BAK Rückrechnung

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

Moderator: Verwaltung

Antworten
Benutzeravatar
Muirne
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 6243
Registriert: Sonntag 2. Januar 2011, 22:46

BAK Rückrechnung

Beitrag von Muirne »

Mich verwirrt die Rückrechnung zu Lasten des Täters gerade etwas.
Oft liest man ja: wenn Tatzeit (Trunkenheitsfahrt) 1:00 Uhr und BAK um 7:00 Uhr gemessen bei 1,3 Promille beispielsweise, dann ergibt sich +0,4 Promille, weil man 2 Stunden wegen Resorption nicht mitrechnet.
Dann wiederum lese ich diesen Beispielsfall:
"Trinkende 15:30 Uhr, Tatzeit 16:00 Uhr, Blutentnahme um 19:00 Uhr mit dem Ergebnis 1,00 Promille. Hier ist keine Rückrechnung zulässig, da die Resorption noch nicht sicher abgeschlossen war. Es wird von 1,00 Promille zur Tatzeit ausgegangen

Diese Fälle widersprechen sich doch. Was ist jetzt richtig?
»Natürlich ist das herablassend. Torquemada ist mir gegenüber herablassend, ich bin esprit gegenüber herablassend. So ist die Nahrungskette in diesem Forum nunmal.« - Swann
Benutzeravatar
thh
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 5278
Registriert: Dienstag 18. August 2009, 15:04
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: BAK Rückrechnung

Beitrag von thh »

Muirne hat geschrieben:Mich verwirrt die Rückrechnung zu Lasten des Täters gerade etwas.
Wobei bei dieser den Beschuldigten belastenden Rückrechnung deshalb immer zugunsten des Beschuldigten zurückgerechnet wird, bei der Frage der Fahruntauglichkeit also zugunsten einer möglichst niedrigen BAK, bei der Frage der Schuldunfähigkeit zugunsten einer möglichst hohen BAK.
Muirne hat geschrieben:Oft liest man ja: wenn Tatzeit (Trunkenheitsfahrt) 1:00 Uhr und BAK um 7:00 Uhr gemessen bei 1,3 Promille beispielsweise, dann ergibt sich +0,4 Promille, weil man 2 Stunden wegen Resorption nicht mitrechnet.
Genau, man rechnet also nur 4 h statt 6 h, und man geht von 0,1 Promille pro Stunde als Abbauwert aus. So kommt man zu 1,7 Promille. (Das setzt voraus, dass das Trinkende recht genau mit der Trunkenheitsfahrt zusammenfällt; das wird in diesen Konstellationen meistens so sein.)

Ginge es um die Schuldunfähigkeit, würde man 6 h annehmen, 0,2 Promille pro Stunde als Abbauwert und 0,2 Promille als "Sicherheitszuschlag", addiert also 1,4 Promille und kommt auf 2,7 Promille.
Muirne hat geschrieben:Dann wiederum lese ich diesen Beispielsfall:
"Trinkende 15:30 Uhr, Tatzeit 16:00 Uhr, Blutentnahme um 19:00 Uhr mit dem Ergebnis 1,00 Promille. Hier ist keine Rückrechnung zulässig, da die Resorption noch nicht sicher abgeschlossen war. Es wird von 1,00 Promille zur Tatzeit ausgegangen
Eine Rückrechnung ist überhaupt nur seriös möglich, sobald die Resorption abgeschlossen ist. Man setzt die Resorptionszeit - zugunsten des Beschuldigten - auf 120 Minuten fest. Erfolgt die Blutprobe also weniger als 120 Minuten nach Trinkende, kann es sein, dass der Beschuldigte sich noch in der Resorptionsphase befindet, die BAK im Blut also steigt, d.h. man ggf. vom Messwert noch etwas abziehen müsste, statt etwas hinzuzurechnen.

Das hindert AFAIS aber nicht die Rückrechnung, wenn nur die Tat binnen weniger als zwei Stunden nach Trinkende begangen wurde, der Zeitpunkt der Blutprobenentnahme aber sicher nach Resorptionsende liegt. Man kann dann zwar nicht auf die Tatzeit zurückrechnen, aber immerhin auf das Ende der Resorptionsphase.

Im Beispielfall wäre also m.E. nicht von 1,0 Promille, sondern von 1,15 Promille auszugehen (17.30-19.00 Uhr sind anderthalb Stunden).

Siehe dazu http://www.iww.de/va/archiv/trunkenheit ... xis-f42643 (mit missverständlicher Formulierung, aber klarem Beispiel) und die dort in Bezug genommene BGH-Entscheidung https://www.jurion.de/urteile/bgh/1973- ... tr-130_73/ (Verwaister Link https://www.jurion.de/urteile/bgh/1973-12-11/4-str-130_73/ automatisch entfernt)

Aus der Entscheidung:
Die sog. Rückrechnung ist indessen nur insoweit eine Hochrechnung, als sie in die Eliminationsphase fällt. Ist nach Lage des Falles mit einem Ansteigen der Blutalkoholkonzentration noch zwischen Trinkende und Blutentnahme zu rechnen, so muß, soll der Kraftfahrer nicht benachteiligt werden, unter Umständen von dem in der Blutprobe festgestellten Wert ein Abzug vorgenommen werden. Die Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit kann nämlich, wenn der Vorfall nur relativ kurze Zeit (im Verhältnis zur jeweils benötigten Resorptionsdauer) nach dem Trinkende liegt, unterhalb derjenigen im Blutentnahmezeitpunkt gelegen haben.
So weit, so gut. Aber:
Für die Frage der Fahruntüchtigkeit i.S. der §§ 316, 315 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB kommt dies dem Kraftfahrer allerdings dann nicht zugute, wenn er im Zeitpunkt der Tat eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer Blutalkoholkonzentration von 1,3 Promille und darüber führt. Die damit für die Tatzeit gegebene Alkoholanflutungswirkung hat in gleicher Weise absolute Fahruntüchtigkeit zur Folge wie das Erreichen der Grenzwertkonzentration von 1,3 Promille unter den günstigsten Umständen, nämlich nach Absinken der Wirkungsüberhöhung und inzwischen stattgefundener Erholung [...]. Es ist jetzt wissenschaftlich unbestritten, daß die Anflutungswirkung auf den Grenzwert oder auf einen höheren Wert hin nach Trinkende den Konzentrationsfehlbetrag bis zum Grenzwert zumindest ausgleicht.
Muirne hat geschrieben:Das widerspricht sich doch mit diesen 2 Stunden, die man nicht mitrechnet. Was ist jetzt richtig? Bei der ersten 1 Uhr Geschichte kennt man das Trinkende doch auch nicht und rechnet genau deshalb 2 h nicht mit. :-k
Das ist http://www.verkehrsrecht-ratgeber.de/ve ... 01_06.html? Erscheint mir falsch. Das Beispiel 3 kalkuliert im übrigen den "Sicherheitszuschlag" von 0,2 Promille nicht ein.

(Das eine - IWW - ist auch ein Fachdienst mit angegebenem Autor, hier ROLG a.D. Burhoff, das andere ... naja, man weiß nicht genau was, und auch nicht von wem die Beiträge dort stammen.)
Benutzeravatar
Muirne
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 6243
Registriert: Sonntag 2. Januar 2011, 22:46

Re: BAK Rückrechnung

Beitrag von Muirne »

Lieben Dank, dann weiß ich dass das Beispiel falsch ist. :) ja, war von dieser Seite. genau, konsequent hätten es in dem Beispiel dann die + 0,15 Promille sein müssen. Nur wenn man das trinkende gar nicht kennt bzw. Zwischen trinkende bis zur Blutentnahme weniger Zeit vergangen sind als 2 h macht es ja überhaupt Sinn den Wert von der Blutentnahme zu nehmen. Wobei das vermutlich nicht vorkommen wird weil wie du sagst man da evtl sogar noch was abziehen müsste.
Aber zumindest hab ich das in den normalen Fällen jetzt klar. War nur von den Beispielen verwirrt weil sie sich widersprochen haben. Merci.


Gesendet von meinem STF-L09 mit Tapatalk
»Natürlich ist das herablassend. Torquemada ist mir gegenüber herablassend, ich bin esprit gegenüber herablassend. So ist die Nahrungskette in diesem Forum nunmal.« - Swann
Antworten