Falllösung

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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Seb
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Falllösung

Beitrag von Seb »

Hey,

im Rahmen der Examensvorbereitung habe ich angefangen quer sämtliche Klausurenangebote an der Uni wahrzunehmen. So ist mir heute folgender Fall vorgelegt worden und ich muss sagen, ich hatte erhebliche Probleme mit der Zeit und der Strukturierung einer Lösung. (Zeitumfang 2 Stunden)

Daher würde ich gerne den Fall mit euch teilen und eventuell eure Ansätze zur Lösung lesen wollen :)

Hier der SV:

Die 80-jährige Evelyn (E) ist Eigentümerin eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks in Passau, das sie mittlerweile allein bewohnt. Da sie sich um das riesige Anwesen nicht mehr selbst kümmern kann, möchte sie das Grundstück alsbald verkaufen. E´s Nachbar Norbert (N) hat schon seit längerem einen Blick auf das Grundstück geworfen, aber aufgrund eines finanziellen Engpasses derzeit nicht die nötigen finanziellen Ressourcen, um das Anwesen zu erwerben. Als er von E´s Verkaufsplänen erfährt, setzt er alles daran, sich das Grundstück zumindest für die Zukunft zu "sichern". Nach längeren Verhandlungen einigt sich E mit N am 12.01.2017 in notariell beurkundeter Form auf die Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts zugunsten des N an ihrem bebauten Grundstück. Das Vorkaufsrecht soll dabei für sämtliche Vorkaufsfälle sowie für einen Zeitraum von 5 Jahren gelten. Am 7.2.2017 wurde das Vorkaufsrecht vereinbarungsgemäß im Grundbuch eingetragen.

Ein Jahr später erinnert sich die vergessliche, aber nach wie vor geschäftsfähige E daran, dass sie das Anwesen ja eigentlich veräußern wollte. Nach längerer Suche findet sie in ihrer an dem Anwesen bislang eher desinteressierte, aber wohlhabenden 75-jährigen Bekannten Konstanze (K) eine Käuferin, mit der sie schnell handelseinig wird. Am 10.1.2018 verkauft sie das bebaute Grundstück für 800.000 EUro in notariell beurkundeter Form an K und erklärt am 29.1.2018 die Auflassung. Im Rahmen der Beurkundung hatte der Notar zwar E und K auf das Bestehen eines Vorkaufsrechts zugunsten des N hingewiesen. Die beiden wollten sich jedoch nicht durch "irgendeine Formalität" von ihrem Geschäft abbringen lassen. Darüber hinaus gehen sie davon aus, dass sich die Eintragung einer Vormerkung gegenüber dem bestehenden Vorkaufsrecht durchsetzt. Zu Gunsten der K wurde daraufhin eine ebenfalls am 29.1.2018 formell wirksam bestellte Auflasssungsvormerkung an dem Grundstück der E im Grundbuch eingetragen.

Nachdem K eine Anzahlung von 400.000 Euro geleistet hatte und in das Anwesen eingezogen war, beginnt sie mit umfangreichen Umbauarbeiten. Da ihr die bestehende Raumaufteilung gefällt, lässt sie für eingesamt 50.000 Euro mehrere Zwischenwände abtragen und an anderer Stelle Wände neu einziehen. Als K nach dem Abschluss der Bauarbeiten auf eine Zeit der Ruhe und Entspannung hofft, wird sie enttäuscht:
Nachdem ein Unwetter zu erheblichen Dach- und Wasserschäden im Haus geführt hatte, war Gefahr im Verzug. Um das beschädigte Dach zu sichern und weitere Schäden zu verhindern waren wiederum umfangreiche Baumaßnahmen erforderlich, für die ihr Kosten von insgesamt 25.000 EUro entstanden sind. Aufgrund dieser Kosten und weiterer Ausgaben gelingt es ihr nicht mehr, den vollständigen Kaufpreis zu zahlen, sodass K nicht wie ursprünglich geplant als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen wird.

In der Zwischenzeit hat auch N von der Veräußerung des Grundstücks an K erfahren und übt durch Erklärung gegenüber E sein Vorkaufsrecht aus.Nach entsprechender Auflassung wird er im Grundbuch als Eigentümer eingetragen und verlangt von K die Herausgabe des Grundstücks sowie die Löschung der zu ihren Gunsten eingetragenen Vormerkung.

K lässt sich von alledem nicht beeindrucken und denkt trotz Aufforderung seitens des N nicht im Geringsten daran, aus dem Anwesen auszuziehen. Schließlich habe sie das Grundstück von E "gekauft" und verfüge damit über einen "rechtsgültigen Vertrag". Zum Auszug könne N sie nur unter der Bedingung überreden, dass sie - von wem auch immer - die angezahlten 400.000 Euro zurückhalte und ihr die Kosten von insgesamt 75.000 Euro erstattet würden, die sie in das Haus gesteckt habe. E verlangt angesichts der "neuen Situation" von N, ihm die mit K vereinbarten 800.000 Euro zu zahlen.

Es stellt sich heraus, dass die K aufgrund einer unerkannten, sporadisch aufbrechenden Krankheit zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages am 10.01.2018 - und ausschließlich an diesem einen Tag - vorübergehend geschäftsunfähig gewesen ist.


N wendet sich nun an seine Anwältin Ricarda (R) mit der Bitte, folgende Fragen zu prüfen:

Frage 1: Welche Ansprüche hat N gegen K?
Frage 2: Welche Ansprüche hat E gegen N?

Auch K holt Rechtsrat ein und möchte folgendes wissen:

Frage 3: Kann K von E die "in das Haus gesteckten" Kosten in Höhe von 50.000 Euro für die Umbauarbeiten und 25.000 Euro für die Beseitigung der unwetterbedingten Schäden und die Sicherung des Daches sowie für die Rückzahlung der angezahlten 400.000 Euro verlangen?
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Seb
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Re: Falllösung

Beitrag von Seb »

Bei Frage 1 habe ich an 894bgb und 985bgb gedacht. Beides aber mangels ausirechender Imo Kenntnisse miserabel geprüft .. im nachhinein hätte man ja theoretisch noch auf eine Herausgabe über 823 ivm 249 denken können ( Und an mögliche weitere Ansprüche welche auf Herausgabe gerichtet sind .. ) oder aber generell evtl. an eine Entziehung des Eigentums isd des 823 I insofern der N auch EIgentümer geworden ist. Andererseits war ja das klägerische Begehren des N auf Herausgabe und Löschung der Vormerkung gerichtet.

Bei Frage 2: ist mir erstmal gar nichts brauchbares eingefallen .... :O

Bei Frage 3: Habe ich für die 400.000 ganz normal den 812 I S.1 1Alt. BGB geprüft. Für die 25.000 und 50.000 zumindest mal eine GoA angeprüft wobei ich dann hier im Ergebnis aussteigen würde und dann auf eine Nichtleistungskondiktion gewechselt wäre für oben genannte Postionen.


Ich fande die Klausur doch anspruchsvoll, zum einen weil sie voll gespickt war mit Informationen zum anderen weil ein Themengebiet abgehandelt wurde, welches mir so gar nicht liegt. Wie würdet ihr die Fragen durchprüfen? Was hätte man in jedem Fall sehen müssen? Ich denke, über den Strich werde ich mit meinem Quark nicht landen aber dennoch fand ich den Fall sehr lehrreich. Gerade was methodische Arbeit betrifft etc pp.

Danke an alle die sich die Mühe machen möchten, den Fall "zu lösen". :-)



Grüße
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Schnitte
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Re: Falllösung

Beitrag von Schnitte »

Du schreibst in der Examensvorbereitung Klausuren mit einem Zeitumfang von zwei Stunden? Das halte ich für keine so gute Idee. Ebensowenig, wie ich mir vorstellen kann, dass das eine zweistündige Klausur sein soll. Dafür ist es dann doch recht umfangreich.
"Das Vertragsrecht der Bundesrepublik Deutschland und die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Erfüllung von Verträgen zu erzwingen [...], verstoßen nicht gegen göttliches Recht."

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Re: Falllösung

Beitrag von Seb »

Also da ich einfach so viele Klausuren wie möglich schreiben plus bewertet haben möchte, mache ich zum einen am Klausurenkurs fürs Examen mit. Dort wird pro Woche wie üblich eine 5h Klausur geschrieben.

Nebenbei schreibe ich aber sowohl im Strafrecht als auch im ÖffR sowie im ZVR die Übungen für Fortgeschrittene mit. Und der SV von oben war in der Tat eine Klausur aus der großen Übung und für 120min Schreibzeit angesetzt. Fand ich auch ziemlich heftig.
Ich weiß jetzt auch weshalb die Klausur so bescheiden für mich gelaufen ist.

Die Sachverhaltsanalyse lief super, ich habe alles wichtige gefiltert und mir hierfür eigens eine schöne Skizze mit allen wichtigen und wesentlichen Punkten zur Lösung herausgeschrieben. Als ich dann mich an die Gliederung setzen wollte, blieb ich beim aufschreiben der AGL stecken und bin dann auf die Reinschrift übergesprungen .. und das lag an der knappen Zeit. Denn hätte ich nun noch die AGL auch durch gegliedert und mir hierbei Zeit gelassen um gewisse Entscheidungen zu treffen für gewisse TB-Merkmale, hätte ich hinten raus kaum etwas noch aufs Papier gebaracht.

Nun, so habe ich dann zwar etwas aufs Papier gebracht, musste mich aber dann gedanklich während der Reinschrift entscheiden. Das hat bei mir für enorme Unsicherheit geführt und so habe ich mehrmals mitten in der Prüfung eines Anspruchs abgebrochen und bin zum nächsten Anspruch(frage) übergangen und habe erstmal dort angeprüft ... wenn ich die agl sauber durch gegliedert hätte und hier dann auch wesentliche ENtscheidungen (probleme) abgehandelt hätte, wäre es besser gelaufen aber wie gesagt, das war mir zumindest gefühlt für unmöglich, da ich für die Gliederung selbst ja keine Punkte bekomme..leider ! :D

Aber danke für dein Feedback Schnitte! :)

(ps: bei uns laufen für die großen Scheine regelmäßig abgespeckte Examensfälle. Daher sehe ich es als gute zusätzliche Übung an.)
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Schnitte
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Re: Falllösung

Beitrag von Schnitte »

Seb hat geschrieben:Bei Frage 1 habe ich an 894bgb und 985bgb gedacht. Beides aber mangels ausirechender Imo Kenntnisse miserabel geprüft .. im nachhinein hätte man ja theoretisch noch auf eine Herausgabe über 823 ivm 249 denken können ( Und an mögliche weitere Ansprüche welche auf Herausgabe gerichtet sind .. ) oder aber generell evtl. an eine Entziehung des Eigentums isd des 823 I insofern der N auch EIgentümer geworden ist. Andererseits war ja das klägerische Begehren des N auf Herausgabe und Löschung der Vormerkung gerichtet.
823 etc kann man, denke ich, prüfen, aber das sind Nebenkriegsschauplätze, auf die man nicht zuviel Zeit und Energie verwenden sollte. Die zentralen Anspruchsgrundlagen sind sicher 894 und 985. Bei 985 ist der Prüfungspunkt Eigentum der zentrale: Ist N Eigentümer geworden? Das ganz klassisch chronologisch durchprüfen: Wer war zu Beginn Eigentümer, welche Eigentumsübertragungsvorgänge könnten stattgefunden haben...bei 894 ähnlich: Ist die Vormerkung entstanden? Wenn ja, ist sie durch Erlöschen des Übereignungsanspruchs wieder erloschen? Auch das kann man chronologisch durchgehen, dann wird das schon.
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