IPR/Internationales Privatrecht EuGVVO

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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Sonne
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IPR/Internationales Privatrecht EuGVVO

Beitrag von Sonne »

Hallo,
Wenn ein Unfall in einem Ferienhaus im, von deutscher Sicht betrachtet,EU- Ausland passiert und über dieses Ferienhaus (noch) kein Vertrag besteht,welches Gericht ist dann für die Behandlungskosten aus dem Unfall international zuständig nach der EuGVVO ? Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Unternehmen welches Eigentümer des Ferienhauses ist , in einem weiteren EU-Staat seinen Sitz hat.
Ausserdem ist zu beachten, dass die Arztkostem bzw. die Heilbehandlung ausschliesslich in Deutschland anfallen und der Geschädigte Deutscher ist und seinen Wohnsitz auch in Deutschland hat.
Allgemein habe ich gelesen dass es für diesen Fall zwei Meinungsansätze zur Lösung gibt. 1. Es entscheidet der Ort an welchem der Unfall geschehen ist, Damit wäre jedenfalls eines der Gerichte im EU-Ausland international zuständig.(Handslungsort -unerlaubte Handlung) 2. Weil der Geschädigte zum einen erst einige Zeit nach dem Unfall sich in Behandlung begibt und zum Anderen die Behandlung ausschliesslich in Deutschland stattfindet besteht eine engere Verbindung zu Deutschland als zum Ort der Schädigung, sodass der allgemeine Grundsatz ausgehebelt werden könnte.
Es wäre schön, wenn mir jemand von euch schreiben könnte ob er für die Zweite Meinung auch schon allgemein Literatur oder Rechtsprechung kennt. Dabei weiß ich, dass konkrete Hinweise nicht erlaubt sind .Also im Rahmen dieser Vorgaben vielen Dank für eure Antworten und viele Grüße Sonne
Liz
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Re: IPR/Internationales Privatrecht EuGVVO

Beitrag von Liz »

Wie wäre es schlichtweg mit einem Blick in die einschlägige Kommentarliteratur? Es kann letztlich nicht Aufgabe des Forums sein, Deine Fußnoten so gänzlich unkonkret zu füllen.
Sonne
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Re: IPR/Internationales Privatrecht EuGVVO

Beitrag von Sonne »

Hallo Liz,

zuerst habe ich mich darüber gefreut, dass so schnell jemand geantwortet hatte. Auf den zweiten Blick nicht mehr so. Erlaube mit kurz darauf Bezug zu nehmen. Du hast Recht, natürlich sollte man zuerst in einen Kommentar gucken. Das habe ich auch gemacht, nur ist es so, dass mein erster Kontakt mit dem Thema schon über ein Jahr zurück liegt. Damals habe ich von der Meinung des EuGH gelesen (unerlaubte Handluing / Handlungsort / Erfüllungsort). Diese Meinung habe ich jetzt wieder in allen Kommentaren gefunden. Damals habe ich aber auch eine zweite Meinung speziell in Bezug auf Arztkosten gefunden. Demnach kann eine engere Verbindung im Sinne des Auffangtatbestandes der EuGVVO zu dem Ort bestehen, an dem die Heilbehandlung ausschließlich durchgeführt wurde. Nur weil ich diese Meinung aktuell nicht mehr finde, hatte ich meinen Beitrag gepostet.

Einerseits verstehe ich also deine Meinung, was den Kommentar angeht, andererseits bedeutet es ja nicht, dass man nicht in einen Kommentar geschaut hat, wenn man hier etwas schreiibt. Also verstehe ich den Punkt deiner Kritik nicht und würde mich freuen, wenn der Austausch einfach weiter gehen könnte.

Viele Grüße
Sonne
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immer locker bleiben
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Re: IPR/Internationales Privatrecht EuGVVO

Beitrag von immer locker bleiben »

Sonne hat geschrieben:Hallo,
Wenn ein Unfall in einem Ferienhaus im, von deutscher Sicht betrachtet,EU- Ausland passiert und über dieses Ferienhaus (noch) kein Vertrag besteht,welches Gericht ist dann für die Behandlungskosten aus dem Unfall international zuständig nach der EuGVVO ? Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Unternehmen welches Eigentümer des Ferienhauses ist , in einem weiteren EU-Staat seinen Sitz hat.
Ausserdem ist zu beachten, dass die Arztkostem bzw. die Heilbehandlung ausschliesslich in Deutschland anfallen und der Geschädigte Deutscher ist und seinen Wohnsitz auch in Deutschland hat.
Der Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist kein ausschließlicher Gerichtsstand, eine Klage kann daher auch im Gerichtsstand der Artt. 2, 60 EuGVVO erhoben werden.
Für den Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO besteht zudem die Wahl zwischen dem Handlungsort und dem Erfolgsort (relevant vor allem bei Distanzdelikten). Bei einem Unfall im Ferienhaus dürften Handlungs- und Erfolgsort identisch sein. Irrelevant ist in der Regel der Schadensort, es spielt also keine Rolle, wo die Arztkosten anfallen, entscheidend ist, wo die Verletzung erfolgte, die den Arztbesuch erforderlich gemacht hat.

Für den Fall von Arztkosten mag man spaßeshalber diskutieren, was mit Folgeschäden ist (also: rechtswidrige Handlung hat Verletzung verursacht, die eine ärztliche Behandlung erforderlich gemacht hat; diese ärztliche Behandlung hat dann zusätzliche verletzende Effekte als Folgeschaden, Beispiel: zur Heilung musste eine Spritze verabreicht werden, die ihrerseits - weil Nadelstich - eine Verletzung des Körpers verursacht hat). Ich würde das allerdings tatsächlich für eine Elfenbeinturmdebatte halten. In der Praxis würde ich mich auf solche Spielchen nicht einlassen. Insbesondere sind nach herrschender Meinung solche Tatwirkungen, die für die Verwirklichung des Haupttatbestandes nicht mehr erheblich sind, nicht zuständigkeitsbegründend. Beim EuGH heißt das dann: "Demnach ist Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen, dass der „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“, im Rahmen eines Rechtsstreits wie dem des Ausgangsverfahrens der Ort ist, an dem der ursprüngliche Schaden beim gewöhnlichen Gebrauch des Erzeugnisses für seinen bestimmungsgemäßen Zweck eingetreten ist." EuGH, C-189/08

Für die Diskussionen darüber, ob - aus welchen Gründen auch immer - eine größere Nähe zum Wohnsitz des Geschädigten besteht, ist aus meiner Sicht wegen Art. 3 Abs. 1 EuGVVO (numerus clausus der besonderen Zuständigkeiten) kein Raum. Das Argument mit der größeren Nähe zu einer vom Handlungs- und/oder Erfolgsort anderen Rechtsordnung stammt nicht aus dem Internationalen Zivilverfahrensrecht, sondern aus dem Internationalen Privatrecht, der Gedanke hat sich insbesondere in Art. 4 Abs. 2 und Abs. 3 Rom-II VO niedergeschlagen. Daraus folgt aber keine besondere Zuständigkeit.
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Sonne
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Re: IPR/Internationales Privatrecht EuGVVO

Beitrag von Sonne »

Hallo, immer locker bleiben

vielen Dank für deine Antwort. An so etwas habe ich gedacht, als ich meinen Beitrag schickte. Ich habe noch eine Anschlussfrage. Du sagst, dass man an die Grundsätze der ROM-Verordnung denken muss. Das habe ich auch gelesen. Weiter sagst du, dass bei der Auslegung der EuGVVO die Grundsätze der ROM-Verordnung aus nicht vertraglichen Schuldverhältnissen zu berücksichtigen sind. Kann man dann nicht auch auf die Idee kommen, dass der Grundsatz der engeren Verbindung auch auf den Fall der Arztkosten anzuwenden wäre? Wohlgemerkt nur im konjunktiv, weil man sich im Regelfall an die Auslegung des EuGH (autonom) halten sollte.

Vielen Dank nochmals,, Sonne
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immer locker bleiben
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Re: IPR/Internationales Privatrecht EuGVVO

Beitrag von immer locker bleiben »

Sonne hat geschrieben:Weiter sagst du, dass bei der Auslegung der EuGVVO die Grundsätze der ROM-Verordnung aus nicht vertraglichen Schuldverhältnissen zu berücksichtigen sind.
Nein. Ich sage das Gegenteil, nämlich dass die Überlegungen im IPR nicht die gleichen sind wie die im IZPR. Bei der Auslegung der EuGVVO kann auf das IPR (und die Rom-II VO) gerade nicht zurück gegriffen werden, weil die Auslegung der EuGVVO - wie schon die der Vorgängerregelungen des EuGVÜ - verordnungsautonom vorzunehmen ist. Auf die Lex Causae wird dabei nicht abgestellt.
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halb eins
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Re: IPR/Internationales Privatrecht EuGVVO

Beitrag von halb eins »

immer locker bleiben hat geschrieben: Nein. Ich sage das Gegenteil, nämlich dass die Überlegungen im IPR nicht die gleichen sind wie die im IZPR. Bei der Auslegung der EuGVVO kann auf das IPR (und die Rom-II VO) gerade nicht zurück gegriffen werden, weil die Auslegung der EuGVVO - wie schon die der Vorgängerregelungen des EuGVÜ - verordnungsautonom vorzunehmen ist.
Das ist in dieser Absolutheit allerdings auch nicht richtig, kommt doch etwa im jeweiligen Erwägungsgrund 7 der Rom-Verordnungen zum Ausdruck, dass Anwendung und Auslegung der Verordnungen im IZPR und IPR aufeinander abzustimmen sind. Allerdings ist es natürlich richtig, dass der Gedanke einer engsten Verbindung nicht ins IZPR gehört, sondern ins Kollisionsrecht. Im IZPR wird nicht versucht den"räumlich" besten Gerichtsstand zu suchen, sondern es stehen Aspekte des Beklagtenschutzes (bspw. enge Auslegung besonderer Gerichtisstände) und der ordnungsgemäßen Prozessführung (Beweisnähe, etc.) im Vordergrund.
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