Problem - Vorsatz

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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junior
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Problem - Vorsatz

Beitrag von junior »

A bringt B um. Im späteren Strafverfahren, kann keine nähere Feststellung zum Willen gemacht werden. Es wird nur festgestellt, dass A bei seiner Tathandlung davon ausgegangen ist, dass B mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an den Verletzungen sterben werde.

Ist das schon dolus directus 2. Grades oder nur dolus eventualis ??
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Also ich würde es als sehr problematisch ansehen, ob dem A hier überhaupt ein Vorsatz nachweisbar ist!

Ob es für dolus directus II ausreicht, dass A "davon ausgegangen ist, dass B mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an den Verletzungen sterben werde", würde ich bezweifeln. Eigentlich muss sich der Täter ja ganz sicher sein, dass der Erfolg eintritt. Bin mir aber jetzt grad auch nicht hundertprozentig sicher, ob das ganz so streng gesehen wird und hab auch grad keine Lit. zur Hand.

Wenn man aber dol. dir. II verneint, hilft einem der dolus eventualis hier nicht weiter. Denn nach hM (aA Möglichkeitstheorie, Wahrscheinlichkeitstheorie) brauch ich ja dafür neben dem Wissens- ein Willenselement dahingehend, dass der Täter den Erfolg zumindest billigend in Kauf nimmt. Dieses Willenselement ist bei A nach dem geschilderten SV aber gerade nicht nachweisbar, daher in dubio pro reo Vorsatz (-). Oben beim dol. dir. II bin ich mir aber wie gesagt nicht ganz sicher.
Gelöschter Nutzer

Re: Problem - Vorsatz

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

junior hat geschrieben:A bringt B um. Im späteren Strafverfahren, kann keine nähere Feststellung zum Willen gemacht werden. Es wird nur festgestellt, dass A bei seiner Tathandlung davon ausgegangen ist, dass B mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an den Verletzungen sterben werde.
Was mir da noch einfällt: Handelt es sich bei dem SV um das Ergebnis der Hauptverhandlung oder bereits der Beweiswürdigung? Wenn letzteres, verweise ich auf oben, wenn ersteres muss man natürlich erst noch eine Beweiswürdigung vornehmen. Sprich, kann ich von dem festgestellten Wissen (Tod tritt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein) auf den Billigungswillen schließen? Zu beachten ist hierbei dann vor allem die regelmäßig hohe Hemmschwelle bei Tötungsdelikten, ansonsten sind halt alle obj Umstände des Einzelfalles heranzuziehen.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ich meine aber, daß ein "für möglich halten" und "billigend in Kauf nehmen" sich gegenseitig in bedingen. Wenn ich absolute Gewissheit habe, dann geht ein "billigendes in Kauf nehmen" vollständig in ersterem auf.
Im Hinblick auf die Fahrlässigkeit betrachtet ist es kaum möglich, bei Gewißheit des Erfolgseintritts ernsthaft auf dessen Ausbleiben zu hoffen. Ein entgegengesetzter Wille läuft auf die bloße Schutzbehauptung hinaus.

Je weniger Gewißheit also vorhanden ist, desto stärker entscheidet das zu beweisende "in Kauf nehmen" über den Vorsatz. Erst dann sind wir auf der Stufe der Beweiswürdigung.
Also hängt die Feststellung in dubio pro reo überaus stark vom Grad der Gewißheit ab. Eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit ist m.E. kaum geeignet, einen Stufensprung vom d.d.II zur Fahrlässigkeit zu begründen, weil auch hier der entgegengesetzte Wille bei der Tat nicht realistisch ernsthaft hervortreten kann.

Damit bleibt die Ausgangsfrage, d.d.II oder d.e. offen, Vorsatzausschluß halte ich für unrealistisch.

Gruß
sz.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ehrlich gesagt hab ich deinen Beitrag trotz mehrmaligem lesen nicht wirklich verstanden, sprich ich weiss nicht so recht, wo du ansetzt bzw. worauf du hinaus willst.

Folgende praktische Prüfungsreihenfolge ist jedenfalls gedanklich einzuhalten:

1) Beweiswürdigung =>
2) Feststellung Sachverhalt
3) Anwendung des Rechts auf den nach 2) festgestellten SV

Diese "Stufen" sind schon aus Gründen der Logik streng voneinander zu trennen. Wenn ich bei 3) zu dem Ergebnis Vorsatz (-) komme, kann ich nicht einfach die Beweise "nachwürdigen" und den SV so hinbiegen, dass er zu den gewünschten §§ passt. Recht wird auf den SV angewandt und nicht umgekehrt. Dass der Richter in der Praxis bei der Beweiswürdigung selbstverständlich bereits die spätere Rechtsanwendung im Auge hat ist klar, ändert daran aber nichts.

So, und jetzt stellt sich hier die Frage, auf welcher Stufe wir uns befinden. Sollte es sich bei dem vorgegebenen SV bereits um den SV iSv 2), also das Ergebnis der Beweiswürdigung handeln (was im Studium der Regelfall ist), müssen wir auf diesen SV das Recht anwenden. Auf dieser Stufe darf ich dann aber nicht mehr argumentieren, dass A den Tod gebilligt hat, weil er sich so gut wie sicher war, dass er eintritt. Denn laut (feststehendem!) SV weiß man eben gerade nicht, ob er das getan hat oder nicht. Und mE ist es auch nicht ausgeschlossen, dass jemand, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit dem Erfolgseintritt rechnet, diesem innerlich ablehnend gegenüber steht, diesen also nicht "billigt". Das ist ja gerade der Witz am dolus directus II. Unter psychologischen Gesichtspunkten mag das natürlich sehr fragwürdig sein, aber im rechtlichen Sinne kann man wohl etwas tun und wissen was dadurch passiert, es aber gleichwohl nicht "wollen".
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

ghostwriter hat geschrieben:Und mE ist es auch nicht ausgeschlossen, dass jemand, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit dem Erfolgseintritt rechnet, diesem innerlich ablehnend gegenüber steht, diesen also nicht "billigt". Das ist ja gerade der Witz am dolus directus II. Unter psychologischen Gesichtspunkten mag das natürlich sehr fragwürdig sein, aber im rechtlichen Sinne kann man wohl etwas tun und wissen was dadurch passiert, es aber gleichwohl nicht "wollen".
Zurückgenommen. Der eigentliche Witz am dol. dir. II ist wohl wirklich folgender:
spätzünder hat geschrieben:Wenn ich absolute Gewissheit habe, dann geht ein "billigendes in Kauf nehmen" vollständig in ersterem auf.
Praktische Konsequenz ist dann wohl, dass ich ab einem gewissen Grad von Sicherheit beim Täter keine positive Feststellung mehr zum konkreten Billigungswillen treffen muss, weil dieser sozusagen allgemein und unwiderlegbar vermutet wird. Im Ausgangsfall wird man richtigerweise wohl auch so argumentieren müssen, denn viel sicherer als "mit an Sicherheit grenzend" kann ein Täter wohl kaum sein. Ein minimaler Unsicherheitsfaktor bleibt ja immer. Deshalb (wohl) dol. dir. II (+) eben mit der Argumentation, dass ich vorliegend zum Willenselement keine positive Feststellung treffen muss.

Für falsch halte ich es aber nach wie vor zu argumentieren, dass der A hier tatsächlich schon Billigungswillen gehabt haben wird, denn einer konkreten Bejahung des Willens bei A steht der SV ausdrücklich entgegen.
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