Sonderverbindung § 254 II 2

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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Tobias__21
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Sonderverbindung § 254 II 2

Beitrag von Tobias__21 »

Hallo,

Kläger erleidet Unfall, Beklagter ist schuld. Im Krankenhaus begeht der Arzt einen leicht fahrlässigen Behandlungsfehler. Der Kläger will auch diesen Schaden vom Beklagten ersetzt kriegen.

Problem: Verschulden des Arztes dem Kläger zurechenbar? Im Ergebnis (-) Der Beklagte muss zahlen. Gestern in der AG wurde die Sonderverbindung im Behandlungsvertrag Kläger-Krankenhaus gesehen. Das ist doch falsch, oder steh ich jetzt komplett neben mir?

Die Sonderverbindung ist doch hier das gesetzliche SV des § 823 das mit dem Unfall entsteht. Diese Sonderverbindung muss doch zwischen Kläger und Beklagtem bestehen und nicht zwischen dem Kläger und einem Dritten? Im Endeffekt liegt diese hier ja auch vor. Aber der Behandlungsvertrag spielt doch da keine Rolle. Ich hab das auch angemerkt in der AG aber irgendwie bin ich damit nicht durchgedrungen. Auch der AG Leiter schien nicht so ganz zu verstehen auf was ich hinauswill und hat gemeint, dass wir hier doch den Behandlungsvertrag haben. Ich hab dann auch nicht weiter gebohrt, da hier ja kein Problem lag.
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Re: Sonderverbindung § 254 II 2

Beitrag von Verandars »

Du hast recht. Die Sonderverbindung muss zwischen den Parteien bestehen. Das gesetzliche Schuldverhältnis nach § 823 BGB dürfte aber keine Sonderverbindung darstellen. Ansonsten bestünde ja auch in solchen Fällen eine Sonderverbindung, in denen die Voraussetzung einer solchen den Schädiger gerade vor einer Haftung für seine Vertreter bzw. Gehilfen bewahren soll. In diesen Fällen gilt dann nämlich § 831 BGB mit seiner Entlastungsmöglichkeit.
Tobias__21
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Re: Sonderverbindung § 254 II 2

Beitrag von Tobias__21 »

Danke. Doch, der § 823 reicht als Sonderverbindung. Der § 831 ist eine AGL für eigenes (vermutetes) Verschulden. § 278 eine Zurechnungsnorm für fremdes Verschulden. In meinem Fall bestand zum Zeitpunkt der Schädigung durch den Arzt auch das SV des § 823 schon. Der Anspruch scheitert natürlich im Endeffekt trotzdem aus anderen Gründen.
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Verandars
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Re: Sonderverbindung § 254 II 2

Beitrag von Verandars »

Ich halte das für falsch. Ich kann mich natürlich auch irren, aber ich muss auch kein Examen mehr schreiben. Daher wäre insoweit zur Sicherheit vielleicht noch eine kleine Recherche angebracht.
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batman
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Re: Sonderverbindung § 254 II 2

Beitrag von batman »

Im Zeitpunkt der Heilbehandlung bestand in der Tat eine Sonderverbindung des Klägers zum Beklagten. Nur war der Arzt nicht Erfüllungsgehilfe des Klägers. An der Kausaliät des Beklagten für den Heilbehandlungsfehler ist offenbar auch nicht gezweifelt worden.
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Re: Sonderverbindung § 254 II 2

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Verandars hat geschrieben:Ich halte das für falsch. Ich kann mich natürlich auch irren, aber ich muss auch kein Examen mehr schreiben. Daher wäre insoweit zur Sicherheit vielleicht noch eine kleine Recherche angebracht.
§ 254 II 2 BGB erfasst selbstverständlich auch gesetzliche Schuldverhältnisse nach §§ 823 ff. BGB. Es geht ganz häufig sogar gerade darum.
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Verandars
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Re: Sonderverbindung § 254 II 2

Beitrag von Verandars »

Dann wäre ich für eine Fundstelle dankbar. Ich habe gerade nochmal in meinem alten Looschelders nachgesehen und dieser verneint eine Sonderverbindung, wenn es um eine Haftung des Schädigers nach § 823 Abs. 1 BGB geht.
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Re: Sonderverbindung § 254 II 2

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Vermutlich geht es in dem Buch gerade nicht um den Aspekt der Schadensminderung.

Wie auch immer: Du solltest in jedem BGB-Kommentar fündig werden.

Als Beispiele Looschelders, beck-online.GROSSKOMMENTAR, § 254 Rn. 266:
Nach dem Verständnis der Rspr. und hL ist § 278 auch aufseiten des Geschädigten grundsätzlich nur anwendbar, wenn im Zeitpunkt des mitverschuldensrelevanten Verhaltens des Geschädigten ein Schuldverhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem bestand. Ob es sich um ein rechtsgeschäftliches (insbesondere vertragliches), ein vorvertragliches (§ 311 Abs. 2) oder ein gesetzliches Schuldverhältnis handelt, ist prinzipiell irrelevant. Bei einer Verletzung der Obliegenheit zur Schadensminderung ist § 278 somit immer anwendbar, da spätestens durch die deliktische Schädigung nach §§ 823 ff. ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen den Beteiligten begründet wird.
Teichmann, Jauernig, § 254 Rn. 11:
a) Interpretation. Die Norm gilt nicht nur für das Unterlassen, sondern auch für das Tun gem Abs. 1 (Redaktionsfehler). Rspr und hL verstehen den Verweis auf § 278 als Rechtsgrundverweisung, so dass der Anspruch einen „Schuldner“, also eine rechtliche Sonderbeziehung voraussetzt (BGH 116, 74, BGH NJW-RR 05, 1426, Stuttgart, NJW-RR 10, 241 f; stRspr; desgl StSchiemann 95 ff). § 254 II 2 gilt dann auch für die auf unerlaubte Handlung gestützten Ansprüche aus demselben Sachverhalt (BGH NJW 68, 1323). Bsp: Ansprüche aus Vertrag oder vertragsähnlichem Verhältnis (BGH VersR 70, 934), aus dem Vertrag eines Dritten mit Schutzwirkung für den Geschädigten (BGH 9, 318; NJW 75, 869, dazu Denck JuS 76, 429), aus Drittschadensliquidation (BGH NJW 72, 289), auch aus der vorausgehenden unerlaubten Handlung, wenn es um die Schadensminderung geht (RGZ 156, 205: verspätetes Hinzuziehen eines Arztes durch die Eltern).
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Re: Sonderverbindung § 254 II 2

Beitrag von pHr3d »

Die zitierten Quellen beziehen sich aber ausdrücklich nur auf die Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB. Für eine weitere Schädigung, wie im Fall des Behandlungsfehlers, würde ich ebenfalls sagen, dass die vorangegangene Schädigung nach § 823 Abs. 1 BGB keine Sonderverbindung iSd. § 278 BGB darstellt. Warum sollte man den Schädiger insofern privilegieren, anstatt beide Schädiger (also Arzt und Erstschädiger) als Gesamtschuldner haften zu lassen?
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Re: Sonderverbindung § 254 II 2

Beitrag von Tobias__21 »

Ja, im Ergebnis läuft es auf § 840 hinaus. Trotzdem liegt mit dem § 823 erstmal eine taugliche Sonderverbindung vor. Der § 278 scheitert letztlich daran, dass die Heilbehandlung nicht im Pflichtenkreis Kläger-Beklagter liegt. Es geht ja auch gar nicht mehr um Schadensminderung, sondern um § 249 II. Der Arzt kann also schon gar nicht Erfüllungsgehilfe bei einer Schadensminderungspflicht sein.
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Re: Sonderverbindung § 254 II 2

Beitrag von Honigkuchenpferd »

pHr3d hat geschrieben:Die zitierten Quellen beziehen sich aber ausdrücklich nur auf die Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB. Für eine weitere Schädigung, wie im Fall des Behandlungsfehlers, würde ich ebenfalls sagen, dass die vorangegangene Schädigung nach § 823 Abs. 1 BGB keine Sonderverbindung iSd. § 278 BGB darstellt. Warum sollte man den Schädiger insofern privilegieren, anstatt beide Schädiger (also Arzt und Erstschädiger) als Gesamtschuldner haften zu lassen?
Wir diskutieren hier aber doch auch über § 254 II 2 BGB.
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Re: Sonderverbindung § 254 II 2

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Tobias__21 hat geschrieben:Ja, im Ergebnis läuft es auf § 840 hinaus. Trotzdem liegt mit dem § 823 erstmal eine taugliche Sonderverbindung vor. Der § 278 scheitert letztlich daran, dass die Heilbehandlung nicht im Pflichtenkreis Kläger-Beklagter liegt. Es geht ja auch gar nicht mehr um Schadensminderung, sondern um § 249 II. Der Arzt kann also schon gar nicht Erfüllungsgehilfe bei einer Schadensminderungspflicht sein.
Jetzt verstehe ich dich aber auch nicht mehr wirklich. Ich dachte, es ginge um die Frage, ob ein Behandlungsfehler durch den Arzt über § 254 II 2 BGB irgendwie als Mitverschulden gewertet werden kann, das den Anspruch des Klägers gegen den Beklagten mindert.
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Re: Sonderverbindung § 254 II 2

Beitrag von Tobias__21 »

Also es war so:

Kläger wird vom Beklagten zu Fall gebracht, bricht sich das Bein. Muss operiert werden. Arzt begeht einen leicht fahrlässigen Fehler und das Bein versteift sich. SE für den Beinbruch + die Versteifung? § 823 (+) da Behandlungsfehler noch adäquat kausal und vom Schutzzweck der Norm umfasst. Jetzt könnte man an § 254 II 2 denken. Sonderverbindung: § 823 durch das zu Fall bringen und den Beinbruch. Der Arzt ist hier aber kein Erfüllungsgehilfe des Klägers, weil der Arzt nicht im Rahmen einer Schadensminderungspflicht ( § 254 II 1) im Pflichtenkreis des Klägers ggü. dem Beklagten tätig wurde.

Vielleicht habe ich das mit dem § 249 unglücklich ausgedrückt. Ich wollte darauf hinaus, dass er eben nicht Erfüllungsgehilfe bei einer Schadensminderung hinsichtlich des § 823 wegen dem Beinbruch ist, sondern es hier schon um die Restitution geht. Gut, vielleicht ist der Gedanke mit dem § 249 auch etwas schräg :) Aber egal wie man es dreht, Erfüllungsgehilfe ist der Arzt nicht, eine Sonderverbindung liegt aber vor. Und es ging ja auch nur darum ob § 823 eine taugliche Sonderverbindung sein kann und das kann er mE auf jeden Fall.

Natürlich kann man auch direkt bei § 254 I hinsichtlich des OP Schadens ansetzen und den § 254 II 2 auf den § 254 I beziehen. Aber da ist ja von vorneherein klar, dass der Arzt nicht Erfüllungsgehilfe sein kann. Deswegen habe ich den § 254 II 1 genommen: Operation als Schadensminderung des Beinbruchs?
Zuletzt geändert von Tobias__21 am Dienstag 15. November 2016, 18:27, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Sonderverbindung § 254 II 2

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Ah ja, dann hatte ich dich anfangs doch richtig verstanden. :)

Für die Zwecke des § 254 II 2 BGB und der entsprechenden Anwendung von § 278 BGB genügt § 823 I BGB unzweifelhaft. Das ist offensichtlich, wenn man die andere Alternative ("gesetzlicher Vertreter") betrachtet.
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