Schenkungsvertrag und Eigentumsverschaffung

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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UltimaSpes
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Schenkungsvertrag und Eigentumsverschaffung

Beitrag von UltimaSpes »

Kennt ihr ein Beispiel dafür, dass ein Schenkungsvertrag i.S.v. § 516 I vorliegt, obwohl nicht zwischen den Parteien vereinbart wird, dass Eigentum an der Sache vom Schenker auf den Beschenkten (im späteren Vollzugsakt) übertragen werden soll?

Beispiel: A überlässt B ein Fahrzeug dauerhaft und unentgeltlich. Eine Eigenbedarfskündigung schließt er aus.

Hier könnte man ja eine "Quasi-Schenkung" (ohne gewollte Eigentumsübertragung) des A an B annehmen. Wenn man sich jedoch folgendes BGH-Urteil durchliest ("Vorliegen eines Leihvertrags bei Überlassung einer Wohnung auf Lebenszeit"), ist im Beispielsfall eher ein Leihvertrag zwischen A und B anzunehmen. [http://lorenz.userweb.mwn.de/urteile/bghz82_354.htm]


Meine Frage ist daher, ob entscheidend für das Vorliegen eines Schenkungsvertrags ist, dass der Schenker (im späteren Vollzugsakt) sein Eigentum übertragen will?
Einerseits geht das meiner Meinung nach nicht aus dem Wortlaut von § 516 I hervor, aber andererseits fällt mir kein Gegenbeispiel ein.
Honigkuchenpferd
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Re: Schenkungsvertrag und Eigentumsverschaffung

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Gegenstand der Zuwendung im Rahmen eines Schenkungsvertrages kann theoretisch auch die (vorübergehende) Einräumung von Rechten aller Art sein, doch werden zeitlich befristete Nutzungsrechte hiervon ausgenommen. Andernfalls würdest du ganz schnell bei jeder Leihe, die eine spezielle Regelung erfahren hat, stattdessen beim Schenkungsrecht landen.

In deinem Fall wäre konkret noch immer eine Kündigung aus wichtigem Grund möglich. Deshalb passt die Annahme einer Schenkung nicht.

Denkbar wäre eine Schenkung, die nicht auf Eigentumsübertragung gerichtet ist, z.B. bei Grunddienstbarkeiten oder der Einräumung eines Fruchtziehungsrechts i.S.d. § 956 BGB.
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Re: Schenkungsvertrag und Eigentumsverschaffung

Beitrag von UltimaSpes »

Dankeschön!
Honigkuchenpferd hat geschrieben: Denkbar wäre eine Schenkung, die nicht auf Eigentumsübertragung gerichtet ist, z.B. bei Grunddienstbarkeiten oder der Einräumung eines Fruchtziehungsrechts i.S.d. § 956 BGB.
Könntest du dazu bitte ein konkretes Beispiel nennen?
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Re: Schenkungsvertrag und Eigentumsverschaffung

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Ich bin Eigentümer eines großen Grundstücks, das gut an die Autobahn angebunden ist; du hast daneben ein kleines Grundstück und musst ewig fahren, bis du zur Autobahn kommst.

Ich schenke dir als Grunddienstbarkeit i.S.d. § 1018 I BGB ein Wegerecht an meinem Grundstück.
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Re: Schenkungsvertrag und Eigentumsverschaffung

Beitrag von UltimaSpes »

Ist es auch dann eine Schenkung, wenn du mir das Wegerecht nur für fünf Jahre einräumst?

Denn das habe ich noch nicht ganz verstanden. Oben hast du ja geschrieben, dass einerseits auch die vorübergehende Einräumung eines Rechts unter den Begriff der Zuwendung fällt und damit als Schenkung aufzufassen ist, allerdings nicht wenn es sich dabei um ein zeitlich befristetes Nutzungsrecht handelt.
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Re: Schenkungsvertrag und Eigentumsverschaffung

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Ich würde auch dann von einer Schenkung ausgehen, wenn es sich um eine befristet bestellte Grunddienstbarkeit handelt. Das liegt dann aber speziell an der Gestaltung als Grunddienstbarkeit.
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Re: Schenkungsvertrag und Eigentumsverschaffung

Beitrag von UltimaSpes »

Kann man denn dann sagen, Merkmal der "Zuwendung" i.S.v. § 516 I ist, dass zumindest vorübergehend eine unwiederbringliche Vermögensverschiebung eintritt?


In deinem Beispielsfall wäre das ja zu bejahen, da das Wegerecht in jedem Fall für fünf Jahre besteht.

In meinem Beispielsfall mit dem Fahrzeug wäre es zu verneinen, weil - wie du schon geschrieben hast - noch eine Kündigung aus wichtigem Grund infrage kommt (also nicht unwiederbringlich).
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Tibor
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Re: Schenkungsvertrag und Eigentumsverschaffung

Beitrag von Tibor »

Ganz so klar ist das nicht, wenn man mal in einen Kommentar schaut:
Koch in Müko, 7. Aufl. 2016, § 516 Rn. 7 mwN zur Rspr hat geschrieben:Umstritten ist, ob auch eine dauerhafte Gebrauchsüberlassung als Entreicherung iSd § 516 anzusehen ist. Diese Frage stellt sich namentlich bei der häufiger anzutreffenden Vereinbarung eines unentgeltlichen schuldrechtlichen Wohnrechts auf Lebenszeit. Insofern besteht in der früher kontrovers diskutierten Frage nach der Rechtsnatur des Vertrages mittlerweile weitgehend Einigkeit, dass dieser nicht als Schenkung, sondern als Leihe anzusehen ist, weil der Vermögensgegenstand nicht endgültig der Substanz nach aus dem Vermögen des Eigentümers ausscheidet.
Diskutiert wird ferner, ob § 518 dann wohl analog anzuwenden sei, weil die Regelungen der Leihe auf "kurzfristige" Gebrauchsüberlassung angelegt sind.
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Re: Schenkungsvertrag und Eigentumsverschaffung

Beitrag von UltimaSpes »

Danke dir für den Auszug.

Dann scheint es aber doch zumindest h.M. zu sein ("...weitgehend Einigkeit, dass dieser nicht als Schenkung, sondern als Leihe anzusehen, weil der Vermögensgegenstand nicht endgültig (...) aus dem Vermögen des Eigentümers ausscheidet.").
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Re: Schenkungsvertrag und Eigentumsverschaffung

Beitrag von UltimaSpes »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:Ich würde auch dann von einer Schenkung ausgehen, wenn es sich um eine befristet bestellte Grunddienstbarkeit handelt. Das liegt dann aber speziell an der Gestaltung als Grunddienstbarkeit.
Wobei mir gerade einfällt, dass man auch ein Wegerecht als Dauerschuldverhältnis auffassen kann. Damit wäre hier ebenfalls eine Kündigung aus wichtigem Grund nach § 314 BGB denkbar und keine unwiederbringliche Vermögensverschiebung gegeben, also keine Schenkung - wenn man sich auf das Merkmal der zumindest vorübergehenden Unwiederbringlichkeit bei der Schenkung einigt.
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Re: Schenkungsvertrag und Eigentumsverschaffung

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Ich habe das Beispiel in Gestalt der Grunddienstbarkeit schon absichtlich mit einem dinglichen Recht gebildet.
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Re: Schenkungsvertrag und Eigentumsverschaffung

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Aus dem Großkommentar von Beck (Rn. 25 ff.):
Schwieriger als die Übertragung von Rechten und der Verzicht auf sie ist die Einräumung von Rechten zu beurteilen, die nicht schon vorhanden sind, sondern erst neu in der Person des Begünstigten entstehen sollen. Hier liegt zunächst nahe, sie stets dem Schenkungsrecht zu unterstellen, wenn sie die Rechtsgewährung ohne Gegenleistung erfolgt, weil man bei einem entgeltlichen Erwerb der Rechte auch versucht ist, einen Kaufvertrag anzunehmen. Dies betrifft vor allem dingliche Nutzungsrechte sowie die ihnen vergleichbaren Lizenzen, durch die ihr Inhaber ein Nutzungsrecht an einem Immaterialgüterrecht erwirbt. Verfällt man hier vorschnell auf das Kauf- und Schenkungsrecht, unterliegt man jedoch einem Trugschluss aus der Art und Weise, wie der Vertrag dinglich durchgeführt wird, auf den schuldrechtlichen Gehalt der Abrede. Ein dingliches Nutzungsrecht oder eine Lizenz dienen, wenn sie nur zeitweilig, und sei es auf Lebenszeit des Berechtigten, eingeräumt werden, lediglich der Überlassung der hiervon betroffenen Sache oder des Rechts. Dementsprechend sind die einschlägigen schuldrechtlichen Vertragsarten, wenn die Nutzungsrechte entgeltlich eingeräumt werden, der Miet- und Pachtvertrag. Und wenn die Rechte unentgeltlich verschafft werden sollen, hat man es im Fall eines Gebrauchsrechts mit einem Leihvertrag und, wenn dem Berechtigten auch die Fruchtziehung gestattet sein soll, mit einem leihähnlichen Verhältnis zu tun.

Dass die schuldrechtliche Vereinbarung bei Annahme eines Leih- oder leihähnlichen Vertrags vom Formgebot des § 518 ausgenommen wird, ist praktisch kaum relevant, da der Abschluss des Schuldvertrags ohnehin in aller Regel mit der Rechtseinräumung zusammenfällt und deshalb auch bei Annahme einer Schenkung ein formfreies Handgeschäft nach Abs. 1 vorläge. Konsequenzen hat die Zuordnung zum Leihvertrag nur insofern, als an die Stelle der Widerrufsrechte des Schenkungsrechts die Kündigungsrechte nach § 605 treten. Ebenso wie die Widerrufsrechte kommen sie aber auch nur in Ausnahmefällen zum Zuge, weil sie von den Vereinbarungen über die Dauer des Nutzungsrechts überlagert werden, die nicht nur für das Nutzungsrecht selbst, sondern zwangsläufig auch für das zugrunde liegende Leihverhältnis gelten. Kommt es schließlich zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage, bedeutet es einen rein technischen Unterschied, ob die Auflösung des Vertrags durch Rücktritt oder Kündigung erfolgt.

Scheiden zeitlich befristete Nutzungsrechte aus dem Kreis der Schenkungsobjekte aus, bleibt für die Annahme eines Schenkungsvertrags noch in den Fällen Raum, in denen die Nutzungsrechte ihrem Inhaber und seinem Rechtsnachfolger für immer zustehen sollen. Der Fall ist dies bei Grunddienstbarkeiten, die, wenn der Eigentümer des herrschenden Grundstücks eine Gegenleistung in Form einer Geldzahlung oder einer gegenläufigen Rechtseinräumung leistet, Gegenstand eines Kauf- oder Tauschvertrags und im Fall ihrer unentgeltlichen Begründung Objekt einer Schenkung sind. Dasselbe gilt für ein isoliert gewährtes Fruchtziehungsrecht nach § 956, wenn es sich mangels zugrunde liegenden Nutzungsrechts an der Muttersache nicht als Ausfluss von deren Überlassung deuten lässt. Da es folglich auch nicht an ihren Besitz gebunden ist, findet die Zuwendung als Handschenkung nach Abs. 1 hier schon mit der Aneignungsgestattung selbst statt; diese stellt nicht etwa ein formpflichtiges Schenkungsversprechen dar, das zu seinem Vollzug noch einer Besitzeinräumung bedürfte.
Zur Frage der Befristung findet man dort aber leider auch nichts.
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Re: Schenkungsvertrag und Eigentumsverschaffung

Beitrag von UltimaSpes »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:Ich habe das Beispiel in Gestalt der Grunddienstbarkeit schon absichtlich mit einem dinglichen Recht gebildet.
Aber kann man die Besitzüberlassung im Rahmen der Leihe nicht auch als dingliches Nutzungsrecht ansehen?
Ich glaube nämlich, dass dies umstritten ist, ob man dem Besitz eine solch dingliche Wirkung beimisst oder ihn nur als tatsächliches Merkmal sieht.


PS: Übrigens habe ich gerade in einem Lehrbuch gelesen, dass auch der Erlass einer Forderung als Zuwendung begriffen werden kann. Das wäre als auch noch ein Beispiel dafür, dass die Zuwendung nicht immer auf spätere Eigentumsverschaffung gerichtet sein muss.
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Re: Schenkungsvertrag und Eigentumsverschaffung

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Nun ja, es ist zu Recht ganz h.M., dass die Einordnung des Besitzes als dingliches Recht verfehlt ist. Wenn man so etwas vertritt, bringt man sich halt selbst in größte Schwierigkeiten.

Abgesehen davon besteht bei der Leihe ja gar keine Notwendigkeit, dem noch einmal in Form des Schenkungsrechts eine schuldrechtliche causa überzustülpen.
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Re: Schenkungsvertrag und Eigentumsverschaffung

Beitrag von UltimaSpes »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:Nun ja, es ist zu Recht ganz h.M., dass die Einordnung des Besitzes als dingliches Recht verfehlt ist. Wenn man so etwas vertritt, bringt man sich halt selbst in größte Schwierigkeiten.
Da hast du wohl Recht.
Honigkuchenpferd hat geschrieben:Abgesehen davon besteht bei der Leihe ja gar keine Notwendigkeit, dem noch einmal in Form des Schenkungsrechts eine schuldrechtliche causa überzustülpen.
Für den Fall der "Versprechensleihe" schon, also wenn ich mit jemandem vereinbare, dass ich ihm mein Fahrrad ausleihe, es ihm aber erst morgen übergebe.
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