Aussetzung

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

Moderator: Verwaltung

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Gelöschter Nutzer

Aussetzung

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Folgender Fall: A wirft dem B auf dem Oktoberfest einen Maßkrug an den Kopf. B bricht zusammen und hat eine Platzwunde am Kopf, wird ohnmächtig. A sucht schnell das Weite, ohne Hilfe zu leisten. B stirbt.

Mir geht es dabei nur um §221, nicht um 223, 224, 212, 222...oder wasauchimmer.

Durch den Schlag mit dem Krug hat A den B ja in eine hilflose Lage versetzt. Als er abgehauen ist, hat er ihn in dieser hilflosen Lage im Stich gelassen. Ist §221 deswegen zweimal verwirklicht? Oder reicht es, die erstere Variante zu prüfen und zu bejahen und das "im stich lassen" durch abhauen unter den tisch fallen zu lassen?

Danke!
ProstG!
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Beitrag von ProstG! »

Ich habe ehrlich gesagt Zweifel, ob der 221 überhaupt erfüllt ist. Wenn das in einem Bierzelt geschieht, ist 221 mE abwegig. Es fehlt an einer hilflosen Lage.
"Der Stellvertreter hat nur dann die Rechte und Pflichten des Vorsitzenden, wenn dieser behindert ist" (§ 107 I 3 AktG)
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Jo, das stimmt...Na gut: Nehmen wir mal an, das passiert auf einer Wiese nebendran, es ist dunkel und niemand da. Da hätten wir dann eine hilflose Lage...


Mhmmm, und da kommt mir noch eine Frage: Das könnte ja auch Körperverletzung mit Todesfolge sein. 223 ist vorsätzlich verwirklicht, der Tod des B trat fahrlässig ein. Fehlt noch der Unmittelbarkeitszusammenhang. Da gibts ja diesen altbekannten Streit, ob es auf den Körperverletzungserfolg oder die Körperverletzungshandlung ankommt. In diesem Fall fällt doch beides zusammen, oder? Denn letztlich führt ja der Schlag mit dem Krug zu der Platzwunde und die Platzwunde zum Tod. Bzw...eigentlich führt ja das Unterlassen von Hilfeleisten zum Tod. ME wäre eine Streitentscheidung an dieser Stelle hinfällig, oder?

Bin grad ganz konfus...mal wieder
ProstG!
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Beitrag von ProstG! »

Okay, dann mal alles der Reihe nach ;)

Zunächst zu 221:

Also es geschieht auf einer Wiese. Jetzt liegt bezüglich des Niederschlagens (in hilflose Lage versetzen) und des Liegenlassens (im Stich lassen) eine natürliche Handlungseinheit, und damit nur EIN Fall des § 221 vor. [so auch Tröndle/Fischer, § 221 Rn. 20]

Zum 227:

Das hängt vom Vorsatz ab. Wenn es so ist, wie du sagst, dass Vorsatz und Fahlässigkeit gegeben sind (jedoch kein dolus eventualis bzgl. einer Tötung), dann liegt 227 vor.

Zu § 212, 13:

I.d.R wird der 227 von Tötungsdelikten verdrängt. Wenn aber wie hier Tötung durch Unterlassen (die hypothet. Erfolgsvermeidungsmöglichkeit unterstellt!) mitverwirklicht wird, liegt nach dem BGH [BGH NStZ 2000, 29] Tatmehrheit vor.
Überzeugt mich wenig, weil sich das ganze wohl immer noch als eine natürliche Handlung darstellt, die 2 Gesetze verletzt (=Tateinheit!!). Dies insbesondere deshalb, weil der Erfolgseintritt (Tod) ja gerade sowohl bei 227, als auch bei 212, 13 auf dem Weglaufen beruht.

Hoffe, das hilft Dir weiter.
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Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Vielen Dank! =D>
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Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ich hätt gleich nochmal ne Frage *schäm*

Nach einer Schlägerei auf dem Oktoberfest zwischen T und O und K lässt T O blutüberströmt liegen und denkt sich, daß dessen Kumpel K, der noch unverletzt ist, dem O schon helfen wird. K hat aber "auch keinen Bock" und dampft ins nächste Bierzelt ab. O stirbt.

Aaaalso: 221 (1) Nr. 2

T lässt den O in einer hilflosen Lage im Stich.
Garantenstellung dürfte er auch haben.

Aber wie siehts mit Vorsatz aus?

T denkt sich ja, der K würde dem O helfen, also daß "alles gut gehen wird". Damit wäre kein dolus eventualis gegeben.

Schließt es den Vorsatz aus, wenn man die notwendige Hilfsleistung auf einen Dritten schiebt?

Wie beurteilt ihr das?
ProstG!
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Beitrag von ProstG! »

"T müsste vorsätzlich gehandelt haben, § 15 StGB. Im Umkehrschluß zu § 16 StGB bedeutet das, dass er Kenntnis bezüglich der objektiven Merkmale des Tatbestandes haben muss.
Fraglich ist, ob T das TBM "hilflose Lage" richtig erkannt hat. Der Kumpel des O war in unmittelbarer Nähe des O. Eine Lage ist dann nicht hilflos, wenn schutzbereite Dritte zugegen sind. T durfte davon ausgehen, dass O von seinem Kumpel geholfen wurde, insbsondere aufgrund der sozialen Verbundenheit zwischen den beiden, die sich bereits zuvor gezeigt hatte.
Mithin befindet sich T in einem Irrtum über Tatumstände (§ 16 StGB), der seinen Vorsatz entfallen lässt. Eine fahrlässige Aussetzung sieht das Gesetz nicht vor; eine Strafbarkeit entfällt daher."

;)
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Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ooooh, gleich gutachterlich gelöst. Das brauch ich mir ja nur noch auf dünnes Raschelpapier auszudrucken und in meinen Schönfelder zu schmuggeln, um dann in ner Klausur abzuschreiben! Das ist ja mal ein Service! =D>

Vielen Dank @ ProstG! :wav:

Gut, die hilflose Lage besteht, wenn schutzbereite Dritte zugegen sind. Der Kumpel war aber gar nicht "bereit zu schützen". Im Endeffekt war´s doch eine hilflose Lage, denn wenn O sich hätte helfen können, wäre er nicht tot.

Ändern wir mal das Ganze ab: T denkt, irgend ein daneben stehender, nicht in die Schlägerei verwickelter Angetrunkener Kerl wäre der Bruder/ ein guter Kumpel o.ä. des O. Isser aber nicht, sondern der Passant geht weiter und hilft nicht im Geringsten.

Träfe die Vermutung des T zu, dann bestünde eine soziale Verbundenheit. Aber bei einem Passanten/ anderen Wiesnbesucher, bei dem sich auch keine soziale Verbundenheit zeigt?
Mein Rechtsgefühl sagt mir, daß doch da irgendwas faul sein muss. Ich kann doch nicht jemanden prügeln und ihn liegen lassen mit der Ausrede "Da war noch irgend ein dritter Depp da, den ich für einen Verwandten o.ä. hielt und dachte, der würde dann schon helfen". Der T ist ja selbst Garant! Kann ich da einfach den Vorsatz durch den Irrtum ausschließen?
ProstG!
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Beitrag von ProstG! »

Schönfelderin hat geschrieben: Gut, die hilflose Lage besteht, wenn schutzbereite Dritte zugegen sind. Der Kumpel war aber gar nicht "bereit zu schützen". Im Endeffekt war´s doch eine hilflose Lage, denn wenn O sich hätte helfen können, wäre er nicht tot.
dazu zunächst: Vorsicht!!

Ich habe nicht gesagt, dass keine hilflose Lage besteht (das ist OT), sondern dass sich T bezüglich derselben in einem Irrtum befand (das ist ST)
(und danach hast du auch gefragt, soweit ich mich erinnere)

zum Rest:

Wenn andere Besucher da sind, darf der Täter natürlich davon ausgehen, dass eine hilflose Lage nicht besteht. Diese Wertung ergibt sich mE aus § 323 c StGB einerseits, aus dem nemo-tenetur-Grundsatz andererseits.
[das ist meine bescheidene Meinung, NICHT in ner HA oder so schreiben, steht in keinem Kommentar ;)]

Im Übrigen kann man natürlich den 221 am Vorsatz scheitern lassen. Das Zusammenschlagen (223 StGB) und das liegenlassen (212,13) ist strafrechtlich erfasst. Der Sondertatbestand der Aussetzung wäre ohnehin aufgrund solcher Konkurrenz (:D) wohl bedeutungslos und ist auch für andere Fälle konzipiert.
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Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

212, 13 scheitert ja dann ebenfalls am Vorsatz, denn er vertraut ja drauf, der andere würde ihm helfen und es werde "alles gut gehen", also kommt eh nur noch Fahrlässigkeit in Betracht...

Aber naja gut. Gibt ja auch noch den 227 u.a.

Ich glaube, ich hab´s kapiert...zumindest besser als vorher! Vielen Dank für die vielen Antworten. Du hast mir echt sehr weitergeholfen!!!
ProstG!
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Beitrag von ProstG! »

Kein Problem. Wünsche viel Erfolg!
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Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Sollte man in einem solchen Fall. Vorrausgesetzt man bejaht den § 227 noch eine fahrlässige Tötung durch Unterlassen hinterschieben ( durch das weggehen). Ist ja eigentlich Blödsinn da man ja schon eine Handlung hat die zum Tod geführt hat ( 227 durch den Schlag )
Und sollte man noch den § 221 I Nr. 2 ( ebenfalls durch das Weggehen ) ansprechen? Auch Blödsinn, weil ja bereits § 221 I Nr. 1 am Vorsatz scheitert.

Ich frage das deshalb, weil ich mir nicht sicher bin ob die Korrektoren das zwecks Vollständigkeit noch geprüft sehen wollen und es einem u.U dann negativ ausgelegt wird wenn man es nicht prüft.
ProstG!
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Beitrag von ProstG! »

Was Strafrecht-Korrektoren wirklich glücklich macht, ist eine Frage des Einzelfalles. Und bei dir eine Frage des Platzes.
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