Kann die Strafbarkeit im Wege der Gesetzeskonkurrenz entfallen?

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

Moderator: Verwaltung

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Gelöschter Nutzer

Kann die Strafbarkeit im Wege der Gesetzeskonkurrenz entfallen?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hallo Leute,

blöde Frage, aber kann man so etwas schreiben:
"Die Strafbarkeit entfällt im Wege der Gesetzeskonkurrenz"??? Hört sich komisch an, finde ich. Es geht bei den Konkurrenzen doch nicht mehr um die Strafbarkeit, sondern um die Bestrafung, oder?

Danke für die Hilfe.
Meike
ProstG!
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Beitrag von ProstG! »

Führ mal das Problem aus - wird ein Tatbestand durch einen anderen verdrängt und scheitert der verdrängende an einem Strafausschließungsgrund?
"Der Stellvertreter hat nur dann die Rechte und Pflichten des Vorsitzenden, wenn dieser behindert ist" (§ 107 I 3 AktG)
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Es geht um § 246, der ja hinter § 242 zurücktritt (formelle Subsidiarität). Eine Freundin von mir schreibt dann, die Strafbarkeit hinsichtlich § 246 entfalle im Wege der Gesetzeskonkurrenz... ich finde, dass man das so nicht schreiben kann, bin mir aber nicht sicher.
ProstG!
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Beitrag von ProstG! »

Kann da jetzt keinen Fehler erkennen. Eine Bestrafung aus 246 scheitert doch auch nur an der formellen Subsidiarität. Wenn 242 (+), ist ja jedenfalls auch der tatbestand des 246 voll erfüllt.

Was willst Du denn schreiben?
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Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ja genau, die Bestrafung scheitert, aber nicht die Strafbarkeit (das ist doch nicht ein und dasselbe, oder etwa doch?)
Ich würde also die Strafbarkeit bejahen, und nur die Bestrafung aus § 246 verneinen. Bspw: X hat sich gem. § 246 strafbar gemacht, jedoch tritt § 246 hinter § 242 zurück, so dass er nur aus § 242 zu bestrafen ist.
Vielleicht sehe ich da ja auch ein Problem, wo keines ist. Mich hat nur gestört, dass die Strafbarkeit entfallen soll. Ich denke (immer noch), dass die Konkurrenzen die Strafbarkeit unberührt lassen, und nur im Hinblick auf die Strafenbildung relevant sind.
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BuggerT
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Beitrag von BuggerT »

@meja
Ich teile deine Bedenken. Um bei obigem Bsp zu bleiben: Wenn sich ein Täter nach § 242 strafbar gemacht hat, hat er sich auch nach § 246 strafbar gemacht. Allerdings tritt § 246 aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Subsidiarität zurück.

Das ändert aber nichts daran, dass sich der Täter nach § 246 strafbar gemacht hat. Erst dadurch, dass er sich sowohl nach § 242 als auch § 246 strafbar gemacht hat, kommt man zum Problem der Konkurrenzen. Die mehrfache Strafbarkeit ist also gerade Voraussetzung.


grtz
BuggerT
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Beitrag von ProstG! »

BuggerT hat geschrieben:@meja
Ich teile deine Bedenken. Um bei obigem Bsp zu bleiben: Wenn sich ein Täter nach § 242 strafbar gemacht hat, hat er sich auch nach § 246 strafbar gemacht. Allerdings tritt § 246 aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Subsidiarität zurück.

Das ändert aber nichts daran, dass sich der Täter nach § 246 strafbar gemacht hat. Erst dadurch, dass er sich sowohl nach § 242 als auch § 246 strafbar gemacht hat, kommt man zum Problem der Konkurrenzen. Die mehrfache Strafbarkeit ist also gerade Voraussetzung.


grtz
BuggerT
Schön formuliert. Nachdem ich jetzt in 3 (!) Kommentaren nichts passendes gefunden habe, mach ich mal den Versuch einer Gegenthese:

§ 246 StGB ordnet an, dass derjenige, der tatbestandsmäßig handelt mit [..] "bestraft" wird, "wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit höherer Strafe bedroht ist."
Er wird also maW nur dann überhaupt bestraft/strafbar nach § 246, wenn nicht aufgrund von Subsidiarität der Tatbestand ohnehin unanwendbar wird.
Genau das geschieht, wenn der Täter § 242 verwirklicht. Die Folge ist, dass § 246 dann aufgrund der hier ja gerade im Gesetzestext verankerten Subsidiarität gar nicht mehr erfüllt ist.
Dafür spricht vor allem das arg. e contrario zur herkömmlichen Konkurrenzlehre: Hier muss bei doppelter Strafbarkeit erst über die Subsidiarität entschieden werden. Diese Entscheidung hat bei § 246 allerdings der Gesetzgeber bereits im Vorhinein getroffen.
Mithin kommen wir gar nicht ins Reich der Konkurrenzen, da schon eine doppelte Strafbarkeit nach dem Wortlaut und Sinn der Vorschrift gar nicht mehr entsteht.

[vertiefend: ProstG, Freak-Theorien des aktuellen Strafrechts, JuS 2005, 455ff.]
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BuggerT
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Beitrag von BuggerT »

BuggerT, Noch einmal: Zur Strafbarkeit bei Gesetzeskonkurrenz, JuS 2005, 867 ff.

Wenn ProstG! in "Freak-Theorien des aktuellen Strafrechts" (JuS 2005, 455ff) meint, bei der durch § 246 angeordneten Subsidiarität käme man nicht ins Reich der Konkurrenzen, da schon eine doppelte Strafbarkeit nicht "entstehe", verkennt er, dass es sich auch bei der in § 246 angeordneten Subsidiarität um einen Fall der Gesetzeskonkurrenz handelt.
Voraussetzung für die Subsidiarität bei § 246 ist zunächst, dass eine Handlungseinheit mit Delikten gleicher oder ähnlicher Angriffsrichtung (str.) vorliegt. Mit der "Tat" in § 246 ist nämlich die materiellrechtliche Tat(einheit) im Sinne der Konkurrenzlehre gemeint (ebenso Rengier, BT I, § 6 Rn 29).

Liegt diese vor, zB Täter verwirklicht durch dieselbe Handlung sowohl § 242 als auch § 246, stellt sich weiterhin die Frage der Gesetzeskonkurrenzen. Der Grund liegt darin, dass nicht immer alle an sich verwirklichten Straftaten im Urteilstenor erscheinen müssen, um eine Tat hinreichend zu beschreiben. Vielmehr werden vielfach Delikte im Wege der Gesetzeskonkurrenz verdrängt, weil sich aus dem Sinn und Zweck sowie der Systematik des Gesetzes ihre Nachrangigkeit ergibt.

Bei Vorliegen einer Handlungseinheit unterscheidet man Spezialität (etwa die Qualifikation im Verhältnis zum Grunddelikt), Subsidiarität (zB ausdrücklich angeordnet in § 246) und Konsumtion (zB § 244 I Nr. 3 zu § 123 [str.]).
Es sei erwähnt, dass man bei Handlungsmehrheit bei der Frage der Gesetzeskonkurrenz zwischen mitbestrafter Vor- und Nachtat unterscheidet.

Fazit:
Erfüllt der Täter mehrere Straftatbestände, macht er sich gemäß der jeweiligen Tatbestände strafbar, unabhängig davon, ob ein Delikt im Wege der Gesetzeskonkurrenz ob dessen Nachrangigkeit zurücktritt und somit im Urteilstenor keine Berücksichtigung findet.



:D :D


grtz
BuggerT
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hallo BuggerT und ProstG!,

danke für Eure Antworten - ich hatte ja gar nicht damit gerechnet, dass das so verzwickt ist...
Bislang habe ich es immer so verstanden, wie BuggerT es hier erklärt. Die Darstellung von ProstG! kann mich auch nicht wirklich umstimmen. Sorry. Deswegen werde ich wohl dabei bleiben, die Strafbarkeit zu bejahen und eine Bestrafung nach § 246 zu verneinen.

Danke nochmals und viele Grüße,
Meike
ProstG!
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Beitrag von ProstG! »

meja hat geschrieben:Hallo BuggerT und ProstG!,

danke für Eure Antworten - ich hatte ja gar nicht damit gerechnet, dass das so verzwickt ist...
Bislang habe ich es immer so verstanden, wie BuggerT es hier erklärt. Die Darstellung von ProstG! kann mich auch nicht wirklich umstimmen. Sorry. Deswegen werde ich wohl dabei bleiben, die Strafbarkeit zu bejahen und eine Bestrafung nach § 246 zu verneinen.

Danke nochmals und viele Grüße,
Meike
Kein Problem. Hatte nur son Bedürfnis, ne mM zu erfinden ;)

In ner HA kannst du das sowieso nicht schreiben, weil Meinungen von Studenten nicht vertretbar sind :D
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