Erfüllungswirkungen bei Sicherungsgrundschulden

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boogienat0r
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Erfüllungswirkungen bei Sicherungsgrundschulden

Beitrag von boogienat0r »

Bei Sicherungsgrundschulden wird davon ausgegangen, dass bloße TEILZAHLUNGEN des Eigentümers (Sicherungsgebers) auf die Grundschuld nach den §§ 133, 157 als "Zahlung auf die Forderung" anzusehen sind und i.E. die Grundschuld in voller Höhe für den Sicherungsnehmer bestehen bleibt; der Eigentümer würde durch seine Teilzahlungen lediglich vermittelt durch die Sicherungsabrede einen Anspruch auf Rückübertragung der Grundschuld in entsprechender Höhe und eine Einrede gegen die Geltendmachung der GS in entsprechender Höhe erhalten.

Frage: Warum geht man nicht analog § 1163 I 2 davon aus, dass bei Teilzahlungen eine teilweise Umwandlung in eine Eigentümergrundschuld stattfindet, um das Problem zu lösen? Bei vollständigen Zahlung des Eigentümers wird nämlich eine solche (vollständige) Umwandlung angenommen. Dann versteh ich nicht, wieso man bei bloß teilweisen Zahlungen nicht entsprechend eine teilweise Umwandlung vertritt.
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Torquemada
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Re: Erfüllungswirkungen bei Sicherungsgrundschulden

Beitrag von Torquemada »

Man muss hier zwei Dinge auseinanderhalten: Dass die "Zahlung auf die Grundschuld" ipso iure deren (ggf. anteiligen) Rückerwerb durch den Grundstückseigentümer auslöst (als Eigentümergrundschuld), ist für Teilzahlungen im Ergebnis genauso unstreitig wie für die vollständige Befriedigung des Gläubigers (wobei die Analogie zu § 1163 I 2 BGB die unpassendste von diversen unpassenden Begründungen für dieses Ergebnis ist).

Vorrangig muss aber jeweils die Zuordnungsfrage geklärt werden, d.h. ob die Zahlung "auf die Forderung" oder "auf die Grundschuld" erfolgt. Meistens regelt das der Sicherungsvertrag ausdrücklich (mit dem Inhalt, dass bei Identität von Grundstückseigentümer und Darlehensschuldner alle Zahlungen auf die Forderungen erfolgen); dann kann der Schuldner nach der Rechtsprechung des BGH auch nicht einseitig eine hiervon abweichende Tilgungsbestimmung abgeben. Fehlt es an einer Regelung im Sicherungsvertrag, ist Raum für die Tilgungsbestimmung: Enthält sie eine ausdrückliche Zuordnung der Zahlung, so gilt diese; anderenfalls muss ausgelegt werden, und hier entspricht es eben nach h.M. der Interessenlage, dass bei Identität von Grundstückseigentümer und Darlehensschuldner grundsätzlich wiederum alle Zahlungen auf die Forderung(en) erfolgen. Eine Ausnahme macht man nur für den Fall, dass sich der Sicherungszweck der Grundschuld durch die Zahlung zweifelsfrei, endgültig und vollständig erledigt hat (die Aussage, dass eine Zahlung in der vollen Höhe der gesicherten Forderung "auf die Grundschuld" erfolge, ist insofern ungenau - für die insbesondere bei gewerblichen Krediten übliche "weite Zweckerklärung" trifft sie nicht zu).
boogienat0r
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Re: Erfüllungswirkungen bei Sicherungsgrundschulden

Beitrag von boogienat0r »

Torquemada hat geschrieben: Sonntag 10. Juni 2018, 13:45 Man muss hier zwei Dinge auseinanderhalten: Dass die "Zahlung auf die Grundschuld" ipso iure deren (ggf. anteiligen) Rückerwerb durch den Grundstückseigentümer auslöst (als Eigentümergrundschuld), ist für Teilzahlungen im Ergebnis genauso unstreitig wie für die vollständige Befriedigung des Gläubigers (wobei die Analogie zu § 1163 I 2 BGB die unpassendste von diversen unpassenden Begründungen für dieses Ergebnis ist).
Das stimmt so nicht. Ich zitiere aus BGH WM 1993, 849:
a) Das BerGer. nimmt an, daß in Höhe der Kredittilgung aus beiden Grundschulden Eigentümergrundschulden geworden seien. Das begegnet rechtlichen Bedenken.

Beide Grundschulden waren als Sicherungsgrundschulden ausgestaltet, die der Absicherung der persönlichen Forderungen der Banken gegen die Parteien dienten. Der Sicherungszweck bleibt so lange und so weit bestehen, wie die Darlehensforderung noch nicht getilgt ist. Ist der Grundstückseigentümer zugleich persönlicher Schuldner der gesicherten Forderung, so ist jedenfalls bei laufenden Teilzahlungen im Zweifel davon auszugehen, daß diese nicht auf die Grundschuld, sondern auf die persönliche Forderung geleistet werden, es sei denn, die Vertragspartner hätten etwas anderes vereinbart. Üblicherweise enthalten die AGB der Kreditinstitute auch eine entsprechende Anrechnungsvereinbarung auf die Darlehensforderung (BGH, NJW 1974, 2279 (2280) = LM § 812 BGB Nr. 107; Eickmann, in: MünchKomm, 2. Aufl., § 1191 Rdnr. 74; Palandt-Bassenge, BGB, 52. Aufl., § 1191 Rdnr. 37; Soergel-Konzen, BGB, 12. Aufl., §§ 1191, 1192 Rdnr. 35). Jedenfalls für das Darlehen bei der Landesbank ist daher davon auszugehen, daß die laufenden Ratenzahlungen des Kl. nicht auf die Grundschuld, sondern auf die Darlehensforderung erfolgt sind. Eine abweichende Vereinbarung hat das BerGer. nicht festgestellt.

In diesem Falle steht die Grundschuld bis zu ihrer Löschung in voller Höhe der Landesbank zu (BGH, NJW 1983, 2449 = LM § 182 ZVG Nr. 1 = FamRZ 1983, 797 (798)). Demgemäß ist sie in der Teilungsversteigerung in voller Höhe bestehen geblieben, von den Gläubigern angemeldet und in das geringste Gebot aufgenommen worden. Sie ist auch nach dem Zuschlag bestehen geblieben (§§ 52 I , 91 I ZVG; Senat, NJW-RR 1990, 1202 = BGHR BGB § 812 I - Zwangsversteigerung 1; Senat, v. 7. 5. 1991 - XII ZR 118/90 - n. v.). Die Parteien haben jedoch als Darlehensnehmer und Sicherungsgeber aus dem Sicherungsvertrag einen durch den Wegfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingten Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld, und zwar nicht nur für den Fall vollständiger Erfüllung der gesicherten Forderung, sondern auch dann, wenn nur ein Teil der Grundschuld nicht mehr valutiert ist (Senat, v. 7. 5. 1991 - XII ZR 118/90 - n. v.; BGH, NJW 1984, 169 (171) = LM § 1192 BGB Nr. 24).
Es gibt also nach dieser h.M. nur einen schuldrechtlichen Rückgewähranspruch in der Höhe der jeweiligen Tilgung bei Teilzahlungen aus dem Sicherungsvertrag, aber nicht, wie du es sagst, eine ipso iure Umwandlung in eine Eigentümergrundschuld in entsprechender Höhe. Genau diese Ansicht des BerGer. hat der BGH hier abgelehnt.

Ich hätte allerdings auch angenommen, dass es so ist (siehe Ausgangspost von mir). Mittlerweile kann ich mit der Begründung leben. Denn wenn man tatsächlich eine ipso iure Umwandlung bei Ratenzahlungen in eine E-GS annimmt, dann läuft das i.E. auf eine Hypothek hinaus, bei der akzessorisch der Sicherungsumfang zum Umfang der gesicherten Forderung sinkt. Die Parteien wollten aber keine Hypothek, sondern lediglich eine Grundschuld vereinbaren. Akzessorietät kann hier nur durch den Sicherungsvertrag, aber nicht kraft Gesetzes, vermittelt werden. Das wäre jedenfalls meine Begründung.

Eine Umwandlung der F-GS in eine E-GS gibt es daher nur - im Ergebnis unstrittig, Begründung strittig, das hast du ja schon ausgeführt - bei vollständiger Zahlung auf die Grundschuld.
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Re: Erfüllungswirkungen bei Sicherungsgrundschulden

Beitrag von OJ1988 »

Torquemada hat schon Recht. Der BGH verneint in dem Urteil, das du zitierst, nicht, dass die teilweise Tilgung durch den Eigentümer, wenn darin eine Zahlung auf die Grundschuld zu sehen sein sollte, zu dem teilweisen Entstehen einer Eigentümergrundschuld führen würde. Er stellt nur eine Auslegungsregel auf, nach der bei Teilzahlungen durch den Eigentümer, der zugleich persönlicher Schuldner ist, davon auszugehen ist, dass diese nicht auf die Grundschuld, sondern auf die persönliche Forderung geleistet werden. In diesem Fall (Zahlung auf die Forderung) entsteht auch bei vollständiger Tilgung keine Eigentümergrundschuld.
boogienat0r
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Re: Erfüllungswirkungen bei Sicherungsgrundschulden

Beitrag von boogienat0r »

Ah ok. Dann hab ich tatsächlich die vorrangige Zuordnungsfrage und die anschließende Rechtsfolgenfrage ziemlich durcheinander gebracht. Danke für die Aufklärung!
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