Vorbehaltliche Abnahme bei 631ff als Brücke ins Gewl. Recht?

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

Moderator: Verwaltung

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AlicImWunderland
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Vorbehaltliche Abnahme bei 631ff als Brücke ins Gewl. Recht?

Beitrag von AlicImWunderland »

Hallo wir haben heute eine Klausur geschrieben, bei der es im wesentlichen (War natürlich nicht alles und es gab auch noch eine zweite Aufgabe) darum ging, dass ein Verbraucher einen Werkvertrag über eine Wohnungssanierung mit einem Handwerker geschlossen hat. Der Handwerker hat 9 von 10 Räumen fertig gemacht und ist dann plötzlich einfach nicht mehr erschienen. Der Verbraucher hat daraufhin die Abnahme unter Vorbehalt erklärt. Danach hat er dem Handwerker eine Frist gesetzt den Raum fertig zu machen und nachdem diese fruchtlos verstrichen ist, einen anderen Handwerker den Raum sanieren lassen. Die dadurch entstandenen Kosten verlangt er nun vom ersten Handwerker zurück.

Ich bin jetzt zum Ergebnis gekommen, dass ein solcher Anspruch nicht besteht. Dieser könnte sich ja nur aus Gewährleistungsrecht ergeben (Selbstvornahme). Dafür wäre aber doch die Abnahme erforderlich. Diese wurde vorliegend zwar erklärt, jedoch nur unter Vorbehalt. Es erscheint mir nicht im Sinne des Gesetzes zu sein, wenn der Verbraucher - der eigentlich nur einen auf Leistung gerichteten Anspruch hat - diesen durch vorbehaltliche Abnahme in einen Gewährleistungsanspruch umwandeln könnte. Wenn man dies zuließe könnte man ja immer den billigsten (und schlechten) Handwerker nehmen, nach wenigen Tagen die Abnahme erklären unter Vorbehalt der Mängel (= noch nicht erledigter Arbeiten) und sodann einen sau teuren (und guten) Handwerker mit der Fertigstellung beauftragen und den ersten Handwerker die Rechnung zahlen lassen. Okay das klappt natürlich nur, wenn der erste Handwerker seine Leistung verweigert - kommt mir aber dennoch falsch vor.

Stattdessen wird dem Verbraucher wohl nur ein Recht auf Rücktritt vom Vertrag zustehen (Nach AT nicht nach Gewährleistungsrecht). Dann wären die bislang erledigten arbeiten zu zahlen und für den Rest müsste er sich eben einen neuen Handwerker suchen. Schadensersatz wäre wohl nach 280, 281 möglich, aber nur wenn er konkret nachweisen kann, dass der neue Handwerker teurer ist als der alte (und es im Sinne der Schadensminderungspflicht auch zumutbar keinen gleich guten Handwerker zum niedrigeren Preis gibt).

Hab ich das wohl richtig gelöst? :/
Bin mir wirklich sehr unsicher. Rein vom Gesetz her scheint mir die Selbstvornahme in dieser Konstellation nicht möglich, andererseits fühlt es sich für mich auch ungerecht an, dass der Verbraucher bei solch dreistem Verhalten des Vertragspartners mit relativ "stumpfen Schwert" dar steht (Rücktritt wird den Handwerker ja wohl kaum tangieren, da er offensichtlich sowieso nicht weiterarbeiten will und für die bereits geleistete Arbeit vollen Lohn erhält. Den Stress hat der Verbraucher der Fristen setzen muss, sein Haus nicht fertig bekommt und einen weiteren Handwerker suchen und beauftragen muss. Diese Zeitverzögerung wird regelmäßig auch nicht als materieller Schaden messbar sein)
Habe ich vllt etwas übersehen?
Butterflocke
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Re: Vorbehaltliche Abnahme bei 631ff als Brücke ins Gewl. Re

Beitrag von Butterflocke »

Hallo,
ich bin mir bei Deinen Ausführungen nicht sicher. Du lehnst die Mehrkosten mit dem Argument ab, die Abnahme sei nur unter Vorbehalt?

Sinn und Zweck des Vorbehalts ist es gerade, sich seine Mängelrechte zu sichern. Denn nimmt der Bauherr in Kenntnis eines Mangels ab, so kann er später keine Mängelrechte mehr, sondern nur noch Mangelfolgeschäden geltend machen.
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Re: Vorbehaltliche Abnahme bei 631ff als Brücke ins Gewl. Re

Beitrag von Ant-Man »

AlicImWunderland hat geschrieben:Hab ich das wohl richtig gelöst? :/
Leider nein. Sowohl aus der Definition des Abnahmebegriffs ("Billigung als im Wesentlichen vertragsgemäße Erfüllung") als auch aus § 640 II BGB kann man schließen, dass eine Annahme unter Vorbehalt die Wirkungen einer Abnahme entfaltet.
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Re: Vorbehaltliche Abnahme bei 631ff als Brücke ins Gewl. Re

Beitrag von AlicImWunderland »

Butterflocke hat geschrieben:Hallo,
ich bin mir bei Deinen Ausführungen nicht sicher. Du lehnst die Mehrkosten mit dem Argument ab, die Abnahme sei nur unter Vorbehalt?

Sinn und Zweck des Vorbehalts ist es gerade, sich seine Mängelrechte zu sichern. Denn nimmt der Bauherr in Kenntnis eines Mangels ab, so kann er später keine Mängelrechte mehr, sondern nur noch Mangelfolgeschäden geltend machen.

Ich glaube bei mir hakt es an dem Punkt, dass der Verbraucher dann ohne Zutun des Handwerkers nach seiner Wahl auf die Mängelrechte umschwenken kann, obwohl diese viel umfangreicher sind als der bloße Leistungsanspruch. Ich glaube ich habe das mit der Abnahme aber wirklich noch nicht richtig verstanden. Kann man ein Werk jederzeit abnehmen? Oder ist dafür erforderlich, dass der Handwerker - etwas überspitzt - sagt: "Hier ist mein Werk, ich bin fertig. Nimmst du es so ab?" d.h. muss der Handwerker seine in seinen Augen vollendete Leistung zur Abnahme "angeboten" haben? Oder kann diese jederzeit erfolgen?

In meinem Fall hätte der Verbraucher ja ein Problem, wenn der Handwerker einfach nicht mehr erscheint (okay dann könnte man vllt noch ein konkludentes Angebot annehmen) oder noch schlimmer immer wieder vertröstet im Sinne von "ja ich komme in 2 Wochen und mache das fertig". In dem Fall wäre eine Abnahme dann ja nicht möglich, weil kein Angebot vorliegt oder?
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Re: Vorbehaltliche Abnahme bei 631ff als Brücke ins Gewl. Re

Beitrag von Butterflocke »

Grundsätzlich kann der Auftraggeber die Leistung jederzeit abnehmen. Die Abnahme hat jedoch rechtliche Folgen, weswegen der Auftraggeber genau prüfen sollte, ob er eine Abnahme erklärt oder nicht.

Also nicht zu kompliziert denken. :alright
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Re: Vorbehaltliche Abnahme bei 631ff als Brücke ins Gewl. Re

Beitrag von AlicImWunderland »

Butterflocke hat geschrieben:Grundsätzlich kann der Auftraggeber die Leistung jederzeit abnehmen. Die Abnahme hat jedoch rechtliche Folgen, weswegen der Auftraggeber genau prüfen sollte, ob er eine Abnahme erklärt oder nicht.

Also nicht zu kompliziert denken. :alright
Ganz sicher? Abnahme ohne Angebot des Handwerkers, dass er seine Leistung vollendet hat? Das würde dann ja wirklich dazu führen, dass man einen billig Handwerker beauftragen könnte ein Haus zu bauen, nach der Legung des Fundaments unter Vorbehalt der Mängel die Abnahme erklärt und sodann gemäß §637 einen wesentlich teureren Handwerker die Baustelle vollenden lässt auf Kosten des ersten Handwerkers :eeeek: . Also vorausgesetzt, der erste Handwerker verpeilt die gesetzte Frist.

Wenn ich diese Konstellation google "Handwerker kommt nicht mehr..", finde ich irgendwie auch nur Artikel bei denen es um Kündigung des Vertrages oder Rücktritt geht. Von Selbstvornahme auf Kosten des Handwerkers ist da nirgendwo die Rede.
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Re: Vorbehaltliche Abnahme bei 631ff als Brücke ins Gewl. Re

Beitrag von Butterflocke »

Wie war denn Dein Fall? Hat der Auftragnehmer gesagt, dass er nicht mehr kommt? Oder konnte man im Fall aus bestimmten Umständen daraus schließen, dass er nicht mehr tätig wird?

Im BGB steht der Auftraggeber etwas im Regen, da die Gewährleistungsrechte erst nach der Abnahme greifen. Mit der VOB/B ist es besser. Da kann der AG dem AN noch in der Erfüllungsphase eine Frist setzen und bei erfolglosem Verstreichenlassen die Kündigung erklären und Selbstvornahme durchführen.

Deine gebildete Fallkonstellation will mir nicht in den Kopf. Wenn noch keine Abnahmereife vorliegt und der AG dem AN bewusst den Auftrag entzieht, ohne, dass dieser sich je fehlerhaft verhalten hat, dann verhält sich der AG ja selbst nicht vertragsgerecht. Dem AG dürften die Ersatzvornahmemehrkosten dann nicht auferlegt werden können. In dem SV, den Du vorgestellt hast, schien der AN aber nicht mehr leisten zu wollen..
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Re: Vorbehaltliche Abnahme bei 631ff als Brücke ins Gewl. Re

Beitrag von AlicImWunderland »

Butterflocke hat geschrieben:Wie war denn Dein Fall? Hat der Auftragnehmer gesagt, dass er nicht mehr kommt? Oder konnte man im Fall aus bestimmten Umständen daraus schließen, dass er nicht mehr tätig wird?

Im BGB steht der Auftraggeber etwas im Regen, da die Gewährleistungsrechte erst nach der Abnahme greifen. Mit der VOB/B ist es besser. Da kann der AG dem AN noch in der Erfüllungsphase eine Frist setzen und bei erfolglosem Verstreichenlassen die Kündigung erklären und Selbstvornahme durchführen.

..
Ja genau darauf will ich hinaus. Soweit ich das sehe bleibt dem Besteller in dem Fall, dass der Unternehmer die Leistung nicht ausdrücklich verweigert sondern einfach nicht mehr erscheint und den Besteller immer weiter vertröstet nur die Möglichkeit zu kündigen oder nach AT vom Vertrag zurückzutreten. Eine Möglichkeit dem Handwerker eine Frist zur Erfüllung zu setzen und nach Ablauf das Werk von einem anderen Handwerker auf Kosten des ersten Handwerkers vollenden zu lassen besteht nicht, oder sehe ich das falsch?

Das führt dann natürlich dazu, dass Handwerker die es sich leisten können (Weil besonders gut oder viel beschäftigt) mehr Aufträge annehmen können als sie tatsächlich schaffen, immer nur den Teil machen, der das große Geld bringt und den "Kleinscheiß" liegen lassen und sich nicht mehr melden....als Besteller hat man kaum Druckmittel dem entgegen zu wirken. Komische Rechtslage, falls es wirklich so sein sollte. :eeeek:
Butterflocke hat geschrieben: Deine gebildete Fallkonstellation will mir nicht in den Kopf. Wenn noch keine Abnahmereife vorliegt und der AG dem AN bewusst den Auftrag entzieht, ohne, dass dieser sich je fehlerhaft verhalten hat, dann verhält sich der AG ja selbst nicht vertragsgerecht. Dem AG dürften die Ersatzvornahmemehrkosten dann nicht auferlegt werden können. In dem SV, den Du vorgestellt hast, schien der AN aber nicht mehr leisten zu wollen

Ja ich gebe zu das ist etwas arg konstruiert und wohl auch nicht richtig durchdacht :D
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Re: Vorbehaltliche Abnahme bei 631ff als Brücke ins Gewl. Re

Beitrag von Butterflocke »

Also ich bin mir sicher, dass die Abnahme jederzeit - unabhängig von der Abnahmereife - erklärt werden kann. Schau Dir mal das Urteil vom OLG München vom 13.12.2011, 9 U 2533/11, an.
Aus der Entscheidung folgt meines Erachtens, dass der Auftraggeber die rechtsgeschäftliche Abnahme auch vorzeitig verlangen kann, also auch wenn noch wesentliche Mängel vorhanden bzw. Restleistungen zu erbringen sind.
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