Wofür ist die Kausalitätsprüfung gut?

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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dionysos
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Wofür ist die Kausalitätsprüfung gut?

Beitrag von dionysos »

Gestern beim StrafR lernen bin ich auf eine dogmatische Frage gestoßen, auf die mir auch nach längerem Nachdenken keine sinnvolle Antwort eingefallen ist. Im objektiven TB prüft man (genau aufgedröselt):

- Tathandlung (TH)
- Taterfolg (TE)
- Kausalität der TH zum TE
- Objektive Zurechnung des TE zur TH


Und jetzt zum springenden Punkt: Wenn ein Taterfolg objektiv zurechenbar ist (Gefahr geschaffen, die ich im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert hat), ist sie doch automatisch IMMER kausal. Wozu dann also die gesonderte Kausalitätsprüfung?
ProstG!
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Beitrag von ProstG! »

Das ist natürlich richtig.

Ich denke es hat traditionelle Gründe. Denn die Rspr. prüft im OT nur die Kausalität und die "obj. Zurechnung" dann im ST als "Irrtum über den Kausalverlauf". Die h.L. hat das in den OT verlegt, wodurch eine KAusalitätsprüfung eigentlich überflüssig wäre, aber quasi der Vollständigkeit halber dennoch durchgeführt wird.

Nur so ne Idee.
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Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ich denke das hängt auch mit dem Gutachten-Stil zusammen: Zuerst wird festgestellt, ob etwas überhaupt kausal ist und im 2. Schritt gefragt, ob es auch wertungsmäßig zuzurechnen ist. Wenn man die Kausalität einfach weglassen würde, wäre das praktisch Urteilsstil.
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dionysos
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Beitrag von dionysos »

Daniel22 hat geschrieben:Wenn man die Kausalität einfach weglassen würde, wäre das praktisch Urteilsstil.
Eigentlich nicht. Man könnte z.B. schreiben: Fraglich ist, ob X durch sein XY-Verhalten die rechtlich missbilligte Gefahr für Rechtsgüter des Y geschaffen hat... [diskutieren]. Ferner müsste sich dieses Verhalten auch im tatbestandsmäßigen Erfolg niedergeschlagen haben... [diskutieren]. -> Gutachtenstil.

Wenn beides zutrifft, war die Handlung des X auch kausal für den Erfolgseintritt.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ja, ich meinte aber eher: Das man "Kausalität" überhaupt erwähnt und nicht einfach mit der Tür in´s Haus fällt (rechtlich missbilligte Gefahr) ist eben eine Frage des Gutachten-Charakters, wozu ja auch Nachvollziehbarkeit der Gedanken gehört.

naja, man kann drüber streiten...ich finde es jedenfalls mit der Kausalität klarer und einleuchtender (auch für Laien).
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dionysos
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Beitrag von dionysos »

Es ist schon richtig, dass das in einer Klausur erwartet wird und ein Korrektor ein einfaches Weglassen wahrscheinlich anstreichen würde. Meine Frage war aber grundsätzlicher gemeint, nämlich: Warum prüfen wir das überhaupt? Wenn ich mich in meiner Fragestellung undeutlich ausgedrückt hab, sorry, mein Fehler!
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Warum ? Ich denke, weil manchmal eben die bloße Kausalität ausreicht.

Es wäre doch einigermaßen widersinnig, wenn A dem B absichtlich in den Arm sticht und man fängt an zu fragen, ob A damit eine "rechtlich relevante Gefahr" geschaffen hat :) .
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dionysos
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Beitrag von dionysos »

Das versteh ich jetzt nicht. Ich würde in einem solchen Fall kurz feststellen (Urteilsstil), dass das Verhalten des A kausal und objektiv zurechenbar war. Du würdest die objektive Zurechenbarkeit gar nicht erwähnen? Warum dann aber die Kausalität? Die ist ja genauso völlig klar.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Nein, die objektive Zurechnung würde ich da nicht erwähnen. Habe ich nie gemacht, wenn die Kausalität völlig klar war. Denn die obj. Zurechnung hat ja eigentlich immer nur Korrektur-Funktion, um ein kausales Verhalten aus dem OT rausnehmen zu können. Hab das jedenfalls so gelernt im StrfR AT.
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dionysos
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Beitrag von dionysos »

Dann werd ich mal meine AT-Materialien durchgucken, ob ich dazu noch was finde.

Hat noch jemand ne Idee, wofür die Kausalitätsprüfung überhaupt gut ist, z.B. irgendeinen Fall, in dem sie relevant wird?

Edit: Ich hab nochmal weiter gedacht: Es kann es keinen Fall geben, in dem die objektive Zurechenbarkeit gegeben ist, die Kausalität dagegen nicht. Wenn sich nämlich eine genau bestimmte geschaffene Gefahr in einem Erfolg realisiert, setzt das ja schon die Kausalität zwischen geschaffener Gefahr und eingetretenen Erfolg voraus; sonst hätte sich eine andere Gefahr realisiert und nicht die vom Täter geschaffene.
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Claudia
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Beitrag von Claudia »

Edit: Ich hab nochmal weiter gedacht: Es kann es keinen Fall geben, in dem die objektive Zurechenbarkeit gegeben ist, die Kausalität dagegen nicht. Wenn sich nämlich eine genau bestimmte geschaffene Gefahr in einem Erfolg realisiert, setzt das ja schon die Kausalität zwischen geschaffener Gefahr und eingetretenen Erfolg voraus; sonst hätte sich eine andere Gefahr realisiert und nicht die vom Täter geschaffene.
Das stimmt! Die objektive Zurechenbarkeit ist ja auch ein Kriterium, um die manchmal etwas zu weitgehende Kausalität nach der conditio-sine-qua-non-Formel sachgerecht einzuschränken.
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BuggerT
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Beitrag von BuggerT »

StrR AT ist zwar lange her, aber wenn ich noch alles richtig im Kopf habe ist die obj. Zurechnung ein Kriterium, um die uferlose Weite der Äquivalenztheorie (Kausalität) einzuschränken. Dabei könnte man grundsätzlich zwar denken, dass man die obj. Zurechnung positiv feststellt (vgl Def: Objektiv zurechenbar ist ein Erfolg, wenn der Täter eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen hat, die sich dann im tatbestandsmäßigen Erfolg verwirklicht). Tatsächlich hat man aber 8 Fallgruppen gebildet, in denen die obj. Zurechnung entfällt.

Man stellt also zunächst die Kausalität eines Verhaltens für den Erfolg fest und fragt dann, ob das Verhalten ausnahmsweise deshalb nicht zugerechnet werden kann, weil einer der Fallgruppen als Ausnahme vorliegt. Natürlich verpackt man das ganze in der Fallprüfung noch sauber, aber mehr steckt eigentlich nicht dahinter.


grtz
BuggerT
ProstG!
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Beitrag von ProstG! »

Daniel22 hat geschrieben:Nein, die objektive Zurechnung würde ich da nicht erwähnen. Habe ich nie gemacht, wenn die Kausalität völlig klar war. Denn die obj. Zurechnung hat ja eigentlich immer nur Korrektur-Funktion, um ein kausales Verhalten aus dem OT rausnehmen zu können. Hab das jedenfalls so gelernt im StrfR AT.
Nur weil die Kausalität "völlig" klar ist, kann man doch nicht die obj. Zurechenbarkeit weglassen.

A gibt B eine Packung Schlaftabletten. B nimmt alle ein und stirbt.

--> Dass das Übergeben der Tabletten kausal für den Tod war ist völlig klar, trotzdem liegt hier ein dickes Problem in der obj. Zurechenbarkeit.
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Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Also zuerst Kausalität prüfen, und dann obj. Zurechnung.

Es gibt genügend Fälle, in denen ein Handeln kausal für ein Ereignis ist, aber es der Person obj. nicht zugerechnet werden kann.

Das kann man anhand eines BGH-Falles gut aufzeigen:

Vater schlägt seine Frau und Kinder. Als Vater am Tisch sitzt, haut ihm die Tochter eine Pfanne auf den Kopf. Dr Vater wird bewusstlos, lebt aber noch. Tochter benekrtk was sie getan hat und geht weg.

Die Mutter sieht den Mann am Boden liegen und knallt ihn darauf hin ab.

Das Handeln der Tochter ist zwar kausal für den Tod des Vaters.

Aber kann man der Tochter den Tod des Vaters obj. zurechnen? Wohl eher nicht. Insofern lohnt es sich die oben genannte Reihegnfolge beizubehalten.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

@ProstG!: ich habe mich auf den Fall von dionysos bezogen. Also wenn z.B. A den B vorsätzl. erschießt, halte ich einen Hinweis auf die objektive Zurechnung für nicht erforderlich. Kommt wohl eher sogar schlecht bei den Korrektoren (anfängerhaft)...

Ich meine also die Konstellationen, wo Vorsatz+Kausalität (ohne Abweichung) völlig klar sind.
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