Hallo Frende,
ich habe ein Verständnisproblem hinsichtlich des erkannten und ausgenutzten Irrtums.
V unterbreitet dem K ein Angebot mit dem Inhalt X, wollte aber dabei den Inhalt Y erklären. K erkennt den Irrtum und nimmt das Angebot mit ein bloßes "ja" an.
BGH und h.M(Lorenz, Bork, Flume...etc) bejahen, meines Achtens zu Recht, einen Vertrag mit Inhalt Y, weil §133 BGB den §157 BGB steche. Wobei auch §116 BGB zur Geltung komme, weil K einen Vertrag mit Inhalt Y nicht wolle.
Dennoch bleibt für mich § 122 II BGB (Kenntnis der Nichtigkeit) ein Dorn im Auge.
Danach sei nur von der Rechtfolge (Schadensersatz) abzusehen. Die Partei, die sich geirrt habe, müsse den Vertrag zunächst anfechten. Wobei das Unterhalten des Irrtums auch eine Anfechtung nach §123 BGB darstelle.
Des Weiteren wäre §122 II BGB überflüssig, wenn man einen Vertrag mit dem Inhalt des erkannten Willens bejahen würde.
Also §116 BGB versus §122 II BGB.
Wie kann man §122 II BGB " aushebeln“? ?
Vielen Dank im Voraus
§122 II BGB, Kenntnis des Irrtums
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Re: §122 II BGB, Kenntnis des Irrtums
Es liegt ja weder Nichtigkeit noch Anfechtbarkeit vor, sondern - wie du ja selber sagst - ein Angebot und eine Annahme mit Inhalt Y. Was den V angeht: V wollte Y erklären, und durch Auslegung wurde ermittelt, dass seine Willenserklärung den Inhalt Y hatte. Damit stimmen beabsichtigter und erklärter Inhalt der Willenserklärung überein. Was den K angeht: Der wird auch keinen Anfechtungsgrund haben, da ihm klar war, dass sein "Ja" zu einem Vertrag mit Inhalt Y führen würde.
"Das Vertragsrecht der Bundesrepublik Deutschland und die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Erfüllung von Verträgen zu erzwingen [...], verstoßen nicht gegen göttliches Recht."
--- Offizialat Freiburg, NJW 1994, 3375
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Re: §122 II BGB, Kenntnis des Irrtums
Die eigentliche Frage wäre, ob §122 II BGB besagt,die Kenntnis des wahren Willens führe zu einem Vertrag mit Inhalt X. Allein die Rechtsfolge (Schaden), wenn V wegen Erklärungsirrtum anfechtet, sei zu verneinen.
K könnte den Vertrag mit Inhalt Y wegen Inhaltsirrtum anfechten. Den Inhalt Y wollte K nicht. Allein die normative Auslegung hat den Inhalt Y zustande gebracht. Nur durch §242 BGB wäre die Anfechtung ausgeschloßen, aber der Wortlaut von § 119 I Alt.1 BGB ist erfüllt.
Wozu dient 122 II BGB, wenn ohnehin der Vertrag mit dem "anderen Inhalt", also mit dem erkannten Willen zustande kommt ??
K könnte den Vertrag mit Inhalt Y wegen Inhaltsirrtum anfechten. Den Inhalt Y wollte K nicht. Allein die normative Auslegung hat den Inhalt Y zustande gebracht. Nur durch §242 BGB wäre die Anfechtung ausgeschloßen, aber der Wortlaut von § 119 I Alt.1 BGB ist erfüllt.
Wozu dient 122 II BGB, wenn ohnehin der Vertrag mit dem "anderen Inhalt", also mit dem erkannten Willen zustande kommt ??
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Re: §122 II BGB, Kenntnis des Irrtums
Das ist ein Problem, das auch im Schrifttum durchaus gesehen wird. Hierzu MüKo, 122 Rdnr. 21:
Ich denke, es gibt trotzdem einen, wenn auch kleinen, Anwendungsbereich für die Vorschrift. Beispielsweise kann es sein, dass in deinem Fall K weiß, dass V einem Irrtum unterliegt, aber nicht weiß, welches stattdessen der wahre Wille des V ist. In dem Fall läge Kenntnis von Anfechtbarkeit vor, aber eine Auslegung des Vertrags dahingehend, dass er mit dem von V gemeinten, aber dem K unbekannten Inhalt X zustandekam, wäre nicht überzeugend.Aus Abs. 2 könnte herausgelesen werden, dass auch dann eine (wenngleich nicht mit der Ersatzpflicht des Abs. 1 verbundene) Irrtumsanfechtung notwendig ist, wenn der Erklärungsempfänger den wahren Willen des Erklärenden tatsächlich verstanden, dieser sich aber objektiv irrtümlich erklärt hat, und der Erklärungsempfänger sich nun auf das objektiv Erklärte beruft („erkannter und ausgenutzter Irrtum“). Dass dem nicht so ist, dass vielmehr das tatsächlich Verstandene gilt, ist an anderer Stelle (→ § 119 Rn. 62) dargelegt.
"Das Vertragsrecht der Bundesrepublik Deutschland und die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Erfüllung von Verträgen zu erzwingen [...], verstoßen nicht gegen göttliches Recht."
--- Offizialat Freiburg, NJW 1994, 3375
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