Wann kommt ein Vertrag in der Kneipe zustande?

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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Atred
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Wann kommt ein Vertrag in der Kneipe zustande?

Beitrag von Atred »

Ausgangsfall: Ich sitze in der Kneipe und bestelle ein Bier!
Bevor das Getränk gebracht wird gehe ich wieder!
Ist ein Vertrag zustande gekommen? Hat die Kneipe eine Forderung gegen mich?

Ich vermute, dass meine Bestellung ein Angebot ist, die Annahme könnte dann entweder durch den Kellner erfolgen, oder eben konkludent durch das Bringen des Bieres. Wenn der Kellner nun gar nichts Bestätigedes von sich gibt und einfach wieder geht (er sagt nichts, er nickt nicht einmal), ist das dann auch eine Annahme, da man in einer Kneipe davon ausgehen kann, dass durch entgegennahme der Bestellung (auch wenn der Kellner nichts aufschreibt) eine Annahme des Angebots sofort stattfindet?





Abwandlung: Das Bier kommt und kommt nicht. Ich habe irgendwann keine Lust mehr zu warten und gehe (entweder nach mehrmaliger erfolgloser Aufforderung oder ohne).
Wie ist die Rechtslage?

(Meine eigenen Überlegungen hierzu kann ich nicht mehr formulieren, ich bin zu müde zum denken.)
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ich würde sagen, dass die Bestellung das Angebot ist. Dabei verzichtet der Gast auf den Zugang der Annahme gem. § 151 S. 1.
Die Annahmehandlung, die ja trotzdem nötig ist, liegt dann im Einschenken des Bieres in der Küche. Zu diesem Zeitpunkt ist dann ein Vertrag zustande gekommen.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

hallo,

würde auch sagen, dass die bestellung der antrag ist. die speisekarte bzw. getränkekarte ist ja lediglich eine invitatio. ansonsten schliesse ich mich supersonic an.

gruss, huckster
Gelöschter Nutzer

Kneipenfall - Abwandlung

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hinsichtlich deiner komplizierteren Abwandlung würde ich folgende Überlegungen anstellen.

Da wir uns Richtung Sekundärbene des Vertrags nähern, muss der Vertrag qualifiziert werden. Am besten nimmt man einen typengemischten Vertrag, §§ 241 I, 311 I BGB (Kauf, Dienst und Werk) an und wendet auf diesen die Kombinationstheorie an. Kombination heißt dann, dass man für den jeweils betreffenden Teil die betreffenden Rechtsnormen anwendet.

Der Anspruch des Wirts auf Zahlung ist entstanden. Ist er erloschen?

1.Vielleicht wegen §§ 326 I 1, 275 I bis III. Hier könnte man Gedanken an Vorratsschuld einer Kneipe in Sachen Bier und Konkretisierung (243 II) sowie den absoluten Fixschuldcharakter eines Bewirtunsvertrags anstellen. Aber im Ergebnis natürlich Unmöglichkeit ablehnen. Bier wird er wohl noch haben und im Rahmen einer Erfüllungszeit liefern können...

2. Erloschen nach erklärtem Rücktritt?
Die nötige konkludente Erklärung (349) wäre im Verlassen zu sehen.

a)Rücktritt wegen Unmöglichkeit, §§ 437 Nr. 2, 326 V BGB scheidet aus, s.o..

b) Rücktritt wegen §§ 437 Nr. 2, 323 I BGB scheidet aus, da kaufgewährlesitungsrechtlich eben noch kein Gefahrübergang.

c) Rücktritt wegen § 323 I BGB: Möglicherweise nichtvertragsgemäße Leistung trotz Fälligkeit? Schneller Verzehr im Rahmen einer Bewirtung Zweck und Inhalt des Vertrags. ABER: Fristsetzung bezogen auf die Bierlieferung, § 323 II.

aa) Nr. 1 - wohl nicht, da keine endgültige und ernsthafte Verweigerung seitens des Wirts. (eng auslegen!)
bb) Nr. 2 - Bier an sich noch lieferbar.
cc) Nr. 3 - wie bei Nr. 2, d.h. in der Kneipe gibt es eben noch Bier. Dein Problem ist das lange Warten auf das Bier.

d) Rücktritt wegen § 324, 241 II BGB. Auch dieser Erlöschenstatbestand ist wohl abzulehnen, da eine zügige Lieferung eher Haupt- als denn Nebenpflicht ist.

e) Soweit kein Rücktrittsgrund ersichtlich.

f) Möglicherweise könntest du aber außerordentlich kündigen, § 626 I BGB analog. (Kombinationstheorie!!!) Bezogen auf die Tatsache, dass du lange warten musstest, liegt nämlich eine pflichtverletzte Dienstleistung vor. Langes Warten ist iSe Dienstleistung an einen Gast eben schwer daneben. Allerdings wird man wohl noch an eine vorherige Abmahnung denken müssen: Gedanke des § 314 II S.1 BGB im Rahmen der analogen Anwendung des § 626 I BGB. Insofern taucht hier ein zweites Fristsetzungsproblem auf. Nun aber bezogen auf das Wartenmüssen und nicht auf das bloße Nichtservieren. Beachte hier § 314 II S. 2 iVm 323 II BGB (Entbehrlichkeit der vorherigen Abmahnung, die wahrscheinlich bei Warten noch nicht vorliegt. Anders wenn dich der Wirt übel beschimpft oder so...)
Gelöschter Nutzer

Re: Wann kommt ein Vertrag in der Kneipe zustande?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Atred hat geschrieben: Abwandlung: Das Bier kommt und kommt nicht. Ich habe irgendwann keine Lust mehr zu warten und gehe (entweder nach mehrmaliger erfolgloser Aufforderung oder ohne).
Wie ist die Rechtslage?
Var.1 -[Annahme mit Aufnahme der Bestellung]:

Übereignung des Bieres unmöglich --> Bezahlungspflicht könnte aber gem. § 326 II dennoch bestehen bleiben. Kommt also drauf an, wie lange du warten musstest.
Wirt muss sich evtl. allerdings gem. 326 II, S.2 ersparte Aufwendung anrechnen lassen, wenn er das Bier an anderen Gast verkauft (also faktisch keine Gegenleistungspflicht mehr).

Var.2 -[Annahme gleichzeitig mit Übereignung des Bieres] --> Anspruch des Wirtes aus CiC in Höhe des geplanten Kaufpreises, da der Vertrag wohl nicht mehr zustande kommt.

Var.3 -[Auslegung, dass Gast konkludent auf Zugang der Annahme verzichtet hat] --> Wie Var. 1

@ Fink: Meinst du, man sollte hier einen typengemischten Vertrag annehmen ? Wenn jemand in die Kneipe geht und ein Bier bestellt ?

Ist der sgn. Bewirtungsvertrag auf den du wohl abhebst nicht eher anzuenehmen, wenn z.B. eine Gesellschaft einen Raum mit Bedienung und Essen mietet ?

Rücktritt würde ich deshalb ablehnen, weil das eine einseitig empfangsbedürftige WE voraussetzt. Das kann zwar konkludent geschehen (z.B. durch Rückgabe einer Sache), aber wohl nicht einfach durch aufstehen und gehen (höchstens der Wirt hat es beobachtet).
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BuggerT
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Beitrag von BuggerT »

supersonic hat geschrieben:Ich würde sagen, dass die Bestellung das Angebot ist. Dabei verzichtet der Gast auf den Zugang der Annahme gem. § 151 S. 1.
Hi supersonic,

prinzipiell wäre das so natürlich denkbar, aber mir kommt das doch etwas "gekünstelt" vor. Ich würde eher die Annahme konkludent in der Übergabe des Bieres sehen. Genauer gesagt ist es nicht nur die Übergabe, sondern die Übereignung und Übergabe.

In der Aufnahme der Bestellung würde ich schon deshalb nicht die Annahme sehen, weil das regelmäßig auch nicht im Interesse des Gastwirtes sein dürfte. Es passiert ja nicht so selten, dass man im Restaurant etwas bestellt, kurz darauf kommt dann aber die Bedienung erneut an den Tisch und teilt mit, dass bedauerlicherweise leider kein Haifischfilet mehr vorrätig ist.
Würde man nun schon in der Aufnahme der Bestellung eine Annahme sehen, hätte der Kunde zunächst gleichwohl einen Erfüllungsanspruch, der dann wegen Unmöglichkeit erloschen ist.

Somit würde ich also in beiden Fällen einen Erfüllungsanspruch (Zahlungsanspruch) gegen den Kunden verneinen. Dann müsste man halt SE aus cic etc andenken.


grtz
BuggerT
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

@ Daniel22

mir ist bei deiner Lösung noch nicht klar, wieso die Leistungspflicht unmöglich geworden ist. Das ist sie nämlich nach meiner Ansicht gerade nicht (Stichworte: Bier in Kneipe Vorratsschuld, Konkretisierung, abs. Fixschuld) Vielleicht kannst du mir deinen Vorschlag über § 326 I, II näher erläutern.

Weiterhin finde ich einen typengemischten Vertrag überzeugender. Hier mit Elementen Kauf, Miete und Dienst. Gerade das Beispiel zeigt, dass Warten auf das Bier nichts mit einem Mangel (434) des Bieres zu tun hat. Schließlich würde mich interessieren, wo der Unterschied für die Klassifizierung des Vertrags ist, wenn ich nun allein oder in einer Gesellschaft in eine Kneipe gehe?

Zum Verlassen einer Kneipe als eine Rücktrittserklärung kann ich mich gerne noch später bei Bedarf äußern.


..so.. und nun zum Duell....
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ich gebe zu, dass es gut vertretbar ist, hier auch keine Unmöglichkeit anzunehmen.
Meine Überlegung war: der Gast verlässt das Gasthaus und hat auch nicht vor noch mal zurückzukommen, ist also für den Wirt nicht mehr auffindbar (zumindest in nächser Zeit nicht), deshalb Unmöglichkeit. Könnte man aber auch mit Konkretisierung (Zapfen des Bieres) begründen.

326 II habe ich dann zitiert, weil der Gast die Unmöglichkeit -sofern man sie annimmt und auf das Verlassen des Lokales stützt- selbst herbei geführt hat.

Noch mal zum typengemischten Vertrag: Dass man hier Elemente des Dienstvertrages sieht, ist sicher vertretbar. Aber es stellt sich, meine ich, schon die Frage: Ist nicht eher nur die Übereignung des Bieres -also nur ein Erfolg- gewollt ?
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Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ich würde in der Speisekarte eine Offerte ad incertas personas sehen, bei der der Gast das Angebot annimmt. Das Vertragsangebot des Wirtes ist aber so auszulegen, dass es sich auf den Vorrat beschränkt, den der Wirt hat.

Dass sich der Gast ggf. anders entscheidet und nach der Bestellung gehen will/muss, fällt in seine Risikosphäre.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Poseidon hat geschrieben:Ich würde in der Speisekarte eine Offerte ad incertas personas sehen, bei der der Gast das Angebot annimmt. Das Vertragsangebot des Wirtes ist aber so auszulegen, dass es sich auf den Vorrat beschränkt, den der Wirt hat.
Würde ich nicht sagen. Was ist, wenn der Wirt mit bestimmten Gästen keinen Vertrag schließen will?

Außerdem wird eine Speisekarte nach dem Empfängerhorizont nicht als verbindliches Angebot aufgefasst.
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Beitrag von BuggerT »

Poseidon hat geschrieben:Ich würde in der Speisekarte eine Offerte ad incertas personas sehen, bei der der Gast das Angebot annimmt. Das Vertragsangebot des Wirtes ist aber so auszulegen, dass es sich auf den Vorrat beschränkt, den der Wirt hat.
Das halte ich für praxisfern, da der Wirt hier der Gefahr der Mehrfachverpflichtung ausgesetzt wäre; das kann wohl nicht in seinem Interesse liegen.

Die beschränkte Gattungsschuld, die du annehmen willst, hilft über diesen Punkt mE nicht hinweg.


grtz
BuggerT
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Beim Aufstellen eines Automaten liegt doch auch eine Off. ad incertas personas.

Und der Vetragsschluss komm nur unter 3 Bedingungen zustande:

1) Automat funktinoert
2) Ware vorhanden
3) richtige Münze wird eingeworfen

Das kann man doch auch den Wirt und seinen Gast übertragen. Wenn im Automaten keine ware enthalten ist, so kann man ja auch nicht den Eigentümer verklagen.

es läuft doch im Prinzip darauf hinaus, das Vertragsangebot an bestimmte "Bedingungen" zu knüpfen, wie es beim Automaten der Fall ist.
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Beitrag von BuggerT »

Nein, meines Erachtens sind beide Konstellationen nicht zu vergleichen.

Ich spare mir an dieser Stelle angesichts der vorgerückten Stunde (oh je, was rede ich :D ) eine ausführlichere Begründung. Es ist meines Wissens nahezu unstreitig, dass Speisekarten lediglich eine invitatio ad offerendum darstellen. Ich habe hier zB das Buch von Köhler, BGB Allgemeiner Teil, liegen; dort findet man (in der 27. Auflage) unter § 8 Rn 9 eine Antwort :wink2:. Die Speisekarte hat wie Werbeprospekte, Zeitungsanzeigen etc nur Informationscharakter.


grtz
BuggerT
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

@BuggerT

Ich gebe mich geschlagen... :D
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

@ Daniel22

erstens.
So wie das geschrieben liest es leider nicht richtig. Vielleicht meinst du das anders. So aber verwechselst du bei § 326 leider die Leistungspflicht mit der Gegenleistungspflicht. Die Unmöglickeit bezieht sich bei dieser Norm auf die Leistung! Bezogen auf den Fall bedeutet dies, dass das Liefern des Bieres unmöglich geworden sein müsste. Das wird es nie sein. Wenn du darauf abstellst, dass der Gast die Kneipe verlässt, wäre nach deinem Gedankengang allenfalls die Zahlung betroffen. Diese ist aber ein Problem der Gegenleistung. Also: immer genau auseinander halten. Insofern greift hier § 326 nicht.


zweitens.
Es ist auch ein typengemischter Vertrag. Ein Besuch in einer Kneipe ist nicht der Kauf eines Autos bei einem Händler. Würde man allein in einer Kneipe auf den Kauf abstellen, müsste der Gast, der vom wackligen Stuhl fällt und sich verletzt, doch bitte so lange warten bis das Bier, also der Gefahrübergang da ist. Schließlich müsste das Bier auch noch mangelhaft sein. Erst dann bekäme er wegen des Sturzes vom Stuhl SchE aus §§ 437, 280, 281. Das kann doch nicht richtig sein. Daher dürfen wir bei solch komplexen Situationen nicht an einem vertypten besonderen Vertrag des BGB stehen bleiben.


@ atred

.... was sagst du eigentlich zu den vorgeschlagenen Entwürfen einer Lösung?
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