Gutgläubiger Erwerb vom vermeintlichen Erben

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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Clypeus
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Gutgläubiger Erwerb vom vermeintlichen Erben

Beitrag von Clypeus »

Moinsen,
Ich verstehe irgendwie folgende Falllösung nicht. In den Kommentaren wird sie als selbstverständlich hingestellt und irgendwie habe ich den Eindruck, dass ich eine kleine Denkblockade habe:

Also S ist der Erbe von E und erbt von diesem vermeintlich ein Fahrrad, dass er an F verkauft. Vermeintlich, weil das Fahrrad tatsächlich dem V gehörte, der dem E das Fahrrad nur geliehen hatte (was S aber erst Tage nach dem Verkauf erfährt). F erwirbt gutgläubig von S das Fahrrad.

Warum ist das so?
Also gut, Übereignung nach § 929 S.1 ist gegeben, ebenso der gute Glaube des F an die Eigentumsstellung von S. Aber scheitert der Gutglaubenserwerb nicht an § 935? V hat E die Sache zwar freiwillig gegeben und E ist hierdurch zum Besitzmittler geworden, oder? Was gilt nach dem Tod des E? Wer ist Besitzer? Hat V nicht den unmittelbaren Besitz gegen seinen Willen verloren (=abhandengekommen), als E gestorben ist und S - ohne Besitzmittler nach § 935 I 2 zu sein (?) - das Fahrrad verhökert hat? Ich blick's irgendwie nicht. Warum kommt der Eigentumserwerb durch F zustande? :-s
Honigkuchenpferd
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Re: Gutgläubiger Erwerb vom vermeintlichen Erben

Beitrag von Honigkuchenpferd »

§ 857 BGB. Mit dem Tode von E erlangte S den unmittelbaren Besitz an dem Fahrrad, so dass ein Abhandenkommen gem. § 935 I 2 BGB ausgeschlossen ist.
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Clypeus
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Re: Gutgläubiger Erwerb vom vermeintlichen Erben

Beitrag von Clypeus »

Aber wenn der vermeintliche Erbe den unmittelbaren Besitz erlangt, macht ihn das doch nicht zum Besitzmittler nach § 935 I 2? Am Besitzmittlungswillen wird es ja zumindest fehlen, wenn sich S nicht bewusst ist, dass das Fahrrad geliehen ist.
So wie ich das jetzt sehe, hört mit dem Tod des Erblassers der mittelbare Besitz des wahren Eigentümers auf, S wird zwar Besitzer, ist aber kein Besitzmittler mehr, auf dessen Besitzaufgabewillen es iR des § 935 I 2 ankommen könnte. Was macht man nun daraus? #-o
Honigkuchenpferd
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Re: Gutgläubiger Erwerb vom vermeintlichen Erben

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Deine Vorstellungen sind unzutreffend. Noch einmal, diesmal etwas ausführlicher: Durch § 857 BGB rückt der Erbe in die Besitzposition des Erblassers ein, er erlangt in deinem Fall erst einmal unmittelbaren Besitz, wobei das Besitzmittlungsverhältnis zunächst fortbesteht. § 857 BGB hilft auch darüber hinweg, dass der Erbe zunächst keinen tatsächlichen Besitzmittlungswillen haben kann (übrigens genauso wenig wie einen Besitzwillen).

Wenn der unmittelbarer Besitzer die Sache weggibt, kann ein Abhandenkommen nicht vorliegen. § 935 I 2 BGB setzt voraus, dass der Besitzmittler den Besitz unfreiwillig verliert. Beendet er das Besitzmittlungsverhältnis durch Weggabe der Sache (und sei es in Unkenntnis des Besitzmittlungsverhältnisses), ist das nicht der Fall!
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Clypeus
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Re: Gutgläubiger Erwerb vom vermeintlichen Erben

Beitrag von Clypeus »

"§ 857 BGB hilft auch darüber hinweg, dass der Erbe zunächst keinen tatsächlichen Besitzmittlungswillen haben kann (übrigens genauso wenig wie einen Besitzwillen)."

Danke, das ist der Knackpunkt. Aus § 857 lese ich nur die Vererblichkeit des unmittelbaren Besitzes vor. Dass der Besitzmittlungswille sozusagen mitvererbt wird, ohne wie der Besitzwille überhaupt vorhanden zu sein, war mir nicht klar.
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