Doppelirrtum

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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ThatWasObjectionable
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Doppelirrtum

Beitrag von ThatWasObjectionable »

Hallo,

kurze Frage im Bereich der strafrechtlichen Irrtumslehre: In allen möglichen Lehrbüchern und Skripten taucht ja wieder das Konzept vom "Doppelirrtum" auf: Treffen Erlaubnis- und Erlaubnistatbestandsirrtum zusammen, kommt immer nur 17 StGB zur Anwendung, da es dem Täter nicht zugute kommen kann, wenn er neben der fehlerhaften rechtlichen Beurteilung noch zusätzlich über den Sachverhalt irrt.


Ein Beispiel (frei nach Wessels/Beulke/Satzger) wäre: A hört wütenden B die Treppe hoch poltern, denkt irrtümlich, er käme um ihn zu verprügeln und schießt ihm im Glauben, Notwehr kenne keine Grenzen, ohne Vorwarnung in den Kopf.


Was ich nicht verstehe: Wieso wird immer nur diese Konstellation unter "Doppelirrtum" gefasst und nie die einfachere, dass ein simpler Verbots- und ein Tatbestandsirrtum zusammentreffen? (Eigenes) Beispiel wäre: A geht in den Zoo um einen Bären abzuknallen, weil er glaubt das dürfe man. Was er anvisiert (und auch tödlich trifft) ist aber der etwas haarige Tierpfleger T.

Warum wird diese Konstellation im Zusammenhang mit dem Doppelirrtumsproblem nie auch nur erwähnt? Mache ich irgendeinen Denkfehler?

Danke!
Tobias__21
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Re: Doppelirrtum

Beitrag von Tobias__21 »

Wenn man sich dein erstes Beispiel mal genauer anschaut, ist das gar kein Erlaubnistatbestandsirrtum. Kontrollfrage: Wäre seine Handlung gerechtfertigt, träfe seine Vorstellung zu? Nein, wäre sie nicht, da sie nicht erforderlich/geboten ist. Es bleibt einzig und allein ein Verbotsirrtum (bzw. Erlaubnisirrtum) über. Und ich meine auch, dass es den Doppelirrtum gar nicht gibt. Ich weiß, dass der immer wieder auftaucht in den Lehrbüchern, aber mir fällt kein Beispiel ein, dass man nicht gelöst kriegt ohne sich mit einem Doppelirrtum verrenken zu müssen. Aber meine Phantasie ist begrenzt, ich kann da auch falsch liegen. Jedenfalls ist das obige Beispiel kein Doppelirrtum und 17 gelangt zur Anwendung, ohne dass man darüber diskutieren müsste.

Bei Deinem zweiten Bsp. sehe ich ebenfalls kein Problem. Wahrscheinlich wird es deshalb auch nicht genannt.
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JulezLaw
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Re: Doppelirrtum

Beitrag von JulezLaw »

Ich verstehe dein Problem bzw. Beispiel nicht so recht. Das sind halt jeweils getrennt zu berücksichtigende Sachverhalte.
In deinem Beispiel wird der Verbotsirrtum ggfs. im Rahmen der versuchten Sachbeschädigung relevant, der error in persona im Rahmen des Vorsatzes beim Tötungsdelikt.

Beim Doppelirrtum handelt es sich um eine ganz andere Konstellation. Hier geht es ja darum, dass die Straffreiheit durch den Erlaubnistatbestandsirrtum (als nicht nur das Gesetz geregelter Irrtum!) nur demjenigen zukommen soll, der sich bei Berücksichtigung dieses Irrtums rechtstreu verhält. Das tut er beim Doppelirrtum nicht.
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Re: Doppelirrtum

Beitrag von JulezLaw »

Naja, das erste Beispiel enthält schon auch einen ETBI: Er denkt, ein Angriff stünde unmittelbar bevor und irrt sich entsprechend über die tatsächlichen Umstände. Lägen diese vor, dürfte er Notwehr üben.
Aber eben nicht in diesem Ausmaß (ohne Vorwarnung in den Kopf schießen), deshalb insoweit Irrtum über die Reichweite des Notwehrrechts.
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Re: Doppelirrtum

Beitrag von Tobias__21 »

JulezLaw hat geschrieben:Naja, das erste Beispiel enthält schon auch einen ETBI: Er denkt, ein Angriff stünde unmittelbar bevor und irrt sich entsprechend über die tatsächlichen Umstände. Lägen diese vor, dürfte er Notwehr üben.
Aber eben nicht in diesem Ausmaß (ohne Vorwarnung in den Kopf schießen), deshalb insoweit Irrtum über die Reichweite des Notwehrrechts.
Und genau deshalb ist es kein ETBI. Es reicht nicht, dass er sich einen Angriff vorstellt, bei dessen vorliegen er grds. mal gerechtfertigt wäre. Der Täter muss sich auch an alle Vrs. des Rechtfertigungsgrundes halten. Tut er das nicht, ist es kein ETBI.

Hierzu nur Kühl, 4. Auflage, § 13 IV Rn. 64 mit der Feststellung, dass dies häufig von den Studenten verkannt wird und im selben Abschnitt Rn. 69 mit entsprechenden Verweisen auf den BGH u.a.
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Re: Doppelirrtum

Beitrag von JulezLaw »

Stimmt, hast Recht. Ich nehme den Teil zurück.
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Re: Doppelirrtum

Beitrag von Tobias__21 »

:woohoo
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