§ 767 ZPO und Prozessvergleiche

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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Tobias__21
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§ 767 ZPO und Prozessvergleiche

Beitrag von Tobias__21 »

Hallo,

die Präklusion des § 767 II gilt ja nicht für Prozessvergleiche. Im Lipross steht unter Rn. 691, 704 dass über rechtshindernde Einwendungen gegen Prozessvergleiche der ursprüngliche Prozess fortgeführt werden muss. Macht m.E. auch Sinn.

Putzo § 767 Rn. 26: Jede Einwendung, auch rechtshindernde, kann geltend gemacht werden.

Was stimmt denn nun? Und vor allem: Was ist, wenn rechtshindernde und rechtsvernichtende/rechtshemmende Einreden geltend gemacht werden? M.E. müsste in diesem Fall die Vollstreckungsgegenklage aus prozessökonomischen Gründen auch hinsichtlich der rechtshindernden Einrede einschlägig sein. Es macht ja keinen Sinn zwei Prozesse zu führen. Und eine rechtsvernichtende Einrede richtet sich ja auch nicht gegen den Vergleich selbst, so dass auf jeden Fall § 767 vorrangig sein müsste. Ob man die rechtsvernichtenden Einreden hilfsweise geltend macht, kann ja keine Rolle spielen, oder? Bspw: "Der Vergleich ist eh schon nichtig, hilfsweise Anspruch aus Vergleich durch Aufrechnung erloschen".

Was wäre wenn der Anspruch aus dem Vergleich noch nicht fällig ist? Die Fälligkeit ist ja eine rechtshindernde Einrede, die jedoch auch die Wirksamkeit des Vergleichs nicht berührt. In diesem Fall würde ich auch eher zu § 767 tendieren. Die fehlende Fälligkeit scheint mir da bei den rechtshindernden Einreden im Vergleich zu Geschäftsfähigkeit, Nichtigkeit, usw. doch etwas unterschiedlich zu sein. Irgendwann wird der Anspruch ja auch mal fällig, wohingegen bei einer Nichtigkeit des Vergleichs der Ofen eben komplett aus ist.
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Muirne
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Re: § 767 ZPO und Prozessvergleiche

Beitrag von Muirne »

Tobias__21 hat geschrieben:Hallo,

die Präklusion des § 767 II gilt ja nicht für Prozessvergleiche. Im Lipross steht unter Rn. 691, 704 dass über rechtshindernde Einwendungen gegen Prozessvergleiche der ursprüngliche Prozess fortgeführt werden muss. Macht m.E. auch Sinn.

Richtig.
Putzo drückt sich unklar aus.
Und vor allem: Was ist, wenn rechtshindernde und rechtsvernichtende/rechtshemmende Einreden geltend gemacht werden? M.E. müsste in diesem Fall die Vollstreckungsgegenklage aus prozessökonomischen Gründen auch hinsichtlich der rechtshindernden Einrede einschlägig sein. Es macht ja keinen Sinn zwei Prozesse zu führen.

Genau. Das ist der Ausnahmefall in dem das dann doch geht.
Und eine rechtsvernichtende Einrede richtet sich ja auch nicht gegen den Vergleich selbst, so dass auf jeden Fall § 767 vorrangig sein müsste. Ob man die rechtsvernichtenden Einreden hilfsweise geltend macht, kann ja keine Rolle spielen, oder? Bspw: "Der Vergleich ist eh schon nichtig, hilfsweise Anspruch aus Vergleich durch Aufrechnung erloschen".

Ja.
Was wäre wenn der Anspruch aus dem Vergleich noch nicht fällig ist? Die Fälligkeit ist ja eine rechtshindernde Einrede, die jedoch auch die Wirksamkeit des Vergleichs nicht berührt. In diesem Fall würde ich auch eher zu § 767 tendieren.

Ebenfalls ja. Hat mit der unwirksamkeit ja gar nichts zu tun sodass sich das Problem dann gar nicht stellt.

Klar wenn es nur eine vorübergehende einrede ist, dann wird man in dem Fall halt die vollstreckung auch nicht dauerhaft verhindern können.



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Tobias__21
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Re: § 767 ZPO und Prozessvergleiche

Beitrag von Tobias__21 »

Danke :) Habe ich auch schon vermutet. Putzo scheint diese Aussage auf alle Vollstreckungstitel die nicht der Rechtskraft fähig sind zu beziehen, ohne hinsichtlich des Prozessvergleichs nochmal zu differenzieren.
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Muirne
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Re: § 767 ZPO und Prozessvergleiche

Beitrag von Muirne »

Jep. :)

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Re: § 767 ZPO und Prozessvergleiche

Beitrag von jurapeasant »

Tobias__21 hat geschrieben:Hallo,

die Präklusion des § 767 II gilt ja nicht für Prozessvergleiche. Im Lipross steht unter Rn. 691, 704 dass über rechtshindernde Einwendungen gegen Prozessvergleiche der ursprüngliche Prozess fortgeführt werden muss. Macht m.E. auch Sinn.
Also im Ergebnis lassen nur rechthindernde Einwendungen (§§ 119, 123, 134, 138 etc.) den alten Prozess wiederaufleben. Rechtsvernichtende Einwendungen und rechtshemmende Einreden werden ganz normal mit der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht (was auch Sinn macht)?
Tobias__21
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Re: § 767 ZPO und Prozessvergleiche

Beitrag von Tobias__21 »

Grds. ja :) Wobei bzgl. der Anfechtung ja umstritten ist ob rechtshindernd (Ex nunc Wirkung nur Fiktion, usw.) Wenn es nur um die Wirksamkeit des Vergleichs geht -> Fortsetzung des ursprünglichen Prozesses. Wenn es um die Wirksamkeit des Vergleichs + rechtshemmende/rechtsvernichtende Einreden gg. den Vergleich geht -> § 767 ZPO analog als proz. Gestaltungsklage (hinsichtlich der Wirksamkeit des Titels) + § 767 ZPO direkt als Vollstreckungsgegenklage ( § 260 ZPO)

Der ursprüngliche Prozess lebt aber nicht wieder auf. Da muss beantragt werden ihm Fortführung zu geben.
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