Wofür ist die Kausalitätsprüfung gut?

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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BuggerT
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Beitrag von BuggerT »

@Pokerface
Das ist aber ein gefährlicher Beispielsfall. Er ging auch ein klein wenig anders; ich gehe jedenfalls davon aus, dass du den berühmten Bratpfannenfall (BGH NJW 1966, 1823) meinst. Die M nahm damals die Pfanne und und schlug erneut mind. einmal zu.

Der BGH kam damals zu dem höchst fragwürdigen Ergebnis, dass sowohl bzgl der M als auch der T nur ein versuchter Totschlag vorliege. Das Problem lag darin, dass nicht geklärt werden konnte, ob der Schlag der M den Tod des Vaters beschleunigt hatte. Daher konnte bei M nur von einem Versuch ausgegangen werden.
Bzgl der Tochter ging der BGH nach in dubio pro reo davon aus, dass die M doch mehrmals zugeschlagen hatte und dass dessen Tod dadurch beschleunigt wurde. Daraus hat der BGH den (mE irrigen) Schluss gezogen, dass auch T nur wegen versuchten Todschlags zu bestrafen sei, da die Ursache für den Tod des Vaters nicht in deren Handlung, sondern in den Schlägen der M zu sehen sei.

Es geht hier also um ein Kausalitätsproblem.

Richtigerweise wird man annehmen müssen, dass M die von T geschaffene Lage ausgenutzt und einfach an deren Verletzungshandlungen angeknüpft hat. Hätte also T den Vater nicht attackiert, hätte dies auch M nicht getan. Es liegt also gerade ein Ursachenzusammenhang vor, an dem sich im Übrigen nach der hier vertrenen Ansicht :D selbst dann nichts ändern würde, wenn der Tod des Vaters durch den Schlag bzw die Schläge der M tatsächlich beschleunigt worden wären.

In diesen Zusammenhang muss man ferner immer beachten, ob nicht durch die Zweithandlung eine neue Ursachenreihe eröffnet wurde, die ganz allein den Erfolg herbeiführt (Stichwort: Überholende Kausalität).
Musterbsp: T gibt dem O ein langsam wirkendes, tödliches Gift. Bevor die Giftwirkung einsetzt, kommt D und erschießt O.
Da hier die erste Kausalreihe fehlgeschlagen ist, kann T nur wegen versuchten Todschlags bestraft werden.


Aber wie gesagt: das waren soweit alles Kausalitätsprobleme und nicht solche der obj. Zurechnung. Diese können sich je nach Fall aber anschließen.


grtz
BuggerT
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

@BuggerT

Ja, den Fall meinte ich. Ich bin schon ein alter Mann, habe Demenz, deshalb bitte ich meine Aussagen zu entschuldigen. :D
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dergrinch
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Beitrag von dergrinch »

Es wurde doch bereits anfänglich alles gesagt und die hier gemachten letzten Posts haben mit der Frage nichts mehr zu tun.

Die Kausalität ist immer zu prüfen!!! Man hat diese nur durch das Kriterium der objektiven Zurechenbarkeit eingeschränkt und zum Prüfungspunkt erhoben, da man erkannt hat, dass es Fälle gibt, in dennen eine bloße Kausalität zu weit geht.

Zwar ist auch die Vaterschaft immer kausal für eine Ursache, denknotwendig schon, allerdings brauchst Du bei einer obj. Zur. nicht darauf engehen, dass der Vater nichts für den Blödsinn des Sohnes kann.

Vielmehr hast Du nach erfolgter Feststellung der Kausalität zu fragen, ob es denn auch wirklich obj. zurechenbar ist. Was zumeist unproblematisch ist. Eine umgekehrte Reihenfolge der Prüfung, ist jedoch schlichtweg falsch. Da es sich bei den hier beschriebenen Merkmalen um aufeinander Aufbauhende handelt.
Jetzt meine eigene Hausreihenseite:

MOTEL (in großen beleuchteten Buchstaben an meinem Haus).

Das Bild stammt vom Campus.

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Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

BuggerT hat geschrieben:Der BGH kam damals zu dem höchst fragwürdigen Ergebnis, dass sowohl bzgl der M als auch der T nur ein versuchter Totschlag vorliege. Das Problem lag darin, dass nicht geklärt werden konnte, ob der Schlag der M den Tod des Vaters beschleunigt hatte. Daher konnte bei M nur von einem Versuch ausgegangen werden.
Bzgl der Tochter ging der BGH nach in dubio pro reo davon aus, dass die M doch mehrmals zugeschlagen hatte und dass dessen Tod dadurch beschleunigt wurde. Daraus hat der BGH den (mE irrigen) Schluss gezogen, dass auch T nur wegen versuchten Todschlags zu bestrafen sei, da die Ursache für den Tod des Vaters nicht in deren Handlung, sondern in den Schlägen der M zu sehen sei.

Es geht hier also um ein Kausalitätsproblem.
Nein, es geht darum, wie mit der fehlenden Aufklärbarkeit umzugehen ist.

Dabei wird der in dubio-Satz doppelt angewandt: Einmal aus Sicht der Mutter (Unterstellung des ihr günstigeren Verlaufs) und dann aus Sicht der Tochter (ebenfalls Unterstellung des ihr günstigeren Verlaufs).

Diese beiden "Versionen" passen natürlich rein kausal-logisch nicht zusammen. Das war aber nicht das Problem des Falls. Es ging auch nicht um die Frage, wer warum geschlagen hat, sondern nur um die Frage, wem der Tod des Vaters zuzurechnen war. Im Ergebnis ist die Lösung des BGH daher keineswegs "höchst fragwürdig".
Lacan
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Beitrag von Lacan »

Wozu Kausalitätsprüfung, wenn der Tatbestand zurechenbar ist?

Dazu muss man wissen, dass sowohl Kausalität als auch objektive Zurechnung jeweils Regel-/Ausnahme-Schemata sind, mit je unterschiedlicher Funktion im Deliktsaufbau.

Wenn „Kausalzusammenhang“ bedeutet, dass ein Ereignis zwingend auf das nächste folgt (Ursache-Wirkung), so ist damit hinsichtlich der Verantwortlichkeit einer Person für eine Rechtsverletzung nichts gewonnen. Man müsste im Gegenteil sogar sagen, dass das „Glied" einer „Kausalkette" niemals frei sein kann und somit nie verantwortlich, weil stets bedingt durch frühere Ursachen. Denn nach dem Kausalprinzip ist nichts ohne Ursache! Das Problem dabei ist noch viel mehr die Benennung einer bestimmten Ursache und einer bestimmten Wirkung und des gesetzmäßigen Zusammenhang zwischen beiden.

Solche Theorie ist aber alles andere als up to date – sie ist geradezu vorsintflutlich. Man könnte es mit Bateson als einen epistemologischen Irrtum bezeichnen, wenn man die Metapher der Ursache-Wirkungs-Beziehung auf zwischenmenschliche Beziehungen und soziale Sachverhalte überträgt. Es wird vorausgesetzt, dass Geschehnisse unabhängig vom Beobachter ablaufen (F.B. Simon).

Für die Masse der Fälle sind solche Erwägungen aber irrelevant. Ich halte naturwissenschaftliche Kausalität/ Gesetzmäßigkeit nur in solchen Fällen für relevant, wo technische Zusammenhänge vorliegen müssen, damit jemand als Täter überhaupt in Betracht kommt. Das sind allein Fragen der Beweisbarkeit/ Forensik. Wir schleppen sie in der Deliktsprüfung mit uns mit für den Fall, dass jemand gar nichts mit der Tat zu tun hat.

Mit Kausalität wird üblicherweise ein innerer Zusammenhang (Kausalnexus) zwischen Täter und Opfer untersucht, nicht aber zu weiteren davor liegenden Ursachen. Genauer gesagt, bedeutet Kausalität hier der Ausschluss von anderen Ursachen als dem Täter. Das trifft zwar theoretisch nicht den Kern von Kausalität, wird aber praktisch nicht anders gemacht. Weil das so ist, bedarf es genauerer Merkmale, die insbesondere die Verantwortlichkeit des Täter thematisieren. Darum allein geht es bei strafrechtlicher Zurechnung.

Denn ist der Kausalnexus gegeben, ist damit eigentlich eine zwingende Notwendigkeit bewiesen, nämlich die, dass die Dinge so sein mussten wie sie waren, was nach ihrem Begriff schon Verantwortlichkeit ausschließt. Das wäre nicht sonderlich beunruhigend, wenn wir die jeweiligen (gegenseitigen, also auch inneren, subjektiven) Notwendigkeiten erkennen könnten. Dem ist aber nicht so, wie jedem einleuchten muss. Bei aller Planmäßigkeit bleibt die Zukunft stets ungewiss. Nicht reine Kausalität entscheidet über die Verantwortung für ein Verhalten, sondern soziale Durchsichtigkeit, Normierung und Begrenzung des Kausalzusammenhanges. Über die Zurechnung entscheidet die soziale Erwartung (Luhmann). Denn was einer auf den ersten Blick nicht erkennen kann, kann auch keiner vom anderen erwarten. Eine Metapher für diese gegenseitigen Erwartungen ist die Beobachtung von Zwecken: das Subjekt versucht den Kausalzusammenhang, den es nicht verändern kann für seine Zwecke zu nutzen (vgl. Larenz, Hegels Zurechnungslehre).

Fragen wir bei der Kausalität, ob jener überhaupt als Täter in Betracht kommen kann, untersuchen wir mit der objektiven Zurechnung, ob nicht ausnahmsweise Gründe vorliegen, die eine Verantwortlichkeit als Täter ausschließen. Diese Gründe operieren entlang jener oben erwähnten sozialen (Un)Durchsichtigkeit. Ein Verhalten kann als naturwissenschaftlich kausal angesehen werden, und dennoch dem Täter nicht zurechenbar sein, etwa weil die Rechtsverletzung völlig unvorhersehbar, geradezu unwahrscheinlich war – kleine Ursache, große Wirkung. Die Verantwortlichkeit kann auch dort entfallen, wo ein Zweitschädiger auftritt. Das ist dann eine Frage des Zurechnungszusammenhangs.
Vernunft – ein anderer Ausdruck für Ahnungslosigkeit in Bezug auf Widersprüche zwischen Zwecken und Mitteln (Luhmann)
Dartagnan
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Beitrag von Dartagnan »

Pokerface hat geschrieben:Also zuerst Kausalität prüfen, und dann obj. Zurechnung.

Es gibt genügend Fälle, in denen ein Handeln kausal für ein Ereignis ist, aber es der Person obj. nicht zugerechnet werden kann.

Das kann man anhand eines BGH-Falles gut aufzeigen:

Vater schlägt seine Frau und Kinder. Als Vater am Tisch sitzt, haut ihm die Tochter eine Pfanne auf den Kopf. Dr Vater wird bewusstlos, lebt aber noch. Tochter benekrtk was sie getan hat und geht weg.

Die Mutter sieht den Mann am Boden liegen und knallt ihn darauf hin ab.

Das Handeln der Tochter ist zwar kausal für den Tod des Vaters.

Aber kann man der Tochter den Tod des Vaters obj. zurechnen? Wohl eher nicht. Insofern lohnt es sich die oben genannte Reihegnfolge beizubehalten.
Hier könnte man auch eine überholende Kausalität annehmen und dann haben wir endlich das ersehnte Problem bei der Kausalitätsprüfung!?
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