"Pakt für den Rechtsstaat" oder Die Verteidiger sind schuld

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

Moderator: Verwaltung

Benutzeravatar
Ara
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 8347
Registriert: Donnerstag 11. Juni 2009, 17:48
Ausbildungslevel: Schüler

"Pakt für den Rechtsstaat" oder Die Verteidiger sind schuld

Beitrag von Ara »

https://www.lto.de/recht/hintergruende/ ... rteidiger/
Konkret geht es um die "vier Bs", an die die größte der beiden Regierungsfraktionen und Vertreter von unionsregierten Ländern heran wollen: Beweis – und Befangenheitsanträge, Besetzungsrüge und die Bündelung der Nebenklage. Alle diese Instrumente sollen möglichst so geändert werden, um Strafverfahren effizienter zu gestalten und zu beschleunigen.
Deutliche Worte mussten sich die Strafverteidiger insbesondere seitens des Vorsitzenden des DRB, Jens Gnisa, gefallen lassen: Die Haltung der Verteidiger habe sich geändert, beklagte Gnisa. "Früher waren sie noch Organe der Rechtspflege, jetzt sind viele von ihnen eher Gehilfen der Angeklagten." Verfahren in die Verjährung laufen zu lassen, sei aber "nicht Aufgabe des Rechtsanwaltes", so der DRB-Vorsitzende. Für Gnisa, auch Direktor des AG Bielefeld, ist das Maß offenbar voll: Man müsse mit der Anwaltschaft jetzt dringend über eine "vernünftige Verteidigerkultur" reden.
Gnisa zeigt mal wieder, was für ein Bild er von der Verteidigung hat. Eine Verfahrensrolle, die ihm den Arbeitsalltag erschwert. Wird er doch tatsächlich zu einer Beweisaufnahme genötigt.

Dabei ist die Sache doch ganz einfach: Die Anwaltschaft ist nicht dafür verantwortlich, dass es an Richtern mangelt. Es ist auch nicht die Aufgabe der Verteidigung, das fehlende Personal bei den Richtern durch eine "schlanke Urteilsbegleitung" aufzufangen.

Beweisanträge sind nicht notwendig, wenn die Staatsanwaltschaft schon im Vorverfahren auch die entlastenden Beweismittel erhebt. Ein tatsächlicher Missbrauch des Beweisantragsrecht kann durch Fristsetzung schon heute verhindert werden.

Meiner Meinung: Wer als Richter seinen Beruf gewissenhaft ausübt, der braucht vor der Strafverteidigung keine Angst zu haben. Allen anderen macht die Strafverteidigung zu Recht Mehrarbeit... Das ist aber gerade die ihr zugewiesene Aufgabe. Das hat Herr Gnisa nur nicht verstanden.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
Tobias__21
Fossil
Fossil
Beiträge: 10395
Registriert: Dienstag 4. November 2014, 07:51
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: "Pakt für den Rechtsstaat" oder Die Verteidiger sind sch

Beitrag von Tobias__21 »

So ganz Unrecht hat er nicht. Zum Teil werden völlig absurde Beweisanträge gestellt. Hier will zum Bsp. ein Verteidiger Frau Merkel in den Zeugenstand holen....Ich hatte auch mal einen, der das Gericht im Fortsetzungstermin, an dem nur noch die Plädoyers gehalten werden sollten, mit Beweisanträgen überzogen hat. Aber so viele, dass die Richterin ne Stunde weg war um darüber zu entscheiden. Ich selbst konnte gar keine Stellungnahme abgeben, weil ich nicht hinterherkam. Im Endeffekt wurden natürlich alle abgelehnt.

Es gibt aber natürlich auch Richter, die ihre Arbeit nicht gewissenhaft machen und so wenig Arbeit wie möglich haben wollen. Auch schon erlebt. Ich denke, beide Seiten haben Dreck am Stecken :)
Having cats in the house is like living with art that sometimes throws up on the carpet
Benutzeravatar
Ara
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 8347
Registriert: Donnerstag 11. Juni 2009, 17:48
Ausbildungslevel: Schüler

Re: "Pakt für den Rechtsstaat" oder Die Verteidiger sind sch

Beitrag von Ara »

Ich sehe ehrlich gesagt noch nicht die Gefahr für den Rechtsstaat, wenn die Richterin eine Stunde über unsinnige Beweisanträge entscheiden muss. Zumindest keinen Grund, warum man allen Angeklagten ihre einzige Waffe stumpfer machen müsste.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
Tobias__21
Fossil
Fossil
Beiträge: 10395
Registriert: Dienstag 4. November 2014, 07:51
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: "Pakt für den Rechtsstaat" oder Die Verteidiger sind sch

Beitrag von Tobias__21 »

Ist halt unsinnige Arbeitsbelastung und dient nur der Prozessverschleppung. Von einer dahingehenden Reform halte ich allerdings auch eher wenig bis gar nichts.
Having cats in the house is like living with art that sometimes throws up on the carpet
Benutzeravatar
Ara
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 8347
Registriert: Donnerstag 11. Juni 2009, 17:48
Ausbildungslevel: Schüler

Re: "Pakt für den Rechtsstaat" oder Die Verteidiger sind sch

Beitrag von Ara »

Warum sollte jemand ein Interesse daran haben das Verfahren um eine Stunde zu verlängern?

Eine "Prozessverschleppung" macht nur in sehr wenigen Fällen Sinn. Entweder weil die absolute Verjährung in Reichweite ist, um die Überliegefrist von Vorstrafen rum zu bekommen oder weil die Vollstreckung aus persönlichen Gründen hinausgezögert werden soll. Früher noch um Punkte in Flensburg entfallen zu lassen, das ist heute aber nicht mehr möglich.

Das sind aber alles kleine "Tricks" die sehr selten sinnig sind.

Was häufiger der Fall ist, dass nicht das Verfahren "verschleppt" werden soll, sondern dass es so umfangreich aufgebauscht wird, dass man darauf spekuliert, dass das Gericht aufgrund der Arbeitsüberlastung das Verfahren alternativ beenden möchte. Das ist aber nicht das Problem der Verteidigung, sondern der Gerichte. Wenn die Staatsanwaltschaft 100 Taten angeklagt hat, dann müssen die 100 Taten festgestellt werden. Wenn ich als Verteidiger dann alle 100 Opfer hören möchte, dann ist das nicht nur das gute Recht des Angeklagten, sondern auch rechtsstaatlich so geboten. Ein "Wir haben 20 Taten nachgewiesen, darum werden auch die anderen 80 Taten so geschehen sein" verbietet sich.

Wenn die Gerichte nicht in der Lage sind solche Verfahren durchzuführen, dann ist es eher traurig für die Justiz. Der Verteidigung aber vorzuwerfen, dass sie auf die Überlastung der Justiz keine Rücksicht nimmt, ist halt schon abstrus. Ich meine es hat ja schon einen Grund, warum es sowas wie Beweisanträge gibt. Da hat sich der Gesetzgeber schon Gedanken gemacht.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
Tobias__21
Fossil
Fossil
Beiträge: 10395
Registriert: Dienstag 4. November 2014, 07:51
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: "Pakt für den Rechtsstaat" oder Die Verteidiger sind sch

Beitrag von Tobias__21 »

Und ein Verfahren aufzubauschen ist besonders lauter? :) Das ist doch nix anderes als Verschleppung, oder nicht? Ich stelle solange Beweisanträge bis das Gericht irgendwann keinen Bock mehr hat :)
Having cats in the house is like living with art that sometimes throws up on the carpet
Benutzeravatar
Ara
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 8347
Registriert: Donnerstag 11. Juni 2009, 17:48
Ausbildungslevel: Schüler

Re: "Pakt für den Rechtsstaat" oder Die Verteidiger sind sch

Beitrag von Ara »

Tobias__21 hat geschrieben:Und ein Verfahren aufzubauschen ist besonders lauter? :) Das ist doch nix anderes als Verschleppung, oder nicht? Ich stelle solange Beweisanträge bis das Gericht irgendwann keinen Bock mehr hat :)
Es ist nicht unlauter und das ist das Wichtige. Der Angeklagte ist nicht verpflichtet das Verfahren möglichst schlank zu halten. Nemo-Tenetur und die Unschuldsvermutung sind die Grundpfeiler des Rechtsstaates. Daher ist es das gute Recht des Angeklagten, dass er verlangen darf, dass ihm jede Tat lückenlos nachgewiesen wird.

Wenn das Gericht meint, die Beweisanträge wären sinnlos, dann kann es diese ja ablehnen. Wenn es den Verdacht hat die Beweisanträge dienen der Verschleppung, soll es halt eine Frist setzen, die von der Rechtsprechung anerkannt ist. Wenn das Gericht den Beweisantrag nicht ablehnen kann, dann scheint die Beweiserhebung ja wohl relevant zu sein.

Man kann nicht auf einer Seite sagen es gilt die Unschuldsvermutung und auf der anderen Seite sich aber darüber monieren, dass man die Schuld umfangreich nachweisen muss.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
Benutzeravatar
Tibor
Fossil
Fossil
Beiträge: 16446
Registriert: Mittwoch 9. Januar 2013, 23:09
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: "Pakt für den Rechtsstaat" oder Die Verteidiger sind sch

Beitrag von Tibor »

Gnisa ist seit seinem Schundroman nun nicht wirklich für objektive Fehleranalyse und sachgerechte Verbesserungsvorschläge bekannt.
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
Tobias__21
Fossil
Fossil
Beiträge: 10395
Registriert: Dienstag 4. November 2014, 07:51
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: "Pakt für den Rechtsstaat" oder Die Verteidiger sind sch

Beitrag von Tobias__21 »

Ich meine ja auch nur die sinnlosen Beweisanträge. Da wird halt echt übertrieben und da geht es nicht um einen lückenlosen Nachweis der Tat.
Having cats in the house is like living with art that sometimes throws up on the carpet
Benutzeravatar
thh
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 5287
Registriert: Dienstag 18. August 2009, 15:04
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: "Pakt für den Rechtsstaat" oder Die Verteidiger sind sch

Beitrag von thh »

Ara hat geschrieben:Ich sehe ehrlich gesagt noch nicht die Gefahr für den Rechtsstaat, wenn die Richterin eine Stunde über unsinnige Beweisanträge entscheiden muss. Zumindest keinen Grund, warum man allen Angeklagten ihre einzige Waffe stumpfer machen müsste.
Missbrauch führt zur Einschränkung von Rechten. Je öfter stunden- oder tagelang ersichtlich unsinnige Beweisanträge gestellt werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu weiteren Einschränkungen beim Beweisantragsrecht kommen wird. - Das sollte man auch als unabhängiges Organ der Rechtspflege im Blick haben.

(Dasselbe sage ich übrigens den Polizeibeamten und Staatsanwälten, die einer großzügigen Handhabung von Ermittlungsbefugnissen das Wort reden. Die Entscheidungen des BVerfG zur "Gefahr im Verzug" kommen ja ebenfalls nicht von ungefähr.)
Benutzeravatar
thh
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 5287
Registriert: Dienstag 18. August 2009, 15:04
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: "Pakt für den Rechtsstaat" oder Die Verteidiger sind sch

Beitrag von thh »

Ara hat geschrieben:Gnisa zeigt mal wieder, was für ein Bild er von der Verteidigung hat. Eine Verfahrensrolle, die ihm den Arbeitsalltag erschwert. Wird er doch tatsächlich zu einer Beweisaufnahme genötigt.
Macht er denn Strafsachen? Ich dachte, nein?
Ara hat geschrieben:Beweisanträge sind nicht notwendig, wenn die Staatsanwaltschaft schon im Vorverfahren auch die entlastenden Beweismittel erhebt.
Das Problem sind ja nicht die notwendigen Beweisanträge.
Ara hat geschrieben:Meiner Meinung: Wer als Richter seinen Beruf gewissenhaft ausübt, der braucht vor der Strafverteidigung keine Angst zu haben.
Gerade der Richter, der seinen Beruf gewissenhaft ausübt und sich daher nicht zu einem Strafrabatt oder Deal erpressen lassen will, ist von solchem Verhalten betroffen. Angst muss er zwar keine haben, aber darum ging's ja eigentlich auch nicht.
Benutzeravatar
Zippocat
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2805
Registriert: Dienstag 19. Dezember 2006, 20:48
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: "Pakt für den Rechtsstaat" oder Die Verteidiger sind sch

Beitrag von Zippocat »

+1 zu thh.

Gefühlt 75% der "Beweisanträge" sind Beweisermittlungsanträge, von den restlichen 25% die meisten aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung. Das Problem ist daher nicht das von Verteidigern gefühlte, tatsächlich nicht vorhandene Aufklärungsdefizit, sondern schlicht der prozessual gebotene Ablauf zur Zurückweisung eines Beweisantrags, der einfach nur allen Beteiligten Zeit kostet.
"If we should deal out justice only, in this world, who would escape?"
Benutzeravatar
Ara
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 8347
Registriert: Donnerstag 11. Juni 2009, 17:48
Ausbildungslevel: Schüler

Re: "Pakt für den Rechtsstaat" oder Die Verteidiger sind sch

Beitrag von Ara »

Man kann lange darüber streiten ob 1. "nicht notwendige Beweisanträge" tatsächlich ein "Missbrauch" darstellen und 2. ob die verfügbaren Möglichkeiten nicht ausreichen dem Problem zu begegnen.

Die Beweisermittlungsanträge sind doch zum Beispiel gar kein Problem. Da kann sich jeder Richter ja freuen, wenn der Anwalt keinen Beweisantrag hinbekommt und ihn daher einfach nach § 244 II behandeln kann.

Ansonsten hat der Gesetzgeber sich halt schon etwas dabei gedacht, dass Beweisanträgen grundsätzlich nachgegangen werden muss. Ich glaube das wird häufig in der Diskussion vergessen.

Die typische Verfahrensverschleppung, wo man wirklich Monate schinden möchte, erreicht man ja meist nicht mit Beweisanträgen die abgelehnt werden können. Das macht man mit Beweisanträgen, die durchgehen (oder durchgehen müssten). Da beantragt man Zeugen, die genau das nochmal aussagen werden, was schon 3 andere Zeugen ausgesagt haben. Wenn das Gericht dann anfängt die Anträge mit Wahrunterstellung abzulehnen, dann lädt man Zeugen zu einem Beweisthema das auch schon feststeht und die Zeugen bestätigen werden und behauptet einfach, die werden das Gegenteil aussagen. Die Anträge stellt man peu à peu.

Diese Problematik, und das ist mE tatsächlich die einzige Form wo man von Missbrauch des Rechts sprechen kann, kann man mit der Fristsetzung begegnen. Dann wird nämlich dem Richter zwar Arbeit gemacht, aber das Verfahren wird nicht über Monate verschleppt. Wenn die Richter genügend Zeit hätten für solche Spiele, würde sich das Problem nämlich selbst lösen. Es würde nämlich keiner mehr machen, wenn das Gericht dann aussetzt und alle Beweisanträge am nächsten Verhandlungstag bescheidet. Es wird ja nur gemacht, weil man genau weiß, dass der Richter dafür keine Zeit hat und das Verfahren dann lieber anders begräbt.

Was aber kein Missbrauch darstellt, ist zum Beispiel mein oberes Beispiel, wenn ich bei 100 gleichgelagerten Fällen tatsächlich alle 100 Zeugen hören möchte. Ich erinnere mich z.B. an ein Verfahren wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr in rund 100 Fällen. Da ist es nicht unlauter offen zu kommunizieren, dass man schweigen wird und man alle 100 Zeugen hören möchte, die bestochen worden sein sollen. Das ist ja auch keine leere Drohung, sondern durch Schweigen ergibt sich solch eine Beweisaufnahme nun einmal. Es ist auch nicht unlauter, dass ich nach den 100 Zeugen dann auch noch ihre 100 Vorgesetzten als Zeugen hören möchte, um auszuschließen, dass die davon Kenntnis hatten und es genehmigt hatten.

Das ist lediglich Ausfluss des Nemo-tenetur-Grundsatzes und der Unschuldsvermutung. Der Umstand, dass man die Vernehmung der Vorgesetzten erst nach den 100 Zeugen beantragt, ist ebenfalls das Problem des Gerichts. Hätte es mitgedacht, hätte es die Vorgesetzten auch direkt geladen. Da ist die Verteidigung nicht in der Pflicht, die Überführung des Angeklagten möglichst effizient zu gestalten. Wenn 100 Taten angeklagt sind, müssen halt auch 100 Taten nachgewiesen werden. Egal ob sie gemeinsam oder getrennt angeklagt werden.

Wenn man also vom "Problem der Beweisanträge" spricht, meint man eher "Problem der Unschuldsvermutung".
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
Benutzeravatar
thh
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 5287
Registriert: Dienstag 18. August 2009, 15:04
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: "Pakt für den Rechtsstaat" oder Die Verteidiger sind sch

Beitrag von thh »

Ara hat geschrieben:Ansonsten hat der Gesetzgeber sich halt schon etwas dabei gedacht, dass Beweisanträgen grundsätzlich nachgegangen werden muss. Ich glaube das wird häufig in der Diskussion vergessen.
Das hat er, ja. Aber möglicherweise haben sich ja die tatsächlichen Verhältnisse geändert?
BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 23. April 2007 - GSSt 1/06 hat geschrieben:Die Änderung des anwaltlichen Ethos ist ein weiteres Argument für die Änderung der Rechtsprechung.
Ara hat geschrieben:Die typische Verfahrensverschleppung, wo man wirklich Monate schinden möchte, erreicht man ja meist nicht mit Beweisanträgen die abgelehnt werden können.
Auch Tage und Wochen sind zuviel.
Ara hat geschrieben:Das macht man mit Beweisanträgen, die durchgehen (oder durchgehen müssten). Da beantragt man Zeugen, die genau das nochmal aussagen werden, was schon 3 andere Zeugen ausgesagt haben. Wenn das Gericht dann anfängt die Anträge mit Wahrunterstellung abzulehnen, dann lädt man Zeugen zu einem Beweisthema das auch schon feststeht und die Zeugen bestätigen werden und behauptet einfach, die werden das Gegenteil aussagen. Die Anträge stellt man peu à peu.
Ich sehe, wir sind uns einig, dass der Missbrauch des Beweisantragsrechts - also das Stellen von Anträgen, mit denen gar nicht beabsichtigt wird, irgendeinen sinnvollen Beweis zu erbringen - zawr vielleicht selten, aber jedenfalls kein Ausnahmefall ist.
Ara hat geschrieben:Wenn die Richter genügend Zeit hätten für solche Spiele, würde sich das Problem nämlich selbst lösen.
Ein gutes Argument für eine Deckelung der Pflichtverteidigerhonorare der Höhe nach, statt bei ellenlangen Verfahren dann auch noch Pauschgebühren zu gewähren. :)
Ara hat geschrieben:Es würde nämlich keiner mehr machen, wenn das Gericht dann aussetzt und alle Beweisanträge am nächsten Verhandlungstag bescheidet. Es wird ja nur gemacht, weil man genau weiß, dass der Richter dafür keine Zeit hat und das Verfahren dann lieber anders begräbt.
Das man dem Rechtsmissbrauch dadurch begegnen könnte, dass man die Gerichte personell weit stärker besetzt, als das eigentlich erforderlich wäre, ist meines Erachtens kein Argument.
Ara hat geschrieben:Was aber kein Missbrauch darstellt, ist zum Beispiel mein oberes Beispiel, wenn ich bei 100 gleichgelagerten Fällen tatsächlich alle 100 Zeugen hören möchte.
Da darf man schon die Sinnfrage stellen, und ich habe erhebliche Zweifel, ob bei solchen Anträgen ernsthaft eine Beweiserhebung das primäre Ziel darstellt, aber ja, von Missbrauch würde ich da nicht sprechen.
Amtsschimmel
Häufiger hier
Häufiger hier
Beiträge: 115
Registriert: Montag 3. November 2014, 17:38
Ausbildungslevel: Student (Sonstiges)

Re: "Pakt für den Rechtsstaat" oder Die Verteidiger sind sch

Beitrag von Amtsschimmel »

Ara hat geschrieben: Freitag 27. April 2018, 18:44 Ich sehe ehrlich gesagt noch nicht die Gefahr für den Rechtsstaat, wenn die Richterin eine Stunde über unsinnige Beweisanträge entscheiden muss. Zumindest keinen Grund, warum man allen Angeklagten ihre einzige Waffe stumpfer machen müsste.
Sinnlose Anträge haben gerade in komplizierten Wirtschaftsstrafverfahren Methode. Vorteil ist dann nämlich, dass aufgrund der langen Verfahrensdauer dann meist milder geurteilt wird.
Antworten