Missbrauch der Vertretungsmacht

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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Byue
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Missbrauch der Vertretungsmacht

Beitrag von Byue »

Hallöchen!

Beim Lernen mit Altklausuren ist mir dieser Sachverhalt untergekommen: "A beauftragt B damit, seinen Schreibtisch mit dem Wert von 1000€ für mindestens 1000€ zu verkaufen. B verkauft ihn aber für 700€."

Ich hätte darin jetzt einen Missbrauch der Vertretungsmacht gesehen, da es ja nur ein Innenverhältnis gibt und B dieses missachtet.
Die Lösungsskizze schreibt nun aber "Da es sich um eine Innenvollmacht handelt kommt es auf die Sicht des B an. Dieser wusste von der Beschränkung (rechtliches Können), sodass sein Handeln nicht von der Vertretungsmacht gedeckt war. Der Vertrag ist zunächst schwebend unwirksam."

Dabei ist schwebende Unwirksamkeit doch die Rechtsfolge von der Vertretung ohne Vertretungsmacht? Kann mir hier einer mal helfen?
Tobias__21
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Re: Missbrauch der Vertretungsmacht

Beitrag von Tobias__21 »

Der Verkauf für weniger als 1000€ ist nicht mehr von der Vollmacht gedeckt. Die Innenvollmacht ist insoweit begrenzt. Der Vertreter handelt hier ohne Vertretungsmacht, §§ 177ff. BGB
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Re: Missbrauch der Vertretungsmacht

Beitrag von Byue »

Was wäre denn dann ein Missbrauch der Vertretungsmacht? Wenn A sagt "Verkaufe meinen Schreibtisch" und dann später noch hinzufügt "aber bitte nicht unter 1000€"?
Honigkuchenpferd
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Re: Missbrauch der Vertretungsmacht

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Ein Missbrauch der Vertretungsmacht kommt im alleinigen Anwendungsbereich des BGB selten vor, weil Beschränkungen in der Regel auf das Außenverhältnis durchschlagen. Das wäre naheliegenderweise auch in deinem Beispiel so. Die Auslegung würde regelmäßig ergeben, dass die Vollmacht auf einen Verkauf für mindestens 1000 € beschränkt ist.

Anders sieht das aus, wenn das HGB mit ins Spiel kommt, weil hier die Vertretungsmacht im Außenverhältnis oftmals gesetzlich fixiert ist (vgl. §§ 54 und 56 HGB). Hier kann man nur das Innenverhältnis beschränken.
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Tobias__21
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Re: Missbrauch der Vertretungsmacht

Beitrag von Tobias__21 »

Dann muss man das auslegen, wobei es auf den Empfängerhorizont des Vertreters bei der Innenvollmacht ankommt. Soll die Beschränkung bindend sein, dann handelt er eben ohne Vertretungsmacht. Ein Missbrauch wäre das das Überschreiten des rechtlichen Dürfens (im Innenverhältnis) unter Einhaltung des rechtlichen Könnens (im Außenverhältnis). Die Prokura bspw. ist nach außen unbeschränkt. Beschränkungen im Innenverhältnis muss der Erklärungsempfänger im Außenverhältnis nicht gegen sich gelten lassen. Gleiches bei der Außenvollmacht: A ruft bei C an und sagt gleich kommt der B, der soll für mich ein Auto kaufen. Beschränkungen auf einen gewissen Kaufpreis im Verhältnis A-B muss C nicht gegen sich gelten lassen. Abstraktheit der Vollmacht.
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Re: Missbrauch der Vertretungsmacht

Beitrag von Byue »

Missbrauch der Vertretungsmacht wäre also wenn der A den Käufer K anruft und sagt der B würde ihm den Tisch verkaufen (um beim ursprünglichen Beispiel zu bleiben). Dann sagt A B dass er den Tisch für mindestens 1000€ verkaufen soll, dieser verkauft aber trotzdem für 700€, verstößt dabei aber nur gegen die Innenvollmacht.
Also ist es praktisch so, dass Vertretungsmacht nur missbraucht werden kann, wenn es ein Innen- und ein Außenverhältnis gibt, bzw. wenn es nur ein Innenverhältnis gibt, ist ein Verstoß gegen dieses immer gleich eine Übertretung der Vollmacht.
Habe ich das so richtig verstanden?
Tobias__21
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Re: Missbrauch der Vertretungsmacht

Beitrag von Tobias__21 »

Auch bei der Innenvollmacht gibt es ein Außenverhältnis. Die reine Außenvollmacht (im Gegensatz zur nach außen kundgetanen Innenvollmacht) wird wohl eher selten vorkommen. Hier erfolgt die eigentliche Vollmachtserteilung gegenüber dem Dritten. Inhalt und Umfang der Vollmachtserteilung bestimmen sich also nach seinem Empfängerhorizont. Wenn der Vertretene nur sagt : " Der B verkauft dir den Tisch" dann kann er Erklärungsempfänger die Vollmachterteilung nur so verstehen, dass B einen Entscheidungsspielraum hinsichtlich des Preises hat. Wenn B aber von A gesagt bekommt: "Verkauf für mindestens 1000€" lässt das die unbeschränkte Außenvollmacht unberührt, B handelt mit Vertretungsmacht, macht sich aber ggf. nach § 280 I schadensersatzpflichtig gegenüber A.
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Re: Missbrauch der Vertretungsmacht

Beitrag von Byue »

Oh danke, so langsam macht das einen Sinn. Von der Unterscheidung in Außenvollmacht und nach außen kundgegebenen Innenvollmacht wusste ich nichts. Wie wird denn bei der Innenvollmacht zwischen Innen- und Außenverhältnis unterschieden? Sind die gleichzusetzten? Wenn es keine Außenvollmacht gibt gilt doch praktisch Rechtlichen Können = Rechtliches Dürfen.
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Re: Missbrauch der Vertretungsmacht

Beitrag von markus87 »

So ist es! Also bei der reinen Innenvollmacht sind Können und Dürfen immer identisch. Die Außenvollmacht hingegen ist nur eines von vielen Beispielen, bei denen es aufgrund eines Rechtsscheins im weiteren Sinne zu einer Divergenz kommen kann.
Honigkuchenpferd
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Re: Missbrauch der Vertretungsmacht

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Theoretisch ist es möglich, auch bei einer Innenvollmacht, für die allein das BGB maßgeblich ist, das Innenverhältnis stärker zu beschränken als das Außenverhältnis. Praktisch kommt das aber so gut wie nicht vor. Es würde dann nämlich vor dem Hintergrund von §§ 133, 157 BGB voraussetzen, dass du gegenüber dem Vertreter z.B. ganz klar sagst: "Ich gestattete dir, mich nach außen in dem und dem Umfang zu verpflichten, du sollst es aber nur in dem und dem Umfang tun." Andernfalls wirken sich Vorgaben regelmäßig bereits auf das Außenverhältnis aus und führen zu einem Handeln ohne Vertretungsmacht.

Eben deshalb der Hinweis auf das HGB: Hier gibt das Gesetz eben bereits den Umfang der Vertretungsmacht nach außen vor, der durch den Geschäftsherrn - insoweit - nicht eingeschränkt werden kann. Er kann seine Angestellten nur im Innenverhältnis beschränken. Bei den Fällen nach §§ 54, 56 HGB geht es in aller Regel aber nicht um Außenvollmachten (vgl. § 167 I Alt. 2 BGB). Auch hier gilt aber: Rechtliches Können ungleich rechtliches Dürfen.
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Re: Missbrauch der Vertretungsmacht

Beitrag von Byue »

Vielen vielen Dank, ich glaube ich habe es begriffen. :)
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