Ist die Änderung der Nutzungsbedingungen ein Sachmangel?

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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Torf
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Ist die Änderung der Nutzungsbedingungen ein Sachmangel?

Beitrag von Torf »

Bin vor kurzem auf eine News gestoßen, bei der es um einen Lautsprecherhersteller geht, der seine Nutzungs- und Datenschutzbestimmungen geändert hat. Dazu hab ich mir ein paar Fragen gestellt, die ich mir nicht selbst beantworten kann und das macht mich komplett kirre ](*,) (Ich selbst habe keine solchen Lautsprecher; soll also keine Rechtsberatung werden ;) )

Es stellt sich folgender Sachverhalt:

Der Verbraucher V kauft beim Händler H eine Lautsprecherbox eines Drittherstellers.
Dieser Dritthersteller hat einige Monate nach dem Kauf seine Nutzungs- und Datenschutzbestimmungen geändert, in denen festgehalten wird welche Daten von dem Nutzer erhoben werden, um die Funktionsweise der Boxen zu gewährleisten.
Dabei wird auch klargestellt, dass der Nutzer die Möglichkeit des Widerspruchs und einen Löschanspruch bzgl. seiner Daten hat. Es wird darauf hingewiesen, dass bei Löschung der Daten die Boxen nicht mehr funktionieren werden. Desweiteren können beim Widerspruch gegen die Erhebung keine Updates mehr aufgespielt werden, was die Funktionsweise nach und nach einschränken wird - bis zur kompletten Stilllegung.

In der Techwelt ist man sich einig, dass es keinen Grund gibt die Boxen dauerhaft mit den Servern des Herstellers verbunden zu haben, um sie nutzen zu können. Einzig bestimmte angebotene Services, für die eine Internetverbindung notwendig ist, würden nicht mehr funktioneren (bsp. Amazons Alexa) Das Argument des Herstellers bezüglich der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit würde also ins Leere laufen.

Ich frage mich nun, ob die nachträgliche Änderung der Nutzungsbedingungen einen Sachmangel darstellen können. Falls ja, bleibt dennoch das Problem, dass der Sachmangel beim Kauf der Box noch nicht vorlag. Kann man überhaupt gegen den Händler vorgehen oder ist allein der Hersteller in der Pflicht die Funktionsfähigkeit auch ohne Onlinezwang und Datenerhebung zu gewährleisten?

Hätte da speziell die neue DSGVO im Blick, die ja ausdrücklich ein Koppelungsverbot enthält. “Bei der Beurteilung, ob die Einwilligung freiwillig erteilt wurde, muss dem Umstand in größtmöglichem Umfang Rechnung getragen werden, ob unter anderem die Erfüllung eines Vertrags, einschließlich der Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung zu einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten abhängig ist, die für die Erfüllung des Vertrags nicht erforderlich sind.

Wenn man von der technischen Prämisse ausgeht, dass die Boxen auch ohne die Datenerhebung funktionieren würden, wäre doch jede Einwilligung in der Hinsicht hinfällig und darf nicht Voraussetzung für die Vertragserfüllung sein. Was wäre dann die Vertragserfüllung? Die Lizenzvereinbarung vor deren Änderung?

Ich dreh mich glaub komplett im Kreis
Tobias__21
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Re: Ist die Änderung der Nutzungsbedingungen ein Sachmangel?

Beitrag von Tobias__21 »

Interessante Frage. Da weiß ich aus dem Stegreif keine Antwort drauf. Der Umstand der, die Box quasi wertlos macht, wenn man nicht zustimmt, tritt ja nach Vertragsschluss ein. Man müsste sich dazu wahrscheinlich auch mal den ursprünglichen Kaufvertrag ansehen.

Ich finde es aber spannend. Das wird ja immer mehr kommen.

Vielleicht ein krasses Beispiel, für den ersten Zugriff:

Fernsehhersteller X stellt eine Modellreihe seiner Fernseher um. Um den Fernseher weiterhin nutzen zu können, muss dieser mit dem Internet verbunden sein. Ohne Internet kein Fernsehen. Zulässig? Ich glaube über das Gewährleistungsrecht kommt man da nicht ran. Wahrscheinlich liegt die Lösung im AT. Etwa 280 oder 313
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Torf
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Re: Ist die Änderung der Nutzungsbedingungen ein Sachmangel?

Beitrag von Torf »

Kann man denn annehmen, dass eine Offlinenutzung zur Geschäftsgrundlage zwischen Händler und Käufer gehört, ohne dass dies explizit angeprochen wurde?
Tobias__21
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Re: Ist die Änderung der Nutzungsbedingungen ein Sachmangel?

Beitrag von Tobias__21 »

Wäre es explizit angesprochen, dann wäre es nicht Geschäftsgrundlage, sondern Vertragsinhalt ;) Das war auch nur eine Idee. Durchdacht habe ich das nicht. Evtl. geht auch irgendwas über Eigentumsrechte.
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Re: Ist die Änderung der Nutzungsbedingungen ein Sachmangel?

Beitrag von OJ1988 »

Fleet-Fall?
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Re: Ist die Änderung der Nutzungsbedingungen ein Sachmangel?

Beitrag von Tobias__21 »

Jo. Die alte Frage eben ob eine Einschränkung der Verwendungsmöglichkeit eine Eigentumsverletzung i.S.d. § 823 BGB sein kann.
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Re: Ist die Änderung der Nutzungsbedingungen ein Sachmangel?

Beitrag von Justitian »

Culpa post contractum finitum, nachwirkende Leistungstreuepflicht? Also notfalls §§ 282, 324 BGB.
Edit: käme nur in Tobis Abwandlung in Betracht, wo Verkäufer und Hersteller identisch sind
"[...] führt das ja nicht dazu, dass eine Feststellungsklage mit dem Inhalt "Wie wird das Wetter morgen?" zulässig wird" - Swann, 01.03.17
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Re: Ist die Änderung der Nutzungsbedingungen ein Sachmangel?

Beitrag von OJ1988 »

Justitian hat geschrieben:Culpa post contractum finitum, nachwirkende Leistungstreuepflicht? Also notfalls §§ 282, 324 BGB.
Mit dem Hersteller besteht kein Vertragsverhältnis. Der Händler - also der, mit dem ein Vertragsverhältnis besteht -, hat im Übrigen nicht aktiv gehandelt. Wo siehst du den Anknüpfungspunkt einer Pflicht zum Tätigwerden, die der Händler durch Unterlassen verletzt haben soll?

Edit: Ja eben ;)
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Re: Ist die Änderung der Nutzungsbedingungen ein Sachmangel?

Beitrag von Justitian »

Man könnte allenfalls eine Konstruktion über § 278 BGB erwägen aber ich will jetzt nicht unüberlegt aus der Hüfte schießen. Grundsätzlich besteht ja schon eine besondere Situation weil nach Gefahrübergang noch eine Einflussnahmemöglichkeit auf die Funktionsfähigkeit der Kaufsache gegeben ist
"[...] führt das ja nicht dazu, dass eine Feststellungsklage mit dem Inhalt "Wie wird das Wetter morgen?" zulässig wird" - Swann, 01.03.17
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Re: Ist die Änderung der Nutzungsbedingungen ein Sachmangel?

Beitrag von Tobias__21 »

Bei Amazon könnte das schon irgendwie gehen. Amazon stellt den echo (Alexa) ja selbst her.
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Re: Ist die Änderung der Nutzungsbedingungen ein Sachmangel?

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Warum eigentlich so kompliziert? Die Änderung der Nutzungsbedingungen ist eben schlicht unwirksam (§§ 305 ff. BGB). Gleichwohl darauf zu beharren stellt eine Pflichtverletzung nach § 280 I 1 BGB dar. Es besteht überhaupt kein Bedürfnis, den Händler hineinzuziehen.
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Re: Ist die Änderung der Nutzungsbedingungen ein Sachmangel?

Beitrag von Honigkuchenpferd »

OJ1988 hat geschrieben:Mit dem Hersteller besteht kein Vertragsverhältnis.
Wenn der Hersteller einem bestimmte Nutzungsbedingungen stellt, besteht selbstverständlich ein Vertragsverhältnis.
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Re: Ist die Änderung der Nutzungsbedingungen ein Sachmangel?

Beitrag von Tobias__21 »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:Warum eigentlich so kompliziert? Die Änderung der Nutzungsbedingungen ist eben schlicht unwirksam (§§ 305 ff. BGB). Gleichwohl darauf zu beharren stellt eine Pflichtverletzung nach § 280 I 1 BGB dar. Es besteht überhaupt kein Bedürfnis, den Händler hineinzuziehen.
Wollten Eure Exzellenz nicht nur meine Fragen beantworten? ;)
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Re: Ist die Änderung der Nutzungsbedingungen ein Sachmangel?

Beitrag von Tobias__21 »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:
OJ1988 hat geschrieben:Mit dem Hersteller besteht kein Vertragsverhältnis.
Wenn der Hersteller einem bestimmte Nutzungsbedingungen stellt, besteht selbstverständlich ein Vertragsverhältnis.
Ja, aber die Frage war ja ob man irgendwie über den Kaufvertrag ran kommt. So hab ich das zumindest verstanden. Sachmangel usw.
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Re: Ist die Änderung der Nutzungsbedingungen ein Sachmangel?

Beitrag von Honigkuchenpferd »

So war der Plan, aber du stellt ja keine, sondern prokrastinierst hier. ;)
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