Anfechtung eines Widerrufs mit geeignetem Anfechtungsgrund?

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Gelöschter Nutzer

Anfechtung eines Widerrufs mit geeignetem Anfechtungsgrund?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hallo zusammen,

mir ist die Frage aufgekommen, ob es möglich ist einen Widerruf mit einem geeignetem Anfechtungsgrund wirksam anzufechten. Beispielfall: A hat ein Geschäft und beschäftigt den Mitarbeiter M, der vor jeder Bestellung eine Schufaerklärung einholt. Eines Tages kommt eine Bestellung des langjährigen Kunden K ins Haus, der A bittet den M eine Schufaerklärung einzuholen. Weil A davon ausgeht, dass nichts großartiges drinstehen wird, sendet er eine Auftragsbestätigung an K, die dem K aber noch nicht zugegangen ist. Kurz darauf meldet sich M, dass bei K ein Schufaeintrag stattgefunden hat. Daraufhin widerruft A den Kaufvertrag. (Demnach müsste der Widerruf ja wirksam sein, da vor Zugang). Daraufhin stellt sich aber heraus, dass der M irrtümlicherweise die Schufa von jemand ganz anderem eingeholt hatte und der K völlig in Ordnung ist. A möchte demnach doch an dem Vertrag mit K festhalten.

Meine Frage ist nun, der Widerruf sollte ja eigentlich wirksam sein, aber wurde doch aufgrund falscher Tatsachen abgegeben? :-k
Honigkuchenpferd
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Re: Anfechtung eines Widerrufs mit geeignetem Anfechtungsgru

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Die Frage, ob ein Widerruf i.S.d. § 130 I 2 BGB nach oder entsprechend § 142 I BGB angefochten werden kann, ist offen. Jedenfalls müsste dann aber ein Anfechtungsgrund vorliegen. Dafür genügt es nicht, dass eine Willenserklärung "aufgrund falscher Tatsachen" abgegeben worden ist. Das ist ein klassisches Fall des Motivirrtums. Es müsste schon ein Fall von § 119 I oder II BGB vorliegen.
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immer locker bleiben
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Re: Anfechtung eines Widerrufs mit geeignetem Anfechtungsgru

Beitrag von immer locker bleiben »

Wie wäre es mit Neuabschluss?
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Honigkuchenpferd
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Re: Anfechtung eines Widerrufs mit geeignetem Anfechtungsgru

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Das würde halt voraussetzen, dass die Gegenseite noch will. Hält man einen Widerruf für wirksam, kann der Antrag höchstwahrscheinlich nicht mehr ohne weiteres angenommen werden (§ 147 II BGB).
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Gelöschter Nutzer

Re: Anfechtung eines Widerrufs mit geeignetem Anfechtungsgru

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Woran ich mich zudem störe ist, dass der M ja noch seine Finger im Spiel hatte. Kann man sich bei keinem Anfechtungsgrund auf den M berufen, dass der Mist gebaut hat und man wegen dem den Widerruf abgegeben hat?
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Re: Anfechtung eines Widerrufs mit geeignetem Anfechtungsgru

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Subsumier halt mal unter § 123 BGB. Das ist der einzige Fall, bei dem das Verhalten Dritter unmittelbar relevant wird.
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Tobias__21
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Re: Anfechtung eines Widerrufs mit geeignetem Anfechtungsgru

Beitrag von Tobias__21 »

Und wenn man über 119 II geht? Zahlungsfähigkeit des K als Irrtum über Eigenschaften einer Person? Die Widerrufserklärung würde ich grundsätzlich als anfechtbar ansehen. Der Widerruf ist zwar ein Gestaltungsrecht, aber eine Rechtsunsicherheit besteht im Gegensatz zu einem Widerruf des Widerrufs ja im Falle einer Anfechtung nicht, oder?
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Re: Anfechtung eines Widerrufs mit geeignetem Anfechtungsgru

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Ja, § 119 II BGB ist m.E. das Einzige, worüber man näher nachdenken könnte. Das ist aber auch gar nicht so leicht. Zahlungsfähigkeit als Eigenschaft? Selbst wenn man auf den Schufa-Eintrag abstellt, ist die Subsumtion nicht unproblematisch.

Dogmatisch sehe ich das Problem im Hinblick auf die Anfechtung vor allem darin, dass der Widerruf i.S.d. § 130 I 2 BGB bereits den (wirksamen) Zugang vereitelt (anders gesagt: Kann ich durch Anfechtung dann rückwirkend doch wieder zu einem Zugang kommen?). Aber wie gesagt: Diese Frage ist offen, das kann man so oder so entscheiden.
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Re: Anfechtung eines Widerrufs mit geeignetem Anfechtungsgru

Beitrag von Tobias__21 »

Ja, das wird schon schwierig. Ein Schufa Eintrag sagt ja grds. noch nichts über die Solvenz aus. Generell sieht man doch in der Solvenz/Zahlungsfähigkeit schon eine der Person anhaftende Eigenschaft, oder erinnere ich das jetzt falsch? Man schließt die Anfechtbarkeit wegen eines Irrtums über die Zahlungsfähigkeit aber bei Risikogeschäften aus (bspw. Bürgschaft).

Es müsste halt dazu irgendeinen Anhaltspunkt im SV geben. Wenn da nur was vom Schufa Eintrag steht und nichts bzgl. weiterer Vorstellungen des A würde ich auch den unbeachtlichen Motivirrtum favorisieren.

Dogmatisch sehe ich eigentlich kein größeres Problem. Die WE ist ja auf dem Weg zum Empfänger und geht ihm ja auch zwangsläufig zu. Durch die Rückwirkung der Anfechtung ist der Widerruf ex tunc nichtig, § 142 BGB und man könnte also schon zu einem Zugang kommen, in dem man den Widerruf gar nicht mehr beachtet.
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Re: Anfechtung eines Widerrufs mit geeignetem Anfechtungsgru

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Die Zahlungsfäigkeit wird zwar grundsätzlich als verkehrswesentliche Eigenschaft anerkannt, insbesondere bei Kreditgeschäften. Das ist aber auch nicht völlig unumstritten, insbesondere wenn eben keine Vorleistungspflicht besteht.

Bei der Bürgschaft schließt man diesen Gesichtspunkt aber in der Tat generell aus, denn sie dient ja gerade dazu, Unsicherheiten im Hinblick auf die Kreditwürdigkeit einer Person zu kompensieren.
Dogmatisch sehe ich eigentlich kein größeres Problem. Die WE ist ja auf dem Weg zum Empfänger und geht ihm ja auch zwangsläufig zu. Durch die Rückwirkung der Anfechtung ist der Widerruf ex tunc nichtig, § 142 BGB und man könnte also schon zu einem Zugang kommen, in dem man den Widerruf gar nicht mehr beachtet.
Man könnte schon. Aber für denjenigen, der von der Wirksamkeit des Widerrufs ausgeht, ist die Situation alles andere als glücklich. Zudem haftet dem Zugang auch ein starkes tatsächliches Moment an.
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Re: Anfechtung eines Widerrufs mit geeignetem Anfechtungsgru

Beitrag von Tobias__21 »

Naja, der potentielle Erklärungsempfänger wird ja durch § 122 und ggf. durch eine Haftung aus c.i.c geschützt (positives Interesse), sofern der Irrtum verschuldet war. Da (bei der cic Haftung) könnte man dann auch den M mit ins Spiel bringen.
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Re: Anfechtung eines Widerrufs mit geeignetem Anfechtungsgru

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Das bringt hier aber nicht sonderlich viel, weil die Anfechtung gerade - anders als im Regelfall - zur Wirksamkeit eines Vertrages führt. Letztlich denke ich, dass sich die Katze bei diesem Ansatz (Anfechtung ja, dann aber ggf. § 122 BGB) häufig in den Schwanz beißen wird.
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Re: Anfechtung eines Widerrufs mit geeignetem Anfechtungsgru

Beitrag von Tobias__21 »

Ja, aber wenn der Schaden gerade der Vertragsschluss (bzw. der nun auf Grund der Anfechtung wirksame Vertrag) an sich ist, kann doch der Erklärungsempfänger im Rahmen des § 249 die "Aufhebung" dieses Vertrages verlangen. Wird er auf Leistung aus dem Vertrag in Anspruch genommen, könnte man über ein Leistungsverweigerungsrecht aus § 242 (dolo agit) nachdenken. Zugegeben, das ist jetzt alles etwas um die Ecke gedacht :D
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Re: Anfechtung eines Widerrufs mit geeignetem Anfechtungsgru

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Und wäre es dann nicht vielleicht doch naheliegender, dass man schlicht nicht anfechten kann? :) Zumal der Gesetzgeber ja selbst ziemlich klar zwischen WE und Zugang der WE, der durch § 130 I 2 BGB verhindert wird, trennt...
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Re: Anfechtung eines Widerrufs mit geeignetem Anfechtungsgru

Beitrag von Tobias__21 »

Natürlich wäre das naheliegender und würde das gleiche Ergebnis ohne zig Umwege herbeiführen :) Es ging mir auch nur darum, dass man die Anfechtung nicht per se deswegen ausschließen sollte, weil der Erklärungsempfänger, der gerade auf den Widerruf vertraut, hat völlig schutzlos stehen würde, für den Fall dass er bereits anderweitig disponiert hat.
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