Prozesskostenhilfe - Berechnung Vermögen?

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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Gelöschter Nutzer

Prozesskostenhilfe - Berechnung Vermögen?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ich befasse mich gerade mit den §§ 114 ff. ZPO, habe aber eine Frage zu dem anzurechnenden Vermögen (§ 115 III ZPO) im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung:

Namentlich ist mir nicht ganz klar, ob auch Streitgegenstände selbst hierbei zu berücksichtigen sind bzw. ggf. wie das dann konkret funktionieren soll.

Beispiele:

A verklagt B auf Herausgabe eines teuren Autos (§ 985 BGB), B ist i.Ü. vermögens- und einkommenslos.

A ficht ein Testament an, das B begünstigt. B hat Vermögen aufgrund des Erbfalls erlangt, ist aber i.Ü. vermögenslos.

A verklagt B auf Zahlung von konkreten 500.000 € (d.h. ohne § 948 BGB) iSv , die B dem A schulden soll. Abgesehen von dieser Geldsumme, die auf einem eigenen Konto liegt, ist B vermögenslos.


---

Musielak/Voit, § 115 ZPO Rn. 51 schreibt dazu, "Grundsätzlich werden Ansprüche, die erst im Prozess durchgesetzt werden sollen, nicht berücksichtigt.". Das macht natürlich Sinn. Immerhin ist der Anspruch vor einem rechtskräftigen Urteil faktisch nicht durchsetzbar und dem Kläger würde andernfalls praktisch die Möglichkeit genommen, das Geld einzutreiben.

Allerdings ist mir unklar, ob man hieraus eine allgemeine Aussage über die Berücksichtigung des Streitgegenstandes ableiten kann. Der Gesetzeswortlaut erscheint mir insoweit nicht wirklich hilfreich. Andere Kommentare waren wenig ergiebig, was aber auch meinen fehlenden ZPO-Kenntnissen geschuldet sein mag.

Meine eigenen Gedanken zu der Frage:

-- Einerseits erscheint es merkwürdig, tatsächliches gegenwärtiges Vermögen des Beklagten unberücksichtigt zu lassen, nur weil der Kläger hierauf abzielt. So ist etwa der (mglw.) Eigentümer der 500.000 € oder der mögliche Erbe faktisch gerade nicht vermögenslos.

-- Andererseits wäre es seltsam, wenn B in Bsp. 1 gezwungen wäre, auf den Streitgegenstand selbst zurückzugreifen; auch wenn hier konkret natürlich die "Unzumutbarkeitsklausel" greifen könnte.

-- Vor allem aber steht vor der gerade im jeweiligen Verfahren (für das ja PKH beantragt wird) noch durchzuführenden rechtlichen Prüfung ja noch überhaupt nicht (endgültig) fest, ob der Streitgegenstand nun dem Vermögen des Betreffenden zuzuordnen ist.


--------

Gibt es dazu eine allgemeine Regel oder gilt schlicht, dass auch der Streitgegenstand mitberücksichtigt wird, von kleineren möglichen Ausnahmen abgesehen?
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Re: Prozesskostenhilfe - Berechnung Vermögen?

Beitrag von immer locker bleiben »

Suchender_ hat geschrieben:Ich befasse mich gerade mit den §§ 114 ff. ZPO, habe aber eine Frage zu dem anzurechnenden Vermögen (§ 115 III ZPO) im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung:

Namentlich ist mir nicht ganz klar, ob auch Streitgegenstände selbst hierbei zu berücksichtigen sind bzw. ggf. wie das dann konkret funktionieren soll.

Beispiele:

A verklagt B auf Herausgabe eines teuren Autos (§ 985 BGB), B ist i.Ü. vermögens- und einkommenslos.

A ficht ein Testament an, das B begünstigt. B hat Vermögen aufgrund des Erbfalls erlangt, ist aber i.Ü. vermögenslos.

A verklagt B auf Zahlung von konkreten 500.000 € (d.h. ohne § 948 BGB) iSv , die B dem A schulden soll. Abgesehen von dieser Geldsumme, die auf einem eigenen Konto liegt, ist B vermögenslos.


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Musielak/Voit, § 115 ZPO Rn. 51 schreibt dazu, "Grundsätzlich werden Ansprüche, die erst im Prozess durchgesetzt werden sollen, nicht berücksichtigt.". Das macht natürlich Sinn. Immerhin ist der Anspruch vor einem rechtskräftigen Urteil faktisch nicht durchsetzbar und dem Kläger würde andernfalls praktisch die Möglichkeit genommen, das Geld einzutreiben.

Allerdings ist mir unklar, ob man hieraus eine allgemeine Aussage über die Berücksichtigung des Streitgegenstandes ableiten kann. Der Gesetzeswortlaut erscheint mir insoweit nicht wirklich hilfreich. Andere Kommentare waren wenig ergiebig, was aber auch meinen fehlenden ZPO-Kenntnissen geschuldet sein mag.

Meine eigenen Gedanken zu der Frage:

-- Einerseits erscheint es merkwürdig, tatsächliches gegenwärtiges Vermögen des Beklagten unberücksichtigt zu lassen, nur weil der Kläger hierauf abzielt. So ist etwa der (mglw.) Eigentümer der 500.000 € oder der mögliche Erbe faktisch gerade nicht vermögenslos.

-- Andererseits wäre es seltsam, wenn B in Bsp. 1 gezwungen wäre, auf den Streitgegenstand selbst zurückzugreifen; auch wenn hier konkret natürlich die "Unzumutbarkeitsklausel" greifen könnte.

-- Vor allem aber steht vor der gerade im jeweiligen Verfahren (für das ja PKH beantragt wird) noch durchzuführenden rechtlichen Prüfung ja noch überhaupt nicht (endgültig) fest, ob der Streitgegenstand nun dem Vermögen des Betreffenden zuzuordnen ist.


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Gibt es dazu eine allgemeine Regel oder gilt schlicht, dass auch der Streitgegenstand mitberücksichtigt wird, von kleineren möglichen Ausnahmen abgesehen?
Musielak meint aber erst noch einzuklagende Forderungen des Bedürftigen. Also A (bedürftiger Kläger) hat Ansprüche gegenüber B, die erst noch eingeklagt werden müssten. Bilanziell handelt es sich um eine Forderung des A. Diese ist - da sie erst noch eingeklagt werden müsste - bei der Bewertung nach § 115 nicht zu berücksichtigten. Auf das von Dir genannte umgekehrte Beispiel (der bedürftige Beklagte B hat Vermögen, könnte dieses aber in Folge des Prozess verlieren) ist die Fundstelle bei Musielak nicht anwendbar. Hier gibt es aus meiner Sicht auch keine Zweifel, das Vermögen muss eingesetzt werden. Anderenfalls würde die Staatskasse letztlich dem nicht bedürftigen Kläger A das Durchsetzungsrisiko seiner Forderung abnehmen, was weder geboten noch einzusehen wäre. Sollte die Forderung des A erkennbar berechtigt sein, wäre die PKH aus einem anderen Grund, nämlich nach § 114 Abs. 2 ZPO, abzulehnen. Ist die Forderung unberechtigt und die Verteidigung des B nicht mutwillig, muss das Vermögen, um das es geht, auch eingesetzt werden.
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Gelöschter Nutzer

Re: Prozesskostenhilfe - Berechnung Vermögen?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

immer locker bleiben hat geschrieben:Musielak meint aber erst noch einzuklagende Forderungen des Bedürftigen. Also A (bedürftiger Kläger) hat Ansprüche gegenüber B, die erst noch eingeklagt werden müssten. Bilanziell handelt es sich um eine Forderung des A. Diese ist - da sie erst noch eingeklagt werden müsste - bei der Bewertung nach § 115 nicht zu berücksichtigten. Auf das von Dir genannte umgekehrte Beispiel (der bedürftige Beklagte B hat Vermögen, könnte dieses aber in Folge des Prozess verlieren) ist die Fundstelle bei Musielak nicht anwendbar. Hier gibt es aus meiner Sicht auch keine Zweifel, das Vermögen muss eingesetzt werden. Anderenfalls würde die Staatskasse letztlich dem nicht bedürftigen Kläger A das Durchsetzungsrisiko seiner Forderung abnehmen, was weder geboten noch einzusehen wäre. Sollte die Forderung des A erkennbar berechtigt sein, wäre die PKH aus einem anderen Grund, nämlich nach § 114 Abs. 2 ZPO, abzulehnen. Ist die Forderung unberechtigt und die Verteidigung des B nicht mutwillig, muss das Vermögen, um das es geht, auch eingesetzt werden.
Das klingt recht überzeugend, habe dazu aber leider keine Quelle gefunden. Vielleicht wären Praxishandbücher hilfreich? Kommentare erscheinen insoweit nicht ergiebig.

Etwas merkwürdig erscheinen nur folgende Aspekte:

Erstens erscheint es seltsam, den Beklagten insoweit "schlechter zu stellen" nur aufgrund des Zufalls, bei wem der Streitgegenstand sich gerade befindet. Denn es steht in allen diesen Beispielen - mangels Entscheidung - ja noch gerade nicht fest, dass es sich tatsächlich um Vermögen des Beklagten handelt. Genügt es, allein auf "bilanzielle" Erwägungen abzustellen?

Zweitens und vor allem hätte diese Betrachtungsweise doch zur Folge, dass der Beklagte den Prozess zwar zunächst aus dem Streitgegenstand finanzieren könnte. Im Falle des Unterliegens müsste er dann aber sämtliche Kosten plötzlich aus seinem eigenen (sonstigen, d.h. nicht existenten) Vermögen bestreiten (§ 91 ZPO). Das erscheint mir allerdings fragwürdig, denn der Kläger trüge ein derartiges Risiko nicht.

Beispiel (vgl. oben):

Der i.Ü. vermögenslose A verklagt den i.Ü. vermögenslosen B auf Herausgabe von 500.000 € (§ 985 BGB/Leistungsklage). A und B beantragen beide PKH. Dem A wird sie gewährt (vgl. Musielak), dem B verwehrt (s. deine Erwägungen).

Folgende Szenarien:

1. A obsiegt.
- A erhält die 500.000 €, ggf. gemindert um bisherige Ausgaben des B.
- B muss sämtliche Kosten tragen

2. B obsiegt
- B behält die 500.000 €
- A muss nur (!) die Anwaltskosten der Gegenseite tragen (§ 123 ZPO)

D.h. das Risiko für B ist bedeutend höher, obwohl beide Parteien unabhängig von dem Streitgegenstand mittellos sind, bloß aufgrund des Zufalls, dass sich der Gegenstand zunächst bei B befand.
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Re: Prozesskostenhilfe - Berechnung Vermögen?

Beitrag von immer locker bleiben »

Suchender_ hat geschrieben:
immer locker bleiben hat geschrieben:Musielak meint aber erst noch einzuklagende Forderungen des Bedürftigen. Also A (bedürftiger Kläger) hat Ansprüche gegenüber B, die erst noch eingeklagt werden müssten. Bilanziell handelt es sich um eine Forderung des A. Diese ist - da sie erst noch eingeklagt werden müsste - bei der Bewertung nach § 115 nicht zu berücksichtigten. Auf das von Dir genannte umgekehrte Beispiel (der bedürftige Beklagte B hat Vermögen, könnte dieses aber in Folge des Prozess verlieren) ist die Fundstelle bei Musielak nicht anwendbar. Hier gibt es aus meiner Sicht auch keine Zweifel, das Vermögen muss eingesetzt werden. Anderenfalls würde die Staatskasse letztlich dem nicht bedürftigen Kläger A das Durchsetzungsrisiko seiner Forderung abnehmen, was weder geboten noch einzusehen wäre. Sollte die Forderung des A erkennbar berechtigt sein, wäre die PKH aus einem anderen Grund, nämlich nach § 114 Abs. 2 ZPO, abzulehnen. Ist die Forderung unberechtigt und die Verteidigung des B nicht mutwillig, muss das Vermögen, um das es geht, auch eingesetzt werden.
Das klingt recht überzeugend, habe dazu aber leider keine Quelle gefunden. Vielleicht wären Praxishandbücher hilfreich? Kommentare erscheinen insoweit nicht ergiebig.

Etwas merkwürdig erscheinen nur folgende Aspekte:

Erstens erscheint es seltsam, den Beklagten insoweit "schlechter zu stellen" nur aufgrund des Zufalls, bei wem der Streitgegenstand sich gerade befindet. Denn es steht in allen diesen Beispielen - mangels Entscheidung - ja noch gerade nicht fest, dass es sich tatsächlich um Vermögen des Beklagten handelt.
Doch, das steht fest, es ist einer der beiden Parteien nur noch nicht klar. Der Beklagte steht deswegen auch nicht schlechter. Ist er im Recht, bekommt er die Kosten von der Gegenseite. Sollte diese selbst diese Kosten nicht ersetzen können, hat er Pech. Bedürftig war und ist er ja nicht, denn das Vermögen ist ja seines.

Ist er klar im Unrecht, ist die PKH nach § 114 Abs. 2 ZPO zu versagen.

Dass er ihm zustehende, aber noch nicht realisierte Forderungen nicht einsetzen muss, ist eine Ausnahme, die Ihren Grund schlicht darin hat, dass er dieses Vermögen rein tatsächlich nicht einsetzen kann. Diese Ausnahme macht aber die Regel an sich nicht ungerecht. Mit dem "Streitgegenstand" und wo dieser sich befindet, hat das eigentlich überhaupt nichts zu tun. Im übrigen gilt für den Fall der erfolgreichen gerichtlichen Durchsetzung des streitigen Anspruchs § 120a Abs. 2 und 3 ZPO. Wenn der bedürftige Kläger die streitige Forderung erfolgreich durchsetzt, und die Gerichts- und Anwaltskosten nicht durch den Gegner beglichen wurden, kann er doch noch selbst die Kosten tragen müssen.
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Gelöschter Nutzer

Re: Prozesskostenhilfe - Berechnung Vermögen?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

immer locker bleiben hat geschrieben: Doch, das steht fest, es ist einer der beiden Parteien nur noch nicht klar.
Aber um Vermögen des Beklagten handelt es sich (im Falle des Unterliegens) ja gerade nicht...
Ist er klar im Unrecht, ist die PKH nach § 114 Abs. 2 ZPO zu versagen.
Sicher, aber häufig ist es ja gerade nicht klar, ob er im Unrecht ist.

Problematisch bzw. seltsam erscheint mir letztlich insbesondere ein zentraler Aspekt:

Wer bedürftig ist, erhält PKH. Wer PKH erhält, bekommt nicht nur Geld vorgestreckt, sondern trägt v.a. auch ein viel geringeres Kostenrisiko im Falle des Unterliegens.

Wer allerdings - nach deiner Betrachtungsweise - bilanziell bzw. ex ante als nicht bedürftig gilt, obwohl er dies ex post von Anfang an tatsächlich war (und obwohl gerade diese Frage noch nicht gerichtlich geklärt wurde, sondern Gegenstand des Prozesses ist), muss i.E. sämtliche Kosten tragen. Und das obwohl seine Vermögenslosigkeit mit deinen Worten von Anfang an "fest steht".

Dieses Ergebnis erscheint zumindest merkwürdig.
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Re: Prozesskostenhilfe - Berechnung Vermögen?

Beitrag von immer locker bleiben »

Suchender_ hat geschrieben:
immer locker bleiben hat geschrieben: Doch, das steht fest, es ist einer der beiden Parteien nur noch nicht klar.
Aber um Vermögen des Beklagten handelt es sich (im Falle des Unterliegens) ja gerade nicht...
Ist er klar im Unrecht, ist die PKH nach § 114 Abs. 2 ZPO zu versagen.
Sicher, aber häufig ist es ja gerade nicht klar, ob er im Unrecht ist.

Problematisch bzw. seltsam erscheint mir letztlich insbesondere ein zentraler Aspekt:

Wer bedürftig ist, erhält PKH. Wer PKH erhält, bekommt nicht nur Geld vorgestreckt, sondern trägt v.a. auch ein viel geringeres Kostenrisiko im Falle des Unterliegens.

Wer allerdings - nach deiner Betrachtungsweise - bilanziell bzw. ex ante als nicht bedürftig gilt, obwohl er dies ex post von Anfang an tatsächlich war (und obwohl gerade diese Frage noch nicht gerichtlich geklärt wurde, sondern Gegenstand des Prozesses ist), muss i.E. sämtliche Kosten tragen. Und das obwohl seine Vermögenslosigkeit mit deinen Worten von Anfang an "fest steht".

Dieses Ergebnis erscheint zumindest merkwürdig.
Wir haben eine erkennende Rechtsprechung. Die Rechtslage ist klar und steht fest, auch wenn eine Partei sie noch nicht verstanden hat; das Recht wird vom Gericht nicht erst zugeteilt, sondern nur "erkannt". Die Frage einer Ex-Ante oder einer Ex-Post Betrachtung stellt sich insoweit nicht. Im Moment der Beantragung der PKH berühmt sich doch Dein Beispiel-Beklagter des Rechts am streitbefangenen Vermögen. Dann muss er dieses auch einsetzen, um die Kosten die Rechtsstreits zu decken. Das Risiko, sich bei der Einschätzung der eigenen Rechtsposition im Irrtum zu befinden, muss letztlich jeder selber tragen.
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