Hallihallo!
Ich war heute fleißig und habe zu dem Thema den Aufsatz aus JA 1999 S. 284 ff. gelesen.
Mir scheint das ganze daher (im Moment) ziemlich klar und ich finde jetzt selbst, dass der Kerl, dessen Aufsatz ich da oben gepostet habe, das Problem nicht verstanden hat.
Zwar sind seine Argumente von der Logik her - wie ich immernoch sagen würde - richtig, aber darum geht es gar nicht.
(Schließlich ist das hier Jura
)
Es ist so, dass der § 211 einige Probleme aufwirft, die man durch eine sehr restriktive Auslegung der Mordmerkmale einzudämmen versucht. Daher wird für das Mordmerkmal "Heimtücke" nicht nur gefordert, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewußt zur Tat ausnutzt, sondern darüber hinaus (weiter einschränkend), dass die Arglosigkeit aus einem besonderen Vertrauensverhältnis herrühren muss und der Täter gerade dies für seine Tat nutzt. Ein Baby kann ein solches besonderes Vertrauensverhältnis aber konstitutionell gar nicht aufbauen. Daran scheitert die Heimtücke.
Das ganze ist also eher eine rechtspolitische Überlegung. Man will aus verschiedenen Gründen den § 211 einfach nur in ganz besonders schweren Fällen zur Anwendung bringen.
Falls es jemanden interessiert, ich kopiere hier mal rein, was ich mir dazu rausgeschrieben habe:
Wer die genaue Begründung für die restriktive Auslegung schon kennt oder nicht wissen will, kann also hier aufhören zu lesen!
LG, 0degree
Generelle Probleme mit § 211
1. Die lebenslange Freiheitsstrafe wird von manchen als unmenschlich empfunden.
2. § 211 beinhaltet eine absolute Strafandrohung .
Wenn der Richter auf Mord erkennt, bleibt ihm also keine Wahl als die lebenslange Freiheitsstrafe (wenn auch nach frühestens 15 Jahren die Aussetzung des Strafrests zur Bewährung möglich ist, § 57 a StGB).
Erkennt er dagegen auf Totschlag, steht ihm ein Strafrahmen von 5 – 15 Jahren zur Verfügung.
3. Einige Mordmerkmale sind im Hinblick auf Art. 103 Abs. II GG sehr weit und unbestimmt, Bsp.: Niedrige Beweggründe.
Andere sind zu eng. „Heimtücke“ wird beispielsweise seit dem Reichsgericht als „das bewusste Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit“ definiert. Dies wurde viel kritisiert, da es unter Umständen auch besser für das Opfer sein kann, wenn es schon sein muss so getötet zu werden, dass es gar nichts davon mitbekommt (An dieser Stelle schönen Gruß an ghostwriter
). Außerdem wird dadurch in nicht mehr zeitgemäßer Weise der Kampf „Mann gegen Mann“ privilegiert und damit diejenigen Benachteiligt, die besonders rücksichtsvoll vorgehen oder schwächer sind als das Opfer, Bsp.: „Haustyrannen“ – Fälle.
4. Der § 211 hat seine heutige Formulierung im Dritten Reich erhalten – als Gesetz des „Führers“. Das kann man heute noch an der tätertypenorientierten Formulierung „Mörder ist, wer …“ erkennen.
Lösungsansätze
1. Negative Typenkorrektur
Um wirklich nur die Fälle schwersten Unrechts zu erfassen wird den Mordmerkmalen nur Indizwirkung beigemessen, die wieder entfällt, wenn eine Gesamtwürdigung ergibt, dass die konkrete Tat nicht als „besonders verwerflich“ einzustufen ist.
2. Positive Typenkorrektur
Andere lesen in den Katalog des § 211 Abs. II als zusätzliches, ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal die besondere Verwerflichkeit hinein, sodass über sie nach Bejahung des Mordmerkmals noch ein positiver Nachweis geführt werden muss.
Gegen beide Lösungen spricht, dass es so zu einem „Superlativ der Verwerflichkeit“ käme (z. B. niedriger Beweggrund plus Verwerflichkeit).
3. Restriktive Auslegung
Alle Mordmerkmale sollen stattdessen nach der Rspr. und h. M. in der Literatur restriktiv ausgelegt werden.
Bsp.:
Habgier ist nicht jedes Gewinnstreben, sondern nur das übersteigerte.
Eifersucht ist nur dann niedriger Beweggrund, wenn der Täter keinen menschlich begreiflichen Anlass dafür hat.
Grausamkeit liegt nicht schon bei Verbrennen des Opfers vor, sondern nur, wenn der Täter dies aus einer gefühllosen und unbarmherzigen Gesinnung heraus tut.
Daher wird für die Heimtücke häufig ein besonderer Vertrauensbruch gefordert, der in der Ausnutzung eines bestehenden Vertrauensverhältnisses oder im Missbrauch eines entgegengebrachten Vertrauens liegen kann. (Was ist der Unterschied?!)
Demzufolge muss das Opfer in seiner Verteidigungsfähigkeit gerade deshalb eingeschränkt gewesen sein, weil es dem Täter Vertrauen entgegengebracht hat.
Die Rspr. hat das Merkmal Heimtücke einzuschränken versucht, indem sie ein Handeln in feindlicher Willensrichtung vorausgesetzt hat. Dies würde allerdings in Kombination mir der Arg- und Wehrlosigkeit dazu führen, dass Totschlag nur noch bei einer offen feindseligen Haltung des Täters vorliegen würde. Es ist natürlich inakzeptabel, dass jede andere Tötung dann schon Mordqualität hätte.
Da ein sehr kleines Kind noch keine voll ausgebildete Wahrnehmungsfähigkeit besitzt und deshalb gar nicht fähig ist, anderen Vertrauen entgegenzubringen, also konstitutionell arg- und wehrlos ist, kann man den Angriff auf sein Leben auch nicht als heimtückisch bezeichnen. (BGHSt 3, 332; 4, 11)
Daher ist ein Heimtückemord gegenüber Kleinkindern praktisch ausgeschlossen.
Der BGH erkennt nur 2 Ausnahmen an:
1. „Babybrei“ – Fall
Heimtückisch ist es, ein bitteres Gift in süßen Brei zu mischen, da das Kind das Gift sonst wegen des Geschmacks ausspeien würde. Die Heimtücke besteht darin, dass durch ein heimliches Verhalten der natürliche Abwehrinstinkt des Kindes ausgeschaltet wird.
2. Arg- und Wehrlosigkeit eines Schutzbereiten Dritten
Es ist anerkannt, dass der Täter gegenüber dem Opfer selbst heimtückisch handelt, wenn er dessen Arglosigkeit bewusst ausnutzt, ohne dass es darauf ankommt, ob er sie bewusst herbeigeführt oder bestärkt hat.
Dasselbe muss gegenüber dem schützenden Dritten gelten.
Es genügt, dass die Arglosigkeit des Dritten zur Schutzlosigkeit des Kindes führt und das der Täter sich bei der Ausführung der Tat dieses Umstandes bewusst ist. Schützender Dritter ist dabei jeder, der den Schutz des Kindes vorübergehend oder dauernd übernommen hat und ihn im Augenblick der Tat tatsächlich ausübt oder dies deshalb nicht tut, weil er dem Täter vertraut.
Dieses Bewusstsein gehört zum subjektiven TB des Heimtückemordes.