Pflicht Einrede geltend zu machen?

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

Moderator: Verwaltung

Tobias__21
Fossil
Fossil
Beiträge: 10395
Registriert: Dienstag 4. November 2014, 07:51
Ausbildungslevel: Au-was?

Pflicht Einrede geltend zu machen?

Beitrag von Tobias__21 »

Hallo,

kann sich aus § 242 eine Pflicht ergeben, Einreden die nicht von Amts wegen zu beachten sind, geltend zu machen? Ich bin nicht sonderlich gut im Fälle ausdenken, aber wie wärs hiermit: Darlehensvertrag mit Erblasser ist nichtig. Der Erblasser hätte die Einrede der Entreicherung, § 818 III, gehabt. Der Erbe erhebt diese Einrede gegenüber dem Darlehensgeber nicht und wir haben einen Pflichtteilsberechtigten, dessen Pflichtteil sich ja nun reduziert, weil der Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers auf der Erbschaft lastet. Der Erbe würde ja wirtschaftlich viel besser da stehen, wenn er die Einrede erhebt. Der Betrag um den sich der Pflichtteilsanspruch erhöht ist ja immer in jedem Fall unter dem Rückzahlungsanspruch des Darlehens.

Ich tue mir aber schwer hier eine Treuwidrigkeit anzunehmen. Man hat hier ja schon verschiedene Verhältnisse einmal Erbe->Pflichtteilsberechtiger und Erbe->Darlehensgeber. Vielleicht hat der Erbe ja gute Gründe, die Einrede nicht geltend zu machen, etwa um das Verhältnis zum Darlehensgeber nicht zu belasten, etwa wenn er mit diesem in geschäftlichen Verbindungen steht. Auf der anderen Seite hat das natürlich ein gewisses Geschmäckle und schädigt den Pflichtteilsberechtigten.

Sind euch solche Fälle bekannt, in denen man eine Einrede, die ja eigentlich nur für einen selbst vorteilhaft ist erheben muss, um einen Dritten nicht zu schädigen? Einen Dritten brauche ich ja in diesem Fällen immer, denn irgendeiner muss ja einen Nachteil erleiden, um zu § 242 zu kommen. Im Zweipersonen Verhältnis erleidet wohl nur derjenige einen Nachteil, der die Einrede hat. Das ist aber dann seine eigene Entscheidung.
Having cats in the house is like living with art that sometimes throws up on the carpet
markus87
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 5042
Registriert: Freitag 6. August 2010, 23:30

Re: Pflicht Einrede geltend zu machen?

Beitrag von markus87 »

Das Beispiel scheint mir schlecht gewählt. Es findet sich aber bestimmt ein anderes ;-) Vielleicht im Dunstkreis der gestörten Gesamtschuld? Die zu erörternde Frage darf dann aber nicht sein, ob er zur Erhebung der Einrede verpflichtet ist, sondern ob er sich dem Dritten gegenüber darauf berufen kann, dies nicht getan zu haben.

Gesendet von meinem SM-G950F mit Tapatalk
Benutzeravatar
Ara
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 8343
Registriert: Donnerstag 11. Juni 2009, 17:48
Ausbildungslevel: Schüler

Re: Pflicht Einrede geltend zu machen?

Beitrag von Ara »

Ich würde solche Fälle denke ich wenn möglich über § 241 II bzw. § 254 BGB lösen. Das sollte doch in den meisten Fällen greifen.

Bei deinem Beispiel sehe ich übrigens gar keinen Grund, warum man da irgendwie was korrigieren sollte? Der Erblasse könnte das Geld doch auch einfach in Koks und Nutten investieren.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
Benutzeravatar
Schnitte
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 3985
Registriert: Dienstag 4. März 2008, 17:37
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Pflicht Einrede geltend zu machen?

Beitrag von Schnitte »

Ara hat geschrieben: Bei deinem Beispiel sehe ich übrigens gar keinen Grund, warum man da irgendwie was korrigieren sollte? Der Erblasse könnte das Geld doch auch einfach in Koks und Nutten investieren.
Die Existenz des § 2325 BGB zeigt, dass der Gedanke nicht so völlig abwegig ist: Der Erblasser ist natürlich zu Lebzeiten frei, über sein Vermögen zu verfügen; trotzdem sieht der Gesetzgeber die Möglichkeit zu nachträglichen Korrekturen vor, wenn dadurch der Pflichtteil geschmälert wird. In Tobias' Fall würde ich daher vorschlagen, die Situation durch eine Analogie zu § 2325 zu lösen, wenn die Nichtgeltendmachung der Einrede einen schenkungsähnlichen Charakter hatte, etwa weil der Erblasser aus einer persönlichen oder familiären Bindung zum Darlehensgeber heraus darauf verzichtet, seine Einrede zu erheben.

In anderen Fällen könnten Generalklauseln wie etwa § 826 helfen, wenn in Schädigungsabsicht auf das Erheben einer Einrede verzichtet wird.
"Das Vertragsrecht der Bundesrepublik Deutschland und die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Erfüllung von Verträgen zu erzwingen [...], verstoßen nicht gegen göttliches Recht."

--- Offizialat Freiburg, NJW 1994, 3375
Tobias__21
Fossil
Fossil
Beiträge: 10395
Registriert: Dienstag 4. November 2014, 07:51
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Pflicht Einrede geltend zu machen?

Beitrag von Tobias__21 »

Danke euch. Ich hätte auch gesagt, wenn es nur dazu dient den Pflichtteilsanspruch zu schmälern ist das sittenwidrig. Wenn der Erbe aber Gründe hat, warum er die Einrede nicht erhebt, würde ich alles so lassen wie es ist.

@Markus: Warum ist das Beispiel schlecht gewählt? Was besseres fiel mir nicht ein :D
Having cats in the house is like living with art that sometimes throws up on the carpet
markus87
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 5042
Registriert: Freitag 6. August 2010, 23:30

Re: Pflicht Einrede geltend zu machen?

Beitrag von markus87 »

Wegen der bisher unerörterten Frage, ob es überhaupt den Pflichtteilsanspruch schmälert.

Gesendet von meinem SM-G950F mit Tapatalk
Tobias__21
Fossil
Fossil
Beiträge: 10395
Registriert: Dienstag 4. November 2014, 07:51
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Pflicht Einrede geltend zu machen?

Beitrag von Tobias__21 »

markus87 hat geschrieben:Wegen der bisher unerörterten Frage, ob es überhaupt den Pflichtteilsanspruch schmälert.

Gesendet von meinem SM-G950F mit Tapatalk
Das ist doch eine Verbindlichkeit des Erblassers, also der Anspruch der Bank aus § 812 auf Rückzahlung der Darlehensvaluta? § 2311 BGB. Man nimmt doch da alle Aktiva und zieht davon die Passiva ab und dann hat man den Wert des Nachlasses.
Having cats in the house is like living with art that sometimes throws up on the carpet
markus87
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 5042
Registriert: Freitag 6. August 2010, 23:30

Re: Pflicht Einrede geltend zu machen?

Beitrag von markus87 »

Und wie ist die Verbindlichkeit zu bewerten?

Gesendet von meinem SM-G950F mit Tapatalk
Tobias__21
Fossil
Fossil
Beiträge: 10395
Registriert: Dienstag 4. November 2014, 07:51
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Pflicht Einrede geltend zu machen?

Beitrag von Tobias__21 »

markus87 hat geschrieben:Und wie ist die Verbindlichkeit zu bewerten?

Gesendet von meinem SM-G950F mit Tapatalk
? Ich hab keine Ahnung auf was Du hinauswillst
Having cats in the house is like living with art that sometimes throws up on the carpet
markus87
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 5042
Registriert: Freitag 6. August 2010, 23:30

Re: Pflicht Einrede geltend zu machen?

Beitrag von markus87 »

Sorry will nicht lehrerhaft sein nur keine Zeit ;-) ich antworte die Tage mal ausführlich.

Gesendet von meinem SM-G950F mit Tapatalk
Tobias__21
Fossil
Fossil
Beiträge: 10395
Registriert: Dienstag 4. November 2014, 07:51
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Pflicht Einrede geltend zu machen?

Beitrag von Tobias__21 »

markus87 hat geschrieben:Sorry will nicht lehrerhaft sein nur keine Zeit ;-) ich antworte die Tage mal ausführlich.

Gesendet von meinem SM-G950F mit Tapatalk
Du weisst, dass ich in zwei Monaten Examen schreibe? Da wird man leicht panisch :D Aber ich überleg nochmal.

-Darlehensvertrag nichtig
-> Rückzahlungsanspruch der Bank grds. § 812
(hier könnte man überlegen, ob sofort in voller Höhe, oder in Raten ohne Zinsen. Aber das dürfte keine Auswirkungen haben)

- Erblasser stirbt, der Erbe erbt auch die Verbindlichkeit aus § 812
- Pflichtteilsberechtigter will Pflichtteil. Maßgeblich ist § 2311.

Willst Du auf § 2313 II 1 BGB hinaus? Aber warum sollte die Forderung der Bank aus Bereicherungsrecht unsicher sein? Weil der Erbe evtl. die Einrede der Entreicherung, § 818 III BGB, erheben könnte, wenn er denn wollte? :-k Müsste ich nochmal vertiefter im Kommentar nachschauen, ob es daran hängen könnte. Dass der Erbe ggf. nicht alles sofort auf einen Schlag zurückzahlen muss, kann ja im Ergebnis keine Auswirkungen haben.

- Wenn die Forderung aus § 812 auf der Erbschaft lastet, wird der Wert der Erbschaft aus dem sicher der Pflichtteil berechnet geringer. Würde sich nicht darauf lasten, bzw. wenn die Einrede aus § 818 III erhoben wird, ist der Wert der Erbschaft größer, der Pflichtteil also auch höher.
Having cats in the house is like living with art that sometimes throws up on the carpet
markus87
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 5042
Registriert: Freitag 6. August 2010, 23:30

Re: Pflicht Einrede geltend zu machen?

Beitrag von markus87 »

Mit dem 2313 II hast du doch schon was feines gefunden. Damit ich kein schlechtes Gewissen habe möchte ich noch auf die völlige Irrelevanz fürs Examen hinweisen. :-D

Gesendet von meinem SM-G950F mit Tapatalk
Tobias__21
Fossil
Fossil
Beiträge: 10395
Registriert: Dienstag 4. November 2014, 07:51
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Pflicht Einrede geltend zu machen?

Beitrag von Tobias__21 »

markus87 hat geschrieben:Mit dem 2313 II hast du doch schon was feines gefunden. Damit ich kein schlechtes Gewissen habe möchte ich noch auf die völlige Irrelevanz fürs Examen hinweisen. :-D

Gesendet von meinem SM-G950F mit Tapatalk
Uff :) Ich hab grade im MüKo mal den 2313 überflogen, ist da nur auf knapp vier Seiten kommentiert. Die Höhe Verbindlichkeit an sich ist ja nicht zweifelhaft. Selbst wenn schon Raten gezahlt worden sind, lässt sich ja leicht feststellen, in welcher Höhe die Verbindlichkeit besteht. Die Inanspruchnahme ist m.E. auch nicht zweifelhaft, die Bank wird die Kohle wollen und sie vom Erben fordern.

Aber mach mal dein Zeug. Hast mich angefixt. Ich schau heute Abend nochmal in paar anderen Kommentaren, ob ich drauf komme :D Oder ist das irgendein Praktiker Ding, wo ich nicht drauf komme?
Having cats in the house is like living with art that sometimes throws up on the carpet
Tobias__21
Fossil
Fossil
Beiträge: 10395
Registriert: Dienstag 4. November 2014, 07:51
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Pflicht Einrede geltend zu machen?

Beitrag von Tobias__21 »

markus87 hat geschrieben:Sorry will nicht lehrerhaft sein nur keine Zeit ;-) ich antworte die Tage mal ausführlich.

Gesendet von meinem SM-G950F mit Tapatalk
Markus? ;)
Having cats in the house is like living with art that sometimes throws up on the carpet
markus87
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 5042
Registriert: Freitag 6. August 2010, 23:30

Re: Pflicht Einrede geltend zu machen?

Beitrag von markus87 »

Ohje. ;-)

Du hattest damals im Eingang geschrieben "wir haben einen Pflichtteilsberechtigten, dessen Pflichtteil sich ja nun reduziert". Ich finde diese Prämisse zweifelhaft und fand deshalb das Beispiel schlecht gewählt.

Die erste Frage, mit der ich die Prämisse hinterfragen möchte, ist wie sich der für den Pflichtteilsanspruch relevante Nachlass überhaupt zusammensetzt (hier kommt zB der 2313 II ins Spiel) und die zweite Frage ist, ob sich die (nachträgliche) (Nicht-) Geltendmachung einer Einrede überhaupt auf die Beantwortung dieser Frage auswirkt. Für deine Rechtsfrage ungeeignet wird das Beispiel zusätzlich noch dadurch, dass wenn wir geklärt haben, ob der Anspruch zu den Nachlassverbindlichkeiten zählt und ob sich die (Nicht-) Geltendmachung einer Einrede auf die Beantwortung dieser Frage auswirkt, es zusätzlich noch eine wirtschaftliche Frage ist, wie dieser Anspruch zu bewerten ist.

Wenn du dich mit deiner eigentlichen Frage näher beschäftigen möchtest, würde ich echt empfehlen dich mit der Gesamtschuld zu beschäftigen. Da gibt es so lehrbuchartige Konstellationen wie es sich auswirkt wenn gegenüber einem Gesamtschuldner auf die Einrede verzichtet wird im Verhältnis zum anderen Gesamtschuldner. DAS wäre dann auch examensrelevant.
Antworten