literatur so an, wird aber nicht näher ausgeführt, warum es darauf ankommen soll. Wenn ich in meinen sicheren vier Wänden vom Schlaf übermannt werde, bin ich dann arglos, weil die Umgebung ja sicher ist?
Ich glaube der unterschied liegt zwischen "plötzlich vom Schlaf übermannt werden" (kein bewusstes Handeln, daher Arglosigkeit eher ausgeschlossen) und "sich bewusst zum schlafen hinlegen" (Arglosigkeit gegeben, denn wenn er nicht arglos wäre, würde er sich nicht schlafen legen).
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