Bürgschaft - BGH Urteil für weite Sicherungsabrede

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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bankazubi
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Bürgschaft - BGH Urteil für weite Sicherungsabrede

Beitrag von bankazubi »

Hallo liebe Community,

ich habe im Internet folgenden Blog-Eintrag gefunden. Da dieser aus dem Jahre 2002 stammt und der User nicht mehr kontaktierbar ist, würde ich euch gerne um hilfe bitten. Weiß zufällig jemand, auf welches BGH-Urteil sich dieser User mit diesen genannten Punkten bezieht? Wäre wichtig! Besten Dank vorab!

Verfasst am: 09.10.2002 21:12
-->Bei einer Bürgschaft mit einem engen Sicherungszweck bürgt der Bürge nur für eine bestimmte Forderung. <--

Wie bei anderen engen Zweckvereinbarungen auch, nur für ein bestimmtes Darlehen. Bei der weiten Zweckerklärung ist das so eine Sache, laut BGH-Urteil hat der Bürge dann nämlich keine Kontrolle über seinen Bürgschaftsbetrag mehr, daher sind solche Bürgschaften mit weiter Zweckerklärung nur in bestimmten Fällen zulässig, nämlich laut BGH dann, wenn:

-Bürge und Schuldner so eng miteinander verbunden sind, dass der Bürge auf die Risiken Einfluss nehmen kann, also z.B. bei GmbH-Gesellschafter

-der Bürge eine mit der "bedenklichen Bankpraxis vertraute Person" ist

-der Bürge auf das Risiko hingewiesen wurde und dies auch schriftlich dokumentiert ist

-die Bürgschaft für den Bürgen ein alltägliches Geschäft ist (z.B. Banken)
Tobias__21
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Re: Bürgschaft - BGH Urteil für weite Sicherungsabrede

Beitrag von Tobias__21 »

BGH, Urteil vom 01. Juni 1994 – XI ZR 133/93 –, BGHZ 126, 174-180

Das könnte evtl. passen. Da tauchen nämlich die von dir in den Spiegelstrichen genannten Kriterien des BGH auf. In dem Urteil sind weitere Verweise auf BGH Rechtsprechung enthalten, vielleicht ist es auch eins davon, dass Du suchst.

Bspw:
An einer Übertragung der Grundsätze zum überraschenden Charakter formularmäßig weiter Zweckerklärungen bei Sicherungsgrundschulden auf vorformulierte Bürgschaftserklärungen, die aus Anlaß eines Tilgungsdarlehens abgegeben werden, ist der Senat durch die Entscheidungen des IX. Zivilsenats vom 6. Dezember 1984 - IX ZR 115/83 (WM 1985, 155 ff.), vom 7. November 1985 - IX ZR 40/85 (WM 1986, 95 ff.), vom 16. Januar 1992 - IX ZR 113/91 (WM 1992, 391 ff.) und vom 17. März 1994 - IX ZR 102/93 (WM 1994, 784 ff.) nicht gehindert. Der IX. Zivilsenat hat darin die Ansicht vertreten, die Erstreckung einer Bürgschaft in einer vorformulierten Erklärung, die ein Bürge aus Anlaß eines betragsmäßig limitierten Kontokorrentkredits unterzeichne, auf alle bestehenden und künftigen Ansprüche einer Bank gegen den Hauptschuldner aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung ohne betragsmäßige Beschränkung sei grundsätzlich nicht überraschend im Sinne des § 3 AGBG (zu einem Ausnahmefall s. das Urteil vom 17. März 1994 - IX ZR 102/93, WM 1994, 784, 785 f.)
(BGH, Urteil vom 01. Juni 1994 – XI ZR 133/93 –, BGHZ 126, 174-180, Rn. 15)
Oder suchst Du eine Entscheidung die neuer als 1994 ist? Ich habe jedenfalls nur die gefunden, in der die Schlagworte auftauchen.
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bankazubi
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Re: Bürgschaft - BGH Urteil für weite Sicherungsabrede

Beitrag von bankazubi »

Vorab Danke für deine Antwort!

Es geht mir darum, meinem Dozenten diese folgende Rechtsprechung zu widerlegen,
da er nach Nennung dieser durch mich in einer Vorlesung ohne weiteres keinen Glauben schenkt:

„Bürge und Schuldner so eng miteinander verbunden sind, dass der Bürge auf die Risiken Einfluss nehmen kann, also z.B. bei GmbH-Gesellschafter“

Besten dank!
Tobias__21
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Re: Bürgschaft - BGH Urteil für weite Sicherungsabrede

Beitrag von Tobias__21 »

Der überraschende Charakter entfällt erst, wenn Sicherungsgeber und Dritter persönlich und wirtschaftlich so eng verbunden sind, daß das Risiko künftiger von der Grundschuldbestellung erfaßter Verbindlichkeiten für den Sicherungsgeber berechenbar und vermeidbar ist, wenn im Rahmen von Verhandlungen auf die Erweiterung der dinglichen Haftung hingewiesen worden ist, oder wenn der Sicherungsgeber ein mit Kreditgeschäften vertrautes Unternehmen ist (vgl. BGHZ 100, 82, 85 f.; 102, 152, 159 f.; 103, 72, 80; 106, 19, 23 f.; 109, 197, 201 ff.; Senatsurteile vom 13. November 1990 - XI ZR 217/89, WM 1991, 60, 61 f., vom 9. Juli 1991 - XI ZR 218/90, WM 1991, 1748, 1750, vom 18. Februar 1992 - XI ZR 126/91, WM 1992, 563, 564 und vom 14. Juli 1992 - XI ZR 256/91, WM 1992, 1648, 1649).
(BGH, Urteil vom 01. Juni 1994 – XI ZR 133/93 –, BGHZ 126, 174-180, Rn. 12)
Bitte :)
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Re: Bürgschaft - BGH Urteil für weite Sicherungsabrede

Beitrag von bankazubi »

Es geht um folgenden Sachverhalt:

2016 bestellt eine Ehefrau für ein Darlehen, das die Sparkasse ihrem Ehemann gewährt, eine Grundschuld auf einem ihr gehörenden Grundstück mit weiter Zweckbestimmungserklärung. 2017 gewährt die Sparkasse dem Ehemann einen weiteren Kontokorrentkredit.

Frage:

a) Ist die weite Zweckbestimmungserklärung – erfolgte ohne die erforderlichen Hinweise – wirksam?

b) Wird der Kontokorrentkredit von der Grundschuld mit abgesichert?

Meine Antworten:

a) Mit der Begründung einer weiten Sicherungsabrede verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger für alle bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche des Gläubiger mit dem Schuldner zu haften. Da der Bürge hier sehr schnell die Kontrolle über den Bürgschaftsbetrag verlieren kann, hat der BGH entschieden, dass diese Zweckerklärung nur in bestimmten Fällen zulässig ist. Eine Ausnahme stellt es dar, wenn der Bürge und der Schuldner so eng miteinander verbunden sind, dass der Bürge auf die Risiken Einfluss nehmen kann. Dies ist in einer Partnerschaft wie im vorliegenden Sachverhalt der Fall. Demnach ist die weite Zweckerklärung wirksam.

b) Ja, wegen der weiten Zweckerklärung.

Antworten von meinem Dozenten (schriftlich liegt noch nicht vor; Gedächtnisprotokoll):

a) Man kann sich merken, dass wenn sich der Schuldner nicht bspw. selbst verbürgt (bspw. Geschäftsführer einer GmbH), wird die weite Zweckerklärung automatisch zu einer engen Zweckerklärung.

b) Nein, wegen der daraus resultierenden, engen Zweckerklärung.
Tobias__21
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Re: Bürgschaft - BGH Urteil für weite Sicherungsabrede

Beitrag von Tobias__21 »

Es kommt halt darauf an, ob die weite Haftung der Grundschuld in den AGBen(?) "überraschend" für den Sicherungsgeber ist. Was verstehst du eigentlich unter "weite Sicherungsabrede"? Dass die Grundschuld alle bestehenden und zukünftigen Ansprüche absichern soll? Dir geht es im Fall darum, dass die Grundschuld anlassbezogen für ein Darlehen bestellt wurde und später dann mit der Grundschuld noch ein weiteres Darlehen abgesichert wurde? Was stand denn in der Sicherungsabrede?

Es kommt eben auch immer auf den Einzelfall an. Hier eine aktuelle Entscheidung:
BGH, Urteil vom 24. November 2016 – IX ZR 278/14 –, juris
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Re: Bürgschaft - BGH Urteil für weite Sicherungsabrede

Beitrag von bankazubi »

Weitere Details liegen uns zu diesem Fallbeispiel nicht vor, bzw. gibt es nicht. D. h. alles weitere sind Mutmaßungen...

Unter der weiten Zweckerklärung verstehe ich das, wie ich es im ersten Satz genannt habe. Demnach würde die Frau für alles haften.
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Re: Bürgschaft - BGH Urteil für weite Sicherungsabrede

Beitrag von scndbesthand »

Den Punkt a) würde ich nur im Ergebnis genauso sehen, jedoch nicht mit dieser pauschalen Begründung. Eine anlasslose weite Sicherungszweckerklärung (alle Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsbeziehung werden gesichert) eines Drittsicherungsgebers ist weiterhin nicht überraschend (vgl.: BGH v. 16.01.2001, XI ZR 84/00, Rn. 16), jedenfalls dann nicht, wenn ein Höchstbetrag angegeben ist.

Nur dann, wenn die weite Zweckerklärung anlassbezogen (d. h. aus Anlass einer bestimmten Kreditgewährung) abgegeben wird, ist sie idR überraschend. Dies ist nur ausnahmsweise, z. B. bei einer hinreichenden rechtlich gesicherten Einflussmöglichkeit des Sicherungsgebers auf die Verbindlichkeit des Schuldners, anders. Eine solche Einflussmöglichkeit ist jedoch nicht schon bei einer Ehe zwischen Sicherungsgeber und Schuldner anzunehmen (BGH aaO Rn. 15).
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Re: Bürgschaft - BGH Urteil für weite Sicherungsabrede

Beitrag von bankazubi »

scndbesthand hat geschrieben:Den Punkt a) würde ich nur im Ergebnis genauso sehen, jedoch nicht mit dieser pauschalen Begründung. Eine anlasslose weite Sicherungszweckerklärung (alle Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsbeziehung werden gesichert) eines Drittsicherungsgebers ist weiterhin nicht überraschend (vgl.: BGH v. 16.01.2001, XI ZR 84/00, Rn. 16), jedenfalls dann nicht, wenn ein Höchstbetrag angegeben ist.

Nur dann, wenn die weite Zweckerklärung anlassbezogen (d. h. aus Anlass einer bestimmten Kreditgewährung) abgegeben wird, ist sie idR überraschend. Dies ist nur ausnahmsweise, z. B. bei einer hinreichenden rechtlich gesicherten Einflussmöglichkeit des Sicherungsgebers auf die Verbindlichkeit des Schuldners, anders. Eine solche Einflussmöglichkeit ist jedoch nicht schon bei einer Ehe zwischen Sicherungsgeber und Schuldner anzunehmen (BGH aaO Rn. 15).
Demnach wäre es dann doch eine enge Zweckerklärung gewesen? Dabei war ich mir von meinem Verständnis her ziemlich sicher, dass diese Einflussnahme in einer Partnerschaft, noch mehr in einer Ehe, gegeben ist. Da dies jedoch nicht die Ansicht des BGH widerspiegelt und demnach die weite ZE aufgrund Anlassbezogenheit überraschend war, fällt sie für den Fall anscheinend aus...
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Re: Bürgschaft - BGH Urteil für weite Sicherungsabrede

Beitrag von scndbesthand »

Im Ergebnis ist es richtig. Aber der Satz "weite Zweckerklärung eines Dritten = enge Zweckerklärung" ist nicht zutreffend, weil er zahlreiche Fälle falsch lösen würde.
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Re: Bürgschaft - BGH Urteil für weite Sicherungsabrede

Beitrag von immer locker bleiben »

bankazubi hat geschrieben:Dabei war ich mir von meinem Verständnis her ziemlich sicher, dass diese Einflussnahme in einer Partnerschaft, noch mehr in einer Ehe, gegeben ist.
Der BGH meint aber keine private Einflussnahme aufgrund persönlicher Verhältnisse und spekuliert auf eine solche auch nicht.

Für den Drittsicherungsgeber ist der weite Sicherungszweck in fast allen Fällen eine unangemessene Benachteiligung (AGB Recht).

1. Ausnahme: der Dritte ist Gesellschaftergeschäftsführer der Gesellschaft (Nicht: Minderheitengesellschafter), deren Kredit besichert wird
2. Ausnahme: die Sicherungszweckerklärung wird mit größerem zeitlichen Abstand neugeschlossen (also nicht aus "Anlass" der Kreditgewährung), z. B. nach dem Motto: "Frau Schmidt, wir brauchen da von Ihnen noch eine Unterschrift" - wenn Frau Schmidt jetzt nicht merkt, dass sie dazu nicht verpflichtet ist und trotzdem unterschreibt, dann ist der neue, weite Sicherungszweck ggf. wirksam ...
3. Ausnahme: Höchstbetragbürgschaft - hier definiert der Höchstbetrag den Haftungsumfang, dieser kann den Bürgen weder überraschen noch unangemessen benachteiligen

Wenn es in Deinem Fall nicht noch irgendeine bisher nicht kommuniziere Besonderheit gibt, dann haftet die Grundschuld definitiv NICHT für den Kontokorrentkredit ...
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