Zweck § 218 BGB

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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Honigkuchenpferd
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Re: Zweck § 218 BGB

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Ant-Man hat geschrieben:
Honigkuchenpferd hat geschrieben:
Ant-Man hat geschrieben:
Honigkuchenpferd hat geschrieben: Was der Staudinger nun genau meint, ist mir nicht ganz klar, das werde ich mir irgendwann nochmal anschauen.
Gemeint ist wohl der Fall, dass die Verjährung eingetreten ist, sich der Schuldner aber nicht auf diese berufen hat, bevor das Rücktrittsrecht entstanden ist oder der Rücktritt erklärt wurde. Erhebt der Schuldner also die Verjährungseinrede nach Entstehen des Rücktritts (Einredefreiheit im Rahmen des § 323 I BNGB ist ja gegeben, weil bei Verjährung Berufung auf diese erforderlich ist) oder nachdem der Gläubiger den Rücktritt erklärt hat, ist der eigentlich wirksam entstande bzw. erklärte Rücktritt nach § 218 I 1 BGB unwirksam (da die Erhebung der Verjährungseinrede auf den Zeitpunkt des Entstehens der Verjährung zurückwirkt). Insofern hat § 218 I BGB sehr wohl einen eigenständigen Bereich, selbst wenn man im Rahmen des § 323 I BGB die Erhebung der Einrede der Verjährung fordert (und nicht ihr bloßes Bestehen als ausreichend erachtet, um das Rücktrittsrecht zum Entstehen zu bringen).
Den letzten Satz verstehe ich nicht. Natürlich hat § 218 I 1 BGB gerade dann einen Anwendungsbereich, wenn man im Rahmen des § 323 I BGB die Erhebung der Einrede der Verjährung fordert, um die Durchsetzbarkeit der Leistungspflicht zu beseitigen. Das sagte ich ja oben schon. Außerdem geht es doch um die Frage, ob bereits das Bestehen der Einrede das Rücktrittrechts nach § 323 I BGB (tatbestandlich) ausschließen könnte (meinst du das statt "zum Entstehen zu bringen"?).
Das Rücktrittsrecht nach § 323 I BGB setzt als ungeschriebene Voraussetzung die Einredefreiheit voraus. Die Verjährung ist zwar eine Einrede, aber der Rücktritt selbst kann ja nicht verjähren, weil er ein Gestaltungsrecht und kein Anspruch ist (§ 194 I BGB). Insofern muss man, damit das Rücktrittsrecht nicht ewig geltend gemachen werden kann, an die Verjährung des Erfüllungs- bzw. Nacherfüllungsanspruch anknüpfen. Nach Palandt genügt es im Falle der Verjährung, dass diese Einrede nur besteht (d.h. sie muss gerade nicht erhoben werden).
Im Palandt steht zwar nicht, worauf sich die Verjährung bezieht, aber ich unterstelle mal, dass hier nicht die "Verjährungs des Rücktritts" gemeint ist. Unter dieser Prämisse hätte aber § 218 I BGB keine eigenständige Bedeutung, denn dieser ordnet die Unwirksamkeit des Rücktritts an, und zwar unter zwei Voraussetzungen: a) Anknüpfung an die Verjährung des Erfüllungs- bzw. Nacherfüllungsanspruchs UND b) die Erhebung dieser Verjährung. Wenn aber bereits das Bestehen der Verjährung ausreicht, um die Einredefrefreiheit zu verneinen, kommt es schon gar nicht zur Entstehung des Rücktrittsrechts: Etwas, was gar nicht erst entstanden ist (und damit nicht existiert), kann folglich auch nicht unwirksam ist.
Sorry, ich verstehe deinen Einwand immer noch nicht. Dass Gestaltungsrechte nicht verjähren können, ist ja ganz klar. Das behauptet hier ja auch niemand. Und es ist ja auch ganz klar, dass der Palandt nicht davon ausgeht, dass Gestaltungsrechte als solche verjähren könnten.

Der springende Punkt ist doch:

Man kann einerseits annehmen, dass die Leistungspflicht, soweit es um § 323 I BGB geht, schon dann nicht durchsetzbar ist, wenn allein die Einrede der Verjährung besteht, was auch bedeutet, dass § 323 I BGB in diesem Fall nicht greift. Dann hat § 218 I 1 BGB wohl trotzdem noch einen gewissen Anwendungsbereich, nämlich in dem oben von mir im ersten Posting dargestellten Umfang (möglicherweise gibt es aber noch andere Fallgruppen, an die ich nicht gedacht habe).

Man kann andererseits aber auch davon ausgehen, dass die Leistungspflicht, soweit es um § 323 I BGB geht, nur dann nicht durchsetzbar ist, wenn die Einrede der Verjährung tatsächlich erhoben worden ist, so dass § 323 I BGB greift, wenn das nicht der Fall ist. Dann hat § 218 I 1 BGB einen entsprechend größeren Anwendungsbereich.

Ich denke (inzwischen) auch, dass es naheliegender ist, bei § 323 I BGB die Erhebung der Einrede der Verjährung zu fordern. Ich denke aber deshalb trotzdem nicht, dass nur diese Auslegung mit § 218 I 1 BGB zu vereinbaren ist.
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Re: Zweck § 218 BGB

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Um das Ganze mal an einem Beispiel zu veranschaulichen:

K hat von V eine Sache gekauft, die (behebbar) mangelhaft ist. Er verlangt von V Nachbesserung und setzt ihm zugleich eine angemessene Frist. V kommt dem Nachbesserungsverlangen innerhalb der gesetzten Frist nicht nach.

K steht nun ein Rücktrittsrecht gem. § 323 I BGB zu. Um den Kaufvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umzuwandeln, müsste er aber noch den Rücktritt erklären (§ 349 BGB). Solange er das nicht tut, besteht der Nacherfüllungsanspruch fort.

Was geschieht nun, wenn die Sache (aus welchen Gründen auch immer) erst einmal in Vergessenheit gerät und K erst Jahre später, nach nunmehr auf jeden Fall eingetretener Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs, den Rücktritt erklärt?

Auch wenn man davon ausgeht, dass § 323 I BGB schon bei Bestehen der Einrede der Verjährung ausgeschlossen ist, hilft das hier nicht weiter (es sei denn, man setzte, wie oben geschrieben, im Rahmen des § 323 I BGB überdies voraus, dass die Leistungspflicht auch zum Zeitpunkt des Rücktritts nach wie vor durchsetzbar ist): Als die Tatbestandsvoraussetzungen für das Rücktrittsrecht entstanden, bestand die Einrede der Verjährung nämlich auch dem Grunde nach noch nicht.

Also brauchen wir in jedem Fall § 218 I 1 BGB: Der von K erklärte Rücktritt ist danach (i.V.m. § 438 IV BGB) unwirksam, weil der Nacherfüllungsanspruch inzwischen verjährt ist, soweit V sich auf die Verjährung beruft.
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Re: Zweck § 218 BGB

Beitrag von Ant-Man »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:Um das Ganze mal an einem Beispiel zu veranschaulichen:

K hat von V eine Sache gekauft, die (behebbar) mangelhaft ist. Er verlangt von V Nachbesserung und setzt ihm zugleich eine angemessene Frist. V kommt dem Nachbesserungsverlangen innerhalb der gesetzten Frist nicht nach.

K steht nun ein Rücktrittsrecht gem. § 323 I BGB zu. Um den Kaufvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umzuwandeln, müsste er aber noch den Rücktritt erklären (§ 349 BGB). Solange er das nicht tut, besteht der Nacherfüllungsanspruch fort.

Was geschieht nun, wenn die Sache (aus welchen Gründen auch immer) erst einmal in Vergessenheit gerät und K erst Jahre später, nach nunmehr auf jeden Fall eingetretener Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs, den Rücktritt erklärt?

Auch wenn man davon ausgeht, dass § 323 I BGB schon bei Bestehen der Einrede der Verjährung ausgeschlossen ist, hilft das hier nicht weiter (es sei denn, man setzte, wie oben geschrieben, im Rahmen des § 323 I BGB überdies voraus, dass die Leistungspflicht auch zum Zeitpunkt des Rücktritts nach wie vor durchsetzbar ist): Als die Tatbestandsvoraussetzungen für das Rücktrittsrecht entstanden, bestand die Einrede der Verjährung nämlich auch dem Grunde nach noch nicht.
Zustimmung.
Honigkuchenpferd hat geschrieben: Also brauchen wir in jedem Fall § 218 I 1 BGB: Der von K erklärte Rücktritt ist danach (i.V.m. § 438 IV BGB) unwirksam, weil der Nacherfüllungsanspruch inzwischen verjährt ist, soweit V sich auf die Verjährung beruft.
Zustimmung.
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Re: Zweck § 218 BGB

Beitrag von minderjährigerXX »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:
Auch wenn man davon ausgeht, dass § 323 I BGB schon bei Bestehen der Einrede der Verjährung ausgeschlossen ist, hilft das hier nicht weiter (es sei denn, man setzte, wie oben geschrieben, im Rahmen des § 323 I BGB überdies voraus, dass die Leistungspflicht auch zum Zeitpunkt des Rücktritts nach wie vor durchsetzbar ist): Als die Tatbestandsvoraussetzungen für das Rücktrittsrecht entstanden, bestand die Einrede der Verjährung nämlich auch dem Grunde nach noch nicht.

Also brauchen wir in jedem Fall § 218 I 1 BGB: Der von K erklärte Rücktritt ist danach (i.V.m. § 438 IV BGB) unwirksam, weil der Nacherfüllungsanspruch inzwischen verjährt ist, soweit V sich auf die Verjährung beruft.
Das Argument kann ich nicht nachvollziehen. Unterstellen wir im folgenden mal, dass bereits das Bestehen der Verjährungseinrede für den Ausschluss des § 323 I ausreicht.
Die Voraussetzungen des Rücktritts müssen doch im Zeitpunkt der Ausübung des Rücktrittsrechts vorliegen. Im Zeitpunkt der Ausübung des Rücktrittsrechts (also nach Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs) ist aber keine Durchsetzbarkeit des Nacherfüllungsanspruchs mehr gegeben. Folglich scheitert ein Rücktritt bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 323 I BGB. § 218 I S. 1 BGB kommt insoweit kein eigenständiger Anwendungsbereich zu.

Die einzige Bedeutung von § 218 I S. 1 BGB kann m.E. folglich nur in der Anordnung liegen, dass entgegen dem Grundsatz i.R.d. § 323 I BGB (und anders als in § 281 BGB) das bloße Bestehen der Verjährungseinrede nicht den Rücktritt hindert.


Im Übrigen dürfte aber jedenfalls § 218 II BGB Bedeutung zukommen, da ohne diesen Verweis auf § 214 II BGB das zwischenzeitlich auf den (jetzt wegen § 218 I BGB erloschenen) Anspruch aus § 346 I BGB geleistete nach Bereicherungsrecht zurückgefordert werden könnte.
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Re: Zweck § 218 BGB

Beitrag von Honigkuchenpferd »

minderjährigerXX hat geschrieben:
Honigkuchenpferd hat geschrieben:
Auch wenn man davon ausgeht, dass § 323 I BGB schon bei Bestehen der Einrede der Verjährung ausgeschlossen ist, hilft das hier nicht weiter (es sei denn, man setzte, wie oben geschrieben, im Rahmen des § 323 I BGB überdies voraus, dass die Leistungspflicht auch zum Zeitpunkt des Rücktritts nach wie vor durchsetzbar ist): Als die Tatbestandsvoraussetzungen für das Rücktrittsrecht entstanden, bestand die Einrede der Verjährung nämlich auch dem Grunde nach noch nicht.

Also brauchen wir in jedem Fall § 218 I 1 BGB: Der von K erklärte Rücktritt ist danach (i.V.m. § 438 IV BGB) unwirksam, weil der Nacherfüllungsanspruch inzwischen verjährt ist, soweit V sich auf die Verjährung beruft.
Das Argument kann ich nicht nachvollziehen. Unterstellen wir im folgenden mal, dass bereits das Bestehen der Verjährungseinrede für den Ausschluss des § 323 I ausreicht.
Die Voraussetzungen des Rücktritts müssen doch im Zeitpunkt der Ausübung des Rücktrittsrechts vorliegen. Im Zeitpunkt der Ausübung des Rücktrittsrechts (also nach Verjährung) ist aber keine Durchsetzbarkeit des Nacherfüllungsanspruchs mehr gegeben. Folglich scheitert ein Rücktritt bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 323 I BGB. § 218 I S. 1 BGB kommt insoweit kein eigenständiger Anwendungsbereich zu.
Die Frage, ob die Voraussetzungen vorliegen oder nicht, ist m.E. aber eben nicht so leicht zu beantworten: Wenn ein Rücktrittsrecht einmal begründet worden ist, kann es dann wieder beseitigt werden, ohne dass der Anspruch erfüllt worden ist? Im Grunde ist das dieselbe Frage, die uns, etwa in Selbstvornahmefällen, auch im Zusammenhang mit § 281 BGB (und § 283 BGB) begegnet (wo sie wegen des erforderlichen Vertretenmüssens eine viel größere Bedeutung hat als bei § 323 I BGB und § 326 V BGB).

Es ist, wie oben schon gesagt, durchaus möglich, sich auf den Standpunkt zu stellen, dass es im Rahmen des § 323 I BGB erforderlich ist, dass die Leistungspflicht auch noch im Moment der Rücktrittserklärung noch durchsetzbar ist (das hast du nun im Grunde nur etwas anders ausgedrückt). Dann hätte § 218 I 1 BGB in der Tat keinen Anwendungsbereich mehr (zumindest könnte dann auch ich keinen erkennen). Ich halte aber auch dieses Verständnis nicht für zwingend.

Ich würde im Übrigen gerne noch über einen anderen Punkt diskutieren, der hier angerissen worden ist, vor allem unter dem Gesichtspunkt, wie man das im Gutachten darzustellen hat:

Legen wir einmal die - wie sich hier herauskristallisiert hat - jedenfalls herrschende Meinung zugrunde, wonach im Rahmen des § 323 I BGB die Einrede der Verjährung erhoben sein muss:

K hat wiederum von V eine mangelhafte Sache gekauft. K hat von V Nacherfüllung verlangt. Der Nacherfüllungsanspruch ist inzwischen aber verjährt, und V hat die Einrede der Verjährung erhoben. K setzt V trotzdem eine Frist, die Leistung nunmehr zu erbringen, erklärt nach deren Ablauf den "Rücktritt" und verlangt den Kaufpreis zurück.

Hier käme man (auch nach der jedenfalls h.M.) zu dem Ergebnis, dass ein Rücktrittsrecht nach § 323 I BGB schon tatbestandlich nicht gegeben ist, weil die Leistung, die mittels der Fristsetzung erzwungen werden sollte, (von vorneherein) nicht mehr durchsetzbar war. Das heißt: Zu § 218 I 1 BGB, so wie man ihn üblicherweise prüft, nämlich als "Ausschluss" für einen Rücktritt, käme man gar nicht mehr.

Trotzdem ist das, was in § 218 I 1 BGB steht, natürlich auch für diesen Fall nicht falsch: Der (ja tatsächlich erklärte) "Rücktritt" ist unwirksam. Auch sonst sprechen wir ja von "Unwirksamkeit", wenn bestimmte tatbestandliche Voraussetzungen bei einem Rechtsgeschäft nicht gegeben sind (Vertretungsmacht, vorgeschriebene Form, etc.). Insofern frage ich mich, ob man nicht trotzdem auf § 218 I 1 BGB, bei dem auch gar nicht so klar ist, was er mit "hierauf" meint, verweisen sollte (auch wenn man ihm insoweit nur deklaratorische Bedeutung entnehmen könnte).
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Re: Zweck § 218 BGB

Beitrag von Honigkuchenpferd »

minderjährigerXX hat geschrieben:Die einzige Bedeutung von § 218 I S. 1 BGB kann m.E. folglich nur in der Anordnung liegen, dass entgegen dem Grundsatz i.R.d. § 323 I BGB (und anders als in § 281 BGB) das bloße Bestehen der Verjährungseinrede nicht den Rücktritt hindert.

Im Übrigen dürfte aber jedenfalls § 218 II BGB Bedeutung zukommen, da ohne diesen Verweis auf § 214 II BGB das zwischenzeitlich auf den (jetzt wegen § 218 I BGB erloschenen) Anspruch aus § 346 I BGB geleistete nach Bereicherungsrecht zurückgefordert werden könnte.
Könntest du den Gedanken zu § 281 BGB näher ausführen?

Was § 218 II BGB angeht, hast du sicher recht, aber dann hätte ja auch nur dieser Absatz genügt. Bedeutung hat § 218 I 1 BGB m.E. aber eben auf jeden Fall auch im Zusammenhang mit Satz 2 (hypothetische Verjährung).

Im Übrigen ist es ja auch gar nicht so aus der Welt, dass Vorschriften aus dem Neuen Schuldrecht im Grunde nur deklaratorische Bedeutung haben (man denke an die §§ 437, 634 BGB).
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Re: Zweck § 218 BGB

Beitrag von minderjährigerXX »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:
minderjährigerXX hat geschrieben:Die einzige Bedeutung von § 218 I S. 1 BGB kann m.E. folglich nur in der Anordnung liegen, dass entgegen dem Grundsatz i.R.d. § 323 I BGB (und anders als in § 281 BGB) das bloße Bestehen der Verjährungseinrede nicht den Rücktritt hindert.

Im Übrigen dürfte aber jedenfalls § 218 II BGB Bedeutung zukommen, da ohne diesen Verweis auf § 214 II BGB das zwischenzeitlich auf den (jetzt wegen § 218 I BGB erloschenen) Anspruch aus § 346 I BGB geleistete nach Bereicherungsrecht zurückgefordert werden könnte.
Meinst du tatsächlich § 281 BGB? Wenn ja: Könntest du das näher ausführen?

Was § 218 II BGB angeht, hast du sicher recht, aber dann hätte ja auch nur dieser Absatz genügt. Bedeutung hat § 218 I 1 m.E. aber eben auf jeden Fall auch im Zusammenhang mit Satz 2 (hypothetische Verjährung).

Im Übrigen ist es ja auch gar nicht so aus der Welt, dass Vorschriften aus dem Neuen Schuldrecht im Grunde nur deklaratorische Bedeutung haben (man denke an die §§ 437, 634 BGB).
Zu § 281 BGB: bereits das Bestehen der Verjährungseinrede hindert dort den Anspruch auf Schadensersatz (jedenfalls habe ich es noch nie anders gelesen). Folglich muss dasselbe eigentlich auch im § 323 I BGB gelten, da beide Normen gleichermaßen die Durchsetzbarkeit (wenn auch ungeschrieben) voraussetzen und erstmal kein Grund ersichtlich ist dies dort anders zu sehen. Daher kommt § 218 I 1 BGB hier definitiv Bedeutung zu.
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Re: Zweck § 218 BGB

Beitrag von Honigkuchenpferd »

In Bezug auf § 281 BGB habe ich das, glaube ich, auch noch nicht anders gesehen (ich kannte aber, wie gesagt, auch die Ausnahme zu § 323 I BGB nicht, die jedenfalls vielfach vertreten wird). Im Übrigen war ich mir zuerst unsicher, ob du nicht vielleicht § 286 BGB meinst. Mittlerweile ist mir dein Gedanke klar.

Was mich zu § 281 BGB aber interessieren würde: Welchen (gesetgeberischen) Grund mag es geben, diesen anders zu behandeln als § 323 I BGB, wenn man doch über den SE statt der ganzen Leistung sehr ähnliche Ergebnisse erzielen kann und ein Anspruch aus §§ 280 I, III, 281 BGB wesentlich schwieriger zu begründen ist?
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Re: Zweck § 218 BGB

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Ich möchte nachtragen, was in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/6040, S. 124) steht:

Zu § 218 – Unwirksamkeit des Rücktritts

Zu Absatz 1

Zu Satz 1

Nach Absatz 1 Satz 1 ist der Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung unwirksam, wenn der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und der Schuldner sich hierauf beruft. Voraussetzung des in § 323 RE geregelten Rücktritts ist nach § 323 Abs. 1 RE der fruchtlose Ablauf einer dem Schuldner gesetzten Frist zur Leistung oder Nacherfüllung. Kann indes der (Nach-)Erfüllungsanspruch wegen Eintritts der Verjährung nicht mehr durchgesetzt werden, so ist es gerechtfertigt, dass der Gläubiger auch nicht mehr sein Rücktrittsrecht durchsetzen kann. Die Anspruchsverjährung hat damit auch Auswirkungen auf das Rücktrittsrecht, obwohl Gestaltungsrechte als solche der Verjährung nicht unterliegen (vgl. § 194 Abs. 1 RE).

Hinsichtlich des verjährten Anspruchs ist grundsätzlich der Leistungsanspruch maßgeblich, es sei denn, dieser konkretisiert sich in einem besonderen Nacherfüllungsanspruch, dann kommt es auf dessen Verjährung an. Bedeutung hat dies etwa für den Anspruch des Käufers aus § 433 Abs. 1 Satz 2 RE, der auf die Verschaffung der Kaufsache frei von Rechts- und Sachmängeln gerichtet ist. Ist die gelieferte Sache mangelhaft, hat der Käufer nach § 437 Nr. 1 RE in Verbindung mit § 439 RE einen Nacherfüllungsanspruch, dessen Verjährung sich nach § 438 RE bestimmt.

Ist der Nacherfüllungsanspruch verjährt, kann sich der Verkäufer auch hinsichtlich des Rücktrittsrechts des Käufers aus § 437 Nr. 2 RE in Verbindung mit §§ 440 und 323 RE auf den Eintritt der Verjährung berufen. Entsprechendes gilt beim Werkvertrag für das Rücktrittsrecht des Bestellers gemäß § 633 Nr. 3 RE in Verbindung mit §§ 636 und 323 RE. Auf das kauf- und werkvertragsrechtliche Minderungsrecht, das gleichfalls als Gestaltungsrecht der Verjährung nicht unterliegt, findet § 218 RE durch die Verweisung in § 441 Abs. 5 RE und § 638 Abs. 5 RE ebenfalls Anwendung.

Die Unwirksamkeit nach Absatz 1 Satz 1 setzt voraus, dass sich der Schuldner auf die Verjährung beruft. Diese Einredekonstruktion entspricht der der Verjährung, die auch nur beachtlich ist, wenn der Schuldner sich hierauf beruft. Auf zeitliche Schranken wird bewusst verzichtet. Die Konstruktion soll einen Gleichlauf zur Verjährung schaffen, die nur auf Einrede zu berücksichtigen ist. Für die Erhebung der Einrede der Verjährung gibt es auch keine bürgerlich-rechtlichen Fristen. Dann aber können sie auch nicht für die Berufung auf die Unwirksamkeit des Rücktritts (und der Minderung) gelten. Im Prozess kann sich der Schuldner – wie bei der Verjährung – noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung auf die Unwirksamkeit berufen.


Daraus ergibt sich doch recht deutlich, dass der Gesetzgeber selbst tatsächlich wollte, dass die Einrede der Verjährung auf jeden Fall erhoben wird, um einen Rücktritt (wie auch immer) auszuschließen. Insofern wird eine Auslegung zu § 323 I BGB, die das bloße Bestehen der Einrede genügen lässt, dem gesetzgeberischen Willen tatsächlich nicht gerecht.

Leider fehlt aber eine Auseinandersetzung mit dem Fall, dass § 323 I BGB schon tatbestandlich nicht greift, wenn und weil die Verjährungseinrede (bezogen auf den Nacherfüllungsanspruch) bereits vor erklärtem Rücktritt erhoben worden ist, so dass es auch nach diesem Verständnis auf § 218 I 1 BGB eigentlich nicht mehr ankommen kann.
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Re: Zweck § 218 BGB

Beitrag von minderjährigerXX »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:Ich möchte nachtragen, was in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/6040, S. 124) steht:

Zu § 218 – Unwirksamkeit des Rücktritts

Zu Absatz 1

Zu Satz 1

Nach Absatz 1 Satz 1 ist der Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung unwirksam, wenn der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und der Schuldner sich hierauf beruft. Voraussetzung des in § 323 RE geregelten Rücktritts ist nach § 323 Abs. 1 RE der fruchtlose Ablauf einer dem Schuldner gesetzten Frist zur Leistung oder Nacherfüllung. Kann indes der (Nach-)Erfüllungsanspruch wegen Eintritts der Verjährung nicht mehr durchgesetzt werden, so ist es gerechtfertigt, dass der Gläubiger auch nicht mehr sein Rücktrittsrecht durchsetzen kann. Die Anspruchsverjährung hat damit auch Auswirkungen auf das Rücktrittsrecht, obwohl Gestaltungsrechte als solche der Verjährung nicht unterliegen (vgl. § 194 Abs. 1 RE).


Die Begründung vermittelt inbesondere im zitierten ersten Absatz den Eindruck, als wäre § 218 I 1 BGB zwingend erforderlich gewesen: "Die Anspruchsverjährung hat damit (Anm: bezieht sich auf § 218 I 1) auch Auswirkungen auf das Rücktrittsrecht, obwohl Gestaltungsrechte als solche der Verjährung nicht unterliegen".

Dass § 218 I 1 BGB notwendig sei findet sich auch bei den Erläuterungen zum Normzweck des § 218 in Henrich, BeckOK BGB § 218 Rn. 1: "Als Gestaltungsrecht unterliegt der Rücktritt nicht der Verjährung (§ 194 Rn 17). Ließe man den Rücktritt auch wegen verjährter Ansprüche zu, könnte der Gläubiger seine Leistung zurückverlangen, obwohl der Schuldner die Erfüllung der vertraglichen Leistungspflicht hätte verweigern können (§ 214 Abs 1). Um dieses Ergebnis zu verhindern, bestimmt § 218, dass der Rücktritt unwirksam ist, wenn der Schuldner sich auf die Verjährung des Anspruchs beruft"

D.h. entweder ging der Gesetzgeber davon aus, dass es kein ungeschriebenes Merkmal der "Durchsetzbarkeit" beim Rücktritt gibt oder wir haben etwas übersehen.
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Re: Zweck § 218 BGB

Beitrag von Honigkuchenpferd »

minderjährigerXX hat geschrieben:D.h. entweder ging der Gesetzgeber davon aus, dass es kein ungeschriebenes Merkmal der "Durchsetzbarkeit" beim Rücktritt gibt oder wir haben etwas übersehen.
Das mit der "Durchsetzbarkeit" könnte tatsächlich sein. Teilweise wird dieses (ungeschriebene) Tatbestandsmerkmal ja auch in der Lit. nicht erwähnt (wobei sich wiederum fragt, ob das Absicht ist oder nicht...).

Andererseits ist es aber auch einfach möglich, dass der Gesetzgeber diesen Fall nicht bedacht hat. Es dürfte eher die Ausnahme als die Regel sein, dass der Schuldner die Einrede der Verjährung in Bezug auf den Nacherfüllungsanspruch bereits erhoben hat, wenn der Gläubiger den Rücktritt erklärt.

Wenn man in Übereinstimmung mit den Vorstellungen des Gesetzgebers das Erheben der Einrede (im Rahmen des § 323 I BGB) zwingend fordert, braucht man § 218 I 1 BGB ja auch nur dann nicht, wenn der Schuldner die Einrede bereits vor dem Rücktritt erklärt hat, im Übrigen braucht man die Norm aber wohl schon: Das Rücktrittsrecht ist dann eben irgendwann einmal begründet worden und muss nun wieder zu Fall gebracht werden. Wahrscheinlich könnte man das genauso auch schon aus allgemeinen Grundsätzen zur Verjährung herleiten (Durchsetzbarkeit des Nacherfüllungsanspruchs wird durch die Erhebung der Einrede rückwirkend beseitigt, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen für § 323 I BGB, aber auch nur für diesen, ebenso rückwirkend entfallen). Hätte man mit § 218 I 1 BGB aber keine ausdrückliche Regelung getroffen, wonach der Rücktritt in diesem Fall unwirksam ist, wäre der Meinungsstreit, ob das nun wirklich so geht oder nicht, wohl programmiert gewesen.

Daher scheint mir das, was Henrich a.a.O. schreibt, auch dann durchaus richtig, wenn man die Durchsetzbarkeit als eigenes (ungeschriebenes) TB-Merkmal für § 323 I BGB fordert - es ist aber wohl trotzdem nur die halbe Wahrheit, eben weil es Fälle gibt, bei denen die Erhebung der Einrede der Verjährung (eindeutig) bereits den Tatbestand beseitigt.
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