Bewusste Fahrlässigkeit?

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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avid
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Bewusste Fahrlässigkeit?

Beitrag von avid »

"Bei einem nächtlichen Gang durch die Stadt wurden A,B und C, alle drei reichlich alkolisiert, auf einen Mann aufmerksam, der vom äußeren Erscheinungsbild für sie wie ein "Penner" wirkte. A schlug den Mann nieder, gemeinsam traten sie auf ihn ein. Als sich B und C bereits zum gehen wandten, nahm A einen mindestens 20 kg schweren Gullydeckel hoch und warf ihn mit beiden Händen aus Brusthöhe wuchtig in Richtung des Kopfes des am Boden liegenden Mannes, der sich noch leicht wegdrehen konnte. der Gullideckel traf den Mann seitlich am Kopf und fügte ihm eine tödlich wirkende Verletzung zu.-Hat A einen Totschlag begangen?"

Unser professor meint, dass aufgrund der erhöhten hemmschwelle bei Tötungsdelikten in diesem Fall lediglich bewusste Fahrlässigkeit und kein Eventualvorsatz gegeben ist.
Aber ich denke, dass das aus diesem Fall nicht hervorgeht. Der "Penner" hat A ,B und C ja schließlich nicht provoziert. Und die alkoholisierung wird doch nur im fall der Schuldunfähigkeit relevant, oder?

Was würdet ihr sagen? Bewusste Fahrlässigkeit oder Eventualvorsatz?
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Kommt darauf an, ob aus dem Sachverhalt hervorgeht, dass dem Täter bewusst war, dass sein Verhalten tötlich enden könnte.. Wenn nein würd ich schon der Meinung deines Profs folgen :D
Bei Tötungsvorsatz immer so ne Sache..
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Die "Hemmschwellentheorie" des BGH hat dein Professor da sicherlich richtig angewendet. Die ist tatsächlich sehr täterfreundlich, was schon ins groteske reicht, und auch in der Literatur kritisiert wird.

Ich würde auch sagen, wer mit gullideckeln wirft, der konnte nicht mehr davon ausgehen, das es nicht zu tödlichen Verletzungen kommen konnte. Also: Eventualvorsatz.
avid
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Beitrag von avid »

@whitsunrose
Meinst du wirklich, dass es aus dem Sachverhalt, so wie er hier gegeben ist hervorgeht, dass nur bewusste Fahrlässigkeit vorliegt?
chris0
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Beitrag von chris0 »

Also mE lässt der SV jede Menge Raum für Argumente in beide Richtungen, über die innere Vorstellung des A ist ja gar nichts gesagt. Er könnte sich gedacht haben, dass das Opfer schon nicht sterben werde, sogar fest darauf vertraut haben. Oder aber auch beim Werfen gerade gewollt haben, dass A stirbt...
Ansonsten muss ich meinen Vorrednern recht geben, man fährt immer besser, wenn man mit der Unterstellung eines Tötungsvorsatzes zurückhaltend ist.
Zuletzt geändert von chris0 am Mittwoch 6. April 2005, 21:13, insgesamt 1-mal geändert.
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dionysos
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Beitrag von dionysos »

Eventualvorsatz setzt ja voraus, dass der Täter den möglicherweise eintretenden Taterfolg ernst nimmt und ihn gleichzeitig billigt. Bewusste Fahrlässigkeit dagegen ist dadurch gekennzeichnet, dass der Täter die mögliche Rechtsgutverletzung eben nicht ernst nimmt, er vertraut ernstlich darauf, dass sie schon nicht eintreten wird. Dass jemand so dämlich sein könnte, und davon überzeugt wäre, dass das Opfer schon nicht sterben würde, wenn es einen 20kg schweren Gullideckel auf den Kopf bekäme, halte ich persönlich für sehr lebensfern.

Aber das denke ich. Und ich komm auch erst ins 2. Semester... :)
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Der Sachverhalt ist wirklich etwas dünn. Allerdings solltest du hier auch nicht erwarten, dass es eine richtige und sonst nur falsche Antworten gibt. In der Lit. gibt es seit 100 Jahren Streitigkeiten darüber, wie die beiden (d.e./b.F.) voneinander abzugrenzen sind.

Wenn wirklich nicht zu ermitteln ist, was der Täter sich dachte, ist wohl mit dem Grundsatz in dubio pro reo davon auszugehen, dass er nur fahrlässig handelte.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

jackyno hat geschrieben: Wenn wirklich nicht zu ermitteln ist, was der Täter sich dachte, ist wohl mit dem Grundsatz in dubio pro reo davon auszugehen, dass er nur fahrlässig handelte.
Wann bitte ist denn das schon mal klar? Da haben wir doch den Eventualvorsatz für erfunden, damit wir die leute denen wir es nicht so ganz richtig nachweisen können auch dran kriegen können.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ich habe halt die Erfahrung gemacht, dass gerade bei so "dünnen" Sachverhaltsangaben eher eine Entscheidung in Richtung bewusste Fahrlässigkeit erwartet wurde.
avid
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Beitrag von avid »

Falls sich noch jemand für den Fall interessiert. Die Entscheidung steht mit einer Anmerkung in: NStZ 1997,391.
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