Sittenwidrigkeit?
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Sittenwidrigkeit?
Ist eine arglistige Täuschung i.S.d. § 123 BGB sittenwidrig ?
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Re: Sittenwidrigkeit?
Nein.
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Re: Sittenwidrigkeit?
Äh, doch, schon. § 823 Abs. 2 iVm § 263 StGB oder § 240 StGB und § 826 liegen jedenfalls nahe genug, um diese mal sorgfältig zu prüfen, bevor man sie verneint.
Woher kommt denn das plötzliche Interesse an § 123 BGB, dass hier gleich drei Threads aufgemacht werden?
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Re: Sittenwidrigkeit?
Niemals von einer Hausarbeit. So etwas könnte gar nicht sein.immer locker bleiben hat geschrieben:Woher kommt denn das plötzliche Interesse an § 123 BGB, dass hier gleich drei Threads aufgemacht werden?
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Re: Sittenwidrigkeit?
Meiner Erinnerung nach ist eine arglistige Täuschung zwar materiell betrachtet Sittenwidrig; der Vertrag gilt aber nicht als sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB, um die Zwangsnichtigkeit auszuschließen und dem getäuschten eben die Option der Nichtanfechtung zu lassen.immer locker bleiben hat geschrieben:Äh, doch, schon. § 823 Abs. 2 iVm § 263 StGB oder § 240 StGB und § 826 liegen jedenfalls nahe genug, um diese mal sorgfältig zu prüfen, bevor man sie verneint.
Woher kommt denn das plötzliche Interesse an § 123 BGB, dass hier gleich drei Threads aufgemacht werden?
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Re: Sittenwidrigkeit?
Das ist mit Blick auf § 138 BGB grundsätzlich richtig. Treten keine besonderen Umstände hinzu, führt eine arglistige Täuschung nur zur Anfechtbarkeit und nicht zur Nichtigkeit, weil andernfalls die Wertung des § 123 BGB unterlaufen würde. Außerdem macht eine arglistige Täuschung das Rechtsgeschäft in der Regel auch nicht als solches sittenwidrig.
Bei § 826 BGB könnte man die Frage dann aber auch wieder anders beantworten, weil der Tatbestand nicht auf das Rechtsgeschäft als solches abzielt.
Zudem kann in krassen Fällen einer arglistigen Täuschung auch eine Anwendung von § 138 BGB geboten sein, um den arglistig Getäuschten zu schützen. Andernfalls wäre das Rechtsgeschäft nämlich erst einmal wirksam und bliebe es auch, sobald die Anfechtungsfrist nach § 124 I BGB verstrichen ist.
Bei § 826 BGB könnte man die Frage dann aber auch wieder anders beantworten, weil der Tatbestand nicht auf das Rechtsgeschäft als solches abzielt.
Zudem kann in krassen Fällen einer arglistigen Täuschung auch eine Anwendung von § 138 BGB geboten sein, um den arglistig Getäuschten zu schützen. Andernfalls wäre das Rechtsgeschäft nämlich erst einmal wirksam und bliebe es auch, sobald die Anfechtungsfrist nach § 124 I BGB verstrichen ist.
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Re: Sittenwidrigkeit?
Kannst du erklären, wieso dieser besondere Schutz erforderlich ist? Die Frist beginnt doch erst mit Bekanntwerden der Täuschung.Honigkuchenpferd hat geschrieben:Das ist mit Blick auf § 138 BGB grundsätzlich richtig. Treten keine besonderen Umstände hinzu, führt eine arglistige Täuschung nur zur Anfechtbarkeit und nicht zur Nichtigkeit, weil andernfalls die Wertung des § 123 BGB unterlaufen würde. Außerdem macht eine arglistige Täuschung das Rechtsgeschäft in der Regel auch nicht als solches sittenwidrig.
Bei § 826 BGB könnte man die Frage dann aber auch wieder anders beantworten, weil der Tatbestand nicht auf das Rechtsgeschäft als solches abzielt.
Zudem kann in krassen Fällen einer arglistigen Täuschung auch eine Anwendung von § 138 BGB geboten sein, um den arglistig Getäuschten zu schützen. Andernfalls wäre das Rechtsgeschäft nämlich erst einmal wirksam und bliebe es auch, sobald die Anfechtungsfrist nach § 124 I BGB verstrichen ist.
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Re: Sittenwidrigkeit?
Eben, drum ...Honigkuchenpferd hat geschrieben:Bei § 826 BGB könnte man die Frage dann aber auch wieder anders beantworten, weil der Tatbestand nicht auf das Rechtsgeschäft als solches abzielt.
(§ 138 BGB hatte ich ja auch nicht erwähnt )
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Re: Sittenwidrigkeit?
Nicht jedem Bürger ist bekannt, dass es eine solche Frist gibt. Es kann deshalb gerade bei komplexeren Verträgen durchaus vorkommen, dass zwischen dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung und einem Anfechtungswunsch bzw. der Anfechtungserklärung mehr als ein Jahr liegt. Daneben greift nach § 124 III BGB eine Ausschlussfrist von zehn Jahren, bei der die Kenntnis irrelevant ist.Samson hat geschrieben:Kannst du erklären, wieso dieser besondere Schutz erforderlich ist? Die Frist beginnt doch erst mit Bekanntwerden der Täuschung.
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Re: Sittenwidrigkeit?
@ Honigkuchenpferd
Dein Vorschlag, in Einzelfällen zum Schutz des Getäuschten bei arglistiger Täuschung § 138 und damit Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts anzunehmen, bedarf es gar nicht - auch nicht wegen drohenden Fristversäumnises der Anfechtungsfrist.
Denn bei einer arglistigen Täuschung hat der Getäuschte nicht nur die Möglichkeit der wegen § 124 fristgebundenen Anfechtung, sondern auch die Möglichkeit nach § 826 Schadensersatz zu verlangen. Wegen der Naturalrestitution (§ 249) kommt es zu einer "Quasianfechtung", weil der Geschädigte (= der Getäuschte) den Anspruch hat so gestellt zu werden, wie er ohne schädigendes Ereignis (= Täuschung) stünde. Das bedeutet, so gestellt zu werden, als wäre kein Vertrag zu Stande gekommen.
§ 826 unterliegt der regelmäßigen Verjährung (§ 195) von drei Jahren. Die Frist beginnt erst nach § 199 erst mit dem Schluss des Jahres in dem der Anspruch entstanden ist + Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände und Kenntnis vom Schuldner.
Und zu Guter Letzt: Selbst wenn § 826 nach diesen Regeln verjährt ist, bestimmt die Arglisteinrede nach § 853, dass die Einrede, arglistig getäuscht worden zu sein und deshalb nicht leisten zu müssen, auch dann noch geltend gemacht werden kann, wenn § 826 verjährt ist. Wegen § 853 bedarf es § 138 nicht.
Dein Vorschlag, in Einzelfällen zum Schutz des Getäuschten bei arglistiger Täuschung § 138 und damit Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts anzunehmen, bedarf es gar nicht - auch nicht wegen drohenden Fristversäumnises der Anfechtungsfrist.
Denn bei einer arglistigen Täuschung hat der Getäuschte nicht nur die Möglichkeit der wegen § 124 fristgebundenen Anfechtung, sondern auch die Möglichkeit nach § 826 Schadensersatz zu verlangen. Wegen der Naturalrestitution (§ 249) kommt es zu einer "Quasianfechtung", weil der Geschädigte (= der Getäuschte) den Anspruch hat so gestellt zu werden, wie er ohne schädigendes Ereignis (= Täuschung) stünde. Das bedeutet, so gestellt zu werden, als wäre kein Vertrag zu Stande gekommen.
§ 826 unterliegt der regelmäßigen Verjährung (§ 195) von drei Jahren. Die Frist beginnt erst nach § 199 erst mit dem Schluss des Jahres in dem der Anspruch entstanden ist + Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände und Kenntnis vom Schuldner.
Und zu Guter Letzt: Selbst wenn § 826 nach diesen Regeln verjährt ist, bestimmt die Arglisteinrede nach § 853, dass die Einrede, arglistig getäuscht worden zu sein und deshalb nicht leisten zu müssen, auch dann noch geltend gemacht werden kann, wenn § 826 verjährt ist. Wegen § 853 bedarf es § 138 nicht.
"Ob dagegen aus einer Kreuzung von Mensch und Tier gezeugte Wesen (Chimären) Träger der Menschenwürde sein können , wird man mit Erleichterung als derzeit inaktuell bezeichnen können"
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Re: Sittenwidrigkeit?
Ich finde diese Gegenargumente zwar gelungen, sie greifen aber m.E. im Ergebnis nicht vollständig durch. Das setzt nämlich voraus, dass ein Anspruch aus § 826 BGB tatsächlich immer besteht, was aber schadensrechtlich zweifelhaft sein kann. Zudem unterliegt auch § 826 BGB einer Verjährungshöchstfrist. Selbst wenn § 853 BGB hier hilft, bleibt er in seiner rechtlichen Wirkung hinter der Nichtigkeit nach § 138 BGB zurück.
Darüber hinaus bleibt die Lösung über § 826 BGB insgesamt zumindest insofern hinter derjenigen über § 138 BGB zurück, als sie ein Tätigwerden des arglistig Getäuschten voraussetzt.
Im Ergebnis ist es auch anerkannt, dass § 138 BGB in besonderen Konstellationen auch beim Vorliegen einer arglistigen Täuschung greifen kann, sofern das Rechtsgeschäft als Ganzes einen sittenwidrigen Charakter gewinnt (vgl. MüKo/Armbrüster, § 123 Rn. 88).
Darüber hinaus bleibt die Lösung über § 826 BGB insgesamt zumindest insofern hinter derjenigen über § 138 BGB zurück, als sie ein Tätigwerden des arglistig Getäuschten voraussetzt.
Im Ergebnis ist es auch anerkannt, dass § 138 BGB in besonderen Konstellationen auch beim Vorliegen einer arglistigen Täuschung greifen kann, sofern das Rechtsgeschäft als Ganzes einen sittenwidrigen Charakter gewinnt (vgl. MüKo/Armbrüster, § 123 Rn. 88).
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