error in objecto beim diebstahl

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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Grant101
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error in objecto beim diebstahl

Beitrag von Grant101 »

Hey Leute,

ich hab mal eine Verständnisfrage (vorweg der Sachverhalt):

X nimmt eine Tasche des Opfers O weg mit der Absicht, dass er dort eine bestimmte teure Uhr vorfindet. Als er die Tasche zu Hause öffnte ist dort nur eine Zeitschrift drin. Die Tasche wirft X weg. Strafbarkeit nach Eigentumsdelikten ?.


Wenn ich den Diebstahl an Tasche, Uhr und Zeitschrift prüfe tun sich für mich einige Schwierigkeiten auf.

I. 242 an der Tasche

Der Diebstahl hinsichtlich der Tasche ist (problematisierend) zu verneinen, da i.d.R keine Zueignungsabsicht vorliegt (Es sei denn, es wurde von vornherein beabsichtigt sie zu behalten oder als Transportmittel zu verwenden.

II 242 an der Zeitschrift


(ich prüfe den Zeitschriftdiebstahl taktisch vorher, das offensichtlich ein error in objecto im Spiel ist)

Die Wegnahme ist objekiv gegeben. Im Rahmen des Diebstahlvorsatzes benenne ich den Identitätsirrtum an zwei Sachen und löse ihn nach formellen Gleichheitsgesichtspunkten. klar !. Das heißt Vorsatz ist bei formell gleichwertigen Sachen zu bejahen.
Anschließend spreche ich die Zueignungsabsicht an, welche aber nach h.M nicht abweichend angewandt werden darf, wenn der Täter ursprünglich beabsichtigte eine bestimmte Sache zu stehlen. Im Ergebnis wäre ein 242 an der Zeitschrift zu verneinen.

III 242, 22, 23 an der Uhr

(Fischer und viele andere, ich glaube auch die rspr. nimmt dennoch einen Versuch an der Uhr an.)

Das Problem ist doch aber, dass ein Vorsatz beim error in objecto soweit er gleichwertig is verbraucht ist oder ? Das hieße ja straffrei was Eigentumsdelikte betrifft ?



würde mich um eine schnelle Antwort freuen.

grant101
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Tibor
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Re: error in objecto beim diebstahl

Beitrag von Tibor »

Dein erster Beitrag nach 8,5 Jahren und dann so ein Anfängerfall? Entweder hast du dich als Schüler angemeldet oder studierst - sagen wir es vorsichtig - nicht gerade zügig.
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JulezLaw
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Re: error in objecto beim diebstahl

Beitrag von JulezLaw »

Schnelle Antwort? Wieso, steht die Abgabefrist der Hausarbeit so nah bevor?
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Re: error in objecto beim diebstahl

Beitrag von Grant101 »

ich lasse das Persönliche einmal beiseite. Ich schreibe auch keine Hausarbeit.

Aber zugegeben, ich befasse mich zum ersten Mal wirklich intensiv mit der Zueignungsabsicht (über die Standardfälle hinaus). Da Fischer einen Diebstahlsversuch bei Objektverwechslungen in Behältniskonstellationen hinsichtlich des gewünschten Objekts annimmt (§ 242 Rn. 41/a) bzw. in der ZJS ein vergleichbarer Fall vorgestellt wird, hat mich dies ein wenig verwirrt. Es kann sein, dass ich ein wenig auf dem Schlauch stehe, bitte um Nachsicht.

Eine kurze prägnante Antwort würde ausreichen (um Hausarbeitsverdacht auszuräumen: ohne fußnoten etc)
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Schnitte
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Re: error in objecto beim diebstahl

Beitrag von Schnitte »

Grant101 hat geschrieben: Das Problem ist doch aber, dass ein Vorsatz beim error in objecto soweit er gleichwertig is verbraucht ist oder ? Das hieße ja straffrei was Eigentumsdelikte betrifft ?
Zum Einen ist da immer noch die Möglichkeit von § 246 StGB hinsichtlich Tasche und Zeitschrift. Zum Anderen sehe ich nicht, wieso der subjektive Tatbestand hinsichtlich der Uhr "verbraucht" sein soll, wenn du - deiner Auslegung vom error in obiecto folgend - ihn in Bezug auf die Zeitschrift verneinst.
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Grant101
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Re: error in objecto beim diebstahl

Beitrag von Grant101 »

Hallo Leute,

erstmal frohe Ostern.

Ich bringe nochmal kurz den Sachverhalt und mache eine kleine Lösungsskizze

Zudem verweise ich auf den klassischen Fall des error in persona, in welchem jemand auf ein konkretisiertes Subjekt schießt, dieses Subjekt aber eine andere Identität hat (gewünschtes Totschlagsopfer gleicht nicht dem tatsächlich getroffenen Opfer). Auch hier geht ein Totschlag am getroffenen Opfer durch, eine Versuchsprüfung am eigentlich gewünschten Opfer verbietet sich. Ich zitiere hier mal eine random Uni Darstellung aus dem Internet (Uni Frankfurt Oder):

T T schießt mit Tötungsvorsatz auf X, den er für Y hält.
Bloßer Identitätsirrtum, der den Vorsatz nicht entfallen lässt („error in persona non nocet“). Strafbarkeit des T aus § 212 StGB zu Lasten des X. Kein zusätzliches Ver-suchsdelikt aus §§ 212, 22 StGB zu Lasten des Y, weil insoweit der Vorsatz schon durch die Vorsatzzurechnung im Hinblick auf die Tötung des X „verbraucht“ ist.


Nungut zu meinem kurzfall:


X nimmt eine Tasche des Opfers O weg mit der Absicht, dass er dort eine ganz bestimmte Uhr vorfindet (Ein Erbstück aus einer bayrischen Adelslinie). Hinsichtlich der Tasche machte sich X keine weiteren Gedanken, sie war ihm insbesondere als Tragemittel schlicht egal. Als er die Tasche zu Hause öffnte ist dort nur eine Zeitschrift drin. Die Tasche wirft X sofort weg. Die Zeitschrift ebenfalls. Strafbarkeit X nach Eigentumsdelikten ?.

I 242 I an der Tasche

1. fremde, bew, Sache (+)

2. Wegnahme (+)

3. Vorsatz hinsichtlich obj. TB. Merkmale (+)

4. Zueignungsabsicht

Die Zueignungsabsicht unterteilt sich in Enteignungsvorsatz und Aneignungsabsicht und muss im Zeitpunkt der Wegnahme gefasst sein.

a) Enteignungsvorsatz (+)

Es ist bei X kein Rückführungswillen ersichtlich

b) Aneignungsabsicht (-)

x wollte die Tasche weder ihrer Substanz noch ihres Sachwerts zumindest vorübergehend im wirtschaftlichen Sinne einverleiben. Insbesondere war die Tasche ihm ihm als Tragemittel egal.

II 303 I an der Tasche (+)

;) wegen des Wegwerfens zumindest dies.

III 242 I an der Zeitschrift

1. fr, bew, Sache die weggenommen wurde (+)

2. Vorsatz hinsichtl. der obj. Merkmale

(p) error in objecto, da ein anderes "Diebstahlsobjekt" faktisch weggenommen wurde, als das Gewünschte (Zeitschrift und eben nicht die Uhr)

Lösung: allg. Auffassung ist, dass in diesen Konstellationen die formelle Gleichwertigkeit der Tatobjekte maßgeblich ist und der Vorsatz bestehen bleibt (anders als bei aberatio ictus). Im Ergebnis handelte X vorsätzlich hinsichtlich der Zeitschrift.

3. Zueignugsabsicht

a) Enteignungsvorsatz (+)

X hatte nie vor den Tascheninhalt, egal welchen zurückzugeben

b) Aneignungsabsicht (-)

die h.M besagt, dass die Aneignugsabsicht (wenn auf ein bestimmtes Objekt, hier: Uhr, konkretisiert ist, nicht verallgemeinert werden kann. Mithin hat x keine Aneignungsabsicht an der ZEitschrift.

4. Ergebnis
242 an der ZEitschrift (-)

IV 246 an der Zeitschrift (-)

X hat die Zeitschrift nicht noch einmal bewusst zugeeignet. Er hat sie schlicht weggeworfen.

V 303 an Zeitschrift (+)

;) zumindest das.

VI 242 I , 22, 23 an der Uhr (-)

weil kein Vorsatz (siehe Dogmatik zum Vorsatz)




Also straffrei, (von 303 mal abgesehen). Wie gesagt: Fischer und die herrschende Literatur nehmem bei solche TAschenverwechlusngsfällen dennoch einen Diebstahlsversuch an der ZEitschrift an.

Danke
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Tibor
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Re: error in objecto beim diebstahl

Beitrag von Tibor »

Scheiße, wenn die Abgabefrist sich dem Ende nähert, oder?

Geschlossen.
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