Leistungsklage: Verzugszinsen vs. Prozesszinsen

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

Moderator: Verwaltung

Antworten
OJ Loc
Power User
Power User
Beiträge: 430
Registriert: Mittwoch 28. September 2005, 14:54

Leistungsklage: Verzugszinsen vs. Prozesszinsen

Beitrag von OJ Loc »

Wenn ich folgenden Zahlungsantrag habe:

"Der Beklagte wird verurteilt, 12 000,- € nebst 8% Zinsen ab 1.1.2003 an den Kläger zu zahlen."

Woraus ergeben sich hier die Zinsen? Sind das Verzugszinsen oder Prozesszinsen? Wenn es Prozesszinsen sind, ist § 291 BGB eigentlich eine eigene Anspruchsgrundlage? Bei Verzugszinsen wäre die Anspruchsgrundlage doch ganz normal § 280 BGB und § 286 BGB.

Ich habe dieses "nebst Zinsen" schon sehr oft in Urteilen des BGH gelesen. In den letzten Tagen vor allem im Zusammenhang mit Schadensersatz- und Schmerzensgeldklagen. Aber nie wurde darauf eingegangen, woraus der Kläger Anspruch auf die Zinsen hat.


Best regards
OJ
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ab Rechtshängigkeit können grds. Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verlangt werden. AGL ist 291 iVm 288 I 2 BGB, wobei sich der Anspruch aber meist auch schon aus 288 I iVm 286 I 2 BGB ergibt (den 280 brauch ich da nicht).

Will der Kläger höhere Zinsen, z. B. weil er Bankkredit mit 8 Prozent in Anspruch nimmt, muss er diese Zinsen wie du richtig sagst als Verzugsschaden gem. 280 I, II, 286 BGB geltend machen (vgl. auch 288 IV BGB).
Benutzeravatar
BuggerT
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 4405
Registriert: Mittwoch 3. März 2004, 13:14
Ausbildungslevel: Au-was?

Beitrag von BuggerT »

Oh je, mal sehen...

Das Problem ist, dass sich der Beklagte doch mit Erhebung der Klage automatisch in Verzug befindet, würde ich sagen. Vgl § 286 I 2:
Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung (...) gleich.
Ich muss ghostwriter aber widersprechen: den § 280 würde ich hier sehr wohl ranziehen. Der Anspruch ergibt sich mE dann aus §§ 280 I, II, 286 I, 288 I 1; die Höhe bestimmt sich nach § 288 I 2 (5 Prozentpunkte über Basiszinssatz) bzw II (8 Prozentpunkte über Basiszinssatz).

Für Prozesszinsen nach § 291 bleibt daher imho wenig Raum. Denkbar wäre es imho dann, wenn kein Verschulden vorliegt oder aber, wenn der Anspruch noch nicht fällig ist.
Ich habe dieses "nebst Zinsen" schon sehr oft in Urteilen des BGH gelesen. In den letzten Tagen vor allem im Zusammenhang mit Schadensersatz- und Schmerzensgeldklagen.
Tja, bei Schmerzensgeld ist das so eine Sache. IdR fordert man ja als Kläger nur ein "angemessenes Schmerzensgeld" und gibt eine Größenordnung bzw einen Mindestbetrag an.
Hier sehe ich das Problem, ob hier Verzug vorliegen kann, obwohl der letztliche Betrag nicht feststeht; der liegt ja gerade im Ermessen des Gerichts.

Also generell würde ich das über den Verzug lösen. Das wäre dann mE ein komplett selbstständiger Anspruch mit o.g. AGL.

Wie es beim von dir beiläufig genannten Schmerzensgeld aussieht, weiß ich aber nicht. Hier könnte es durchaus sein, dass die Forderung noch nicht als fällig anzusehen ist, so dass die Verzugsregeln nicht passen. Wie das dann aber mit § 291 aussieht, weiß ich nicht.

Vielleicht meldet sich ja noch jemand, der da besser bescheid weiß :wink2:.


grtz
BuggerT
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

BuggerT hat geschrieben: Ich muss ghostwriter aber widersprechen: den § 280 würde ich hier sehr wohl ranziehen. Der Anspruch ergibt sich mE dann aus §§ 280 I, II, 286 I, 288 I 1; die Höhe bestimmt sich nach § 288 I 2 (5 Prozentpunkte über Basiszinssatz) bzw II (8 Prozentpunkte über Basiszinssatz).
So weit ich das in der Praxis gesehen habe zitieren manche Richter den 280 im Urteil mit und manche nicht. Immerhin sagt der BGH ja, 288 I gewähre dem Schuldner einen "objektiven Mindestschaden" (egal ob tatsächlich ein Schaden entstanden ist oder nicht). Diese Betrachtung spricht natürlich für 280 I, II.
Allerdings lese ich aus dem Satz "Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen." ziemlich eindeutig eine eigene AGL heraus. Was soll der bitte sonst aussagen, außer dass der Gläubiger eben einen Anspr auf Zinsen ab Verzug hat? Und mE ist Sinn und Zweck des 288 I auch nicht primär, Schäden des Gläubigers auszugleichen, sondern dem lahmen Schuldner Druck zu machen, ihn zu sanktionieren und vor allem zu verhindern, dass er faktisch zinslos Kredit beim Gl in Ansruch nimmt. Von daher mE richtige Ansicht: 288 I eigene AGL. Zumindest einen Richter konnte ich auch schon davon überzeugen. :)
BuggerT hat geschrieben: Für Prozesszinsen nach § 291 bleibt daher imho wenig Raum. Denkbar wäre es imho dann, wenn kein Verschulden vorliegt oder aber, wenn der Anspruch noch nicht fällig ist.
Richtig erkannt. Da bin ich voll deiner Meinung. :)
BuggerT hat geschrieben: Tja, bei Schmerzensgeld ist das so eine Sache. IdR fordert man ja als Kläger nur ein "angemessenes Schmerzensgeld" und gibt eine Größenordnung bzw einen Mindestbetrag an.
Hier sehe ich das Problem, ob hier Verzug vorliegen kann, obwohl der letztliche Betrag nicht feststeht; der liegt ja gerade im Ermessen des Gerichts.

Also generell würde ich das über den Verzug lösen. Das wäre dann mE ein komplett selbstständiger Anspruch mit o.g. AGL.

Wie es beim von dir beiläufig genannten Schmerzensgeld aussieht, weiß ich aber nicht. Hier könnte es durchaus sein, dass die Forderung noch nicht als fällig anzusehen ist, so dass die Verzugsregeln nicht passen. Wie das dann aber mit § 291 aussieht, weiß ich nicht.
Fälligkeit mE gar kein Problem, der Anspruch entsteht ja nicht erst in einer bestimmten Höhe mit Festsetzung durch das Gericht, sondern der weise Richter ist halt nur der einzige, der letztlich weiß, was billig ist und was nicht.
Verzug tritt mit Klageerhebung unproblematisch ein, da der (bestehende, s. o.) Anspruch zu diesem Zeitpunkt rechtshängig wird. Dass hier ausnahmsweise ein unbezifferter Antrag zulässig ist, ändert hieran gar nix.
OJ Loc
Power User
Power User
Beiträge: 430
Registriert: Mittwoch 28. September 2005, 14:54

Beitrag von OJ Loc »

Kann man die Zinsen nicht einfach beim Umfang des Schadensersatzanspruchs ansprechen?

Zum Beispiel sage ich, dass der Kläger Schmerzensgeld erstattet bekommen kann (§ 253 Abs.2 BGB). In einem nächsten Schritt stelle ich dann fest, dass der Anspruch auch Zinsen hierauf umfasst. Ich würde dann also §§ 291, 288 BGB nur im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB ansprechen.

Ich weiß aber nicht, ob ich das darf?
Benutzeravatar
BuggerT
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 4405
Registriert: Mittwoch 3. März 2004, 13:14
Ausbildungslevel: Au-was?

Beitrag von BuggerT »

@OJ Loc
Du meinst also aufbaumäßig in etwa so:

§ 823 I:
I. Tatbestand (Rechtsgutsverletzung, Handlung, Haftungsbegr. Kausalität)
II. RW
III. Verschulden
IV. Schaden

1. Schadensposten
a) Schmerzensgeld, § 253 II
b) Zinsen, §§ 291, 288

...


Puh, ich hab schon auch das Gefühl, dass das Schmerzensgeld und die Zinsen irgendwie zusammengehören. Ob man die Zinsen aber einfach so als Schadensposten prüfen kann, weiß ich echt nicht. Ich hab grad mal im Palandt bei § 291 nachgeschlagen; aber wirklich schlau bin ich daraus auch nicht geworden.

§ 288 ist meiner Meinung nach keine eigene AGL. Es spricht imho auch einiges dafür, dass § 291 keine eigene AGL ist. Es könnte also durchaus sein, dass man § 291 einfach so nennen kann, wie du es oben machen willst. Aber wie gesagt: ich weiß es nicht.

Wie du oben schon gesagt hast, liest man das ja wirklich ständig in irgendwelchen Urteilen. Kann also doch nicht so schwer sein :wink2:. Wo sind unsere Anwälte? Die müssen sowas doch wissen :D.

Wirklich weiterhelfen konnte ich dir jetzt wohl nicht, sorry! Ach, was misch ich mich auch immer in Sachen ein, von denen ich nichts verstehe :-w.


grtz
BuggerT
Benutzeravatar
BuggerT
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 4405
Registriert: Mittwoch 3. März 2004, 13:14
Ausbildungslevel: Au-was?

Beitrag von BuggerT »

So, nachdem ich jetzt zwei Feierabend-Bier intus hab, hab ich mir nochmal Gedanken dazu gemacht :drinkers: :D:

@ghostwriter
Wie ich oben schon sagte: prinzipiell würde ich das auch über Verzugszinsen lösen. Aber beim hier in Frage stehenden Schmerzensgeld wäre ich mir da nicht so sicher.
Mit der Fälligkeit ist eine Sache; da würde ich dir Recht geben, dass diese vorliegt. Aber weitere Voraussetzung wäre, dass der Schuldner den Verzug zu vertreten hat. Wenn du schon nicht § 280 anwenden willst - was mir immer noch nicht wirklich einleuchtet -, dann ergibt sich das jedenfalls aus § 286 IV.

Hier stell ich mir dann die Frage, ob man wirklich dem Schuldner anlasten kann, dass er einen Betrag nicht gezahlt hat, dessen letztliche Höhe er nicht kannte?!? Wenn das Schmerzensgeld - wie in der Praxis üblich - nicht genau beziffert ist, hab ich da meine Probleme.
Folglich könnte man die Zinsen auch nicht als Verzugszinsen verlangen.

Dann wäre allerdings der Weg frei für § 291. Ich hab dazu mal ein wenig gegoogelt; dort wurde idR § 291 iVm § 288 zitiert, wenn er denn relevant wurde.

Per Googel hab ich auch noch folgendes gefunden:
Bei der Zinsentscheidung wenden viele Referendare § 291 BGB an (Prozesszinsen). Dies offenbart dem Prüfer grundlegende Wissenslücken im 2. Examen. § 291 BGB ist schon nach dem Wortlaut und allgemeiner Auffassung so gut wie nie anwendbar (vgl. Palandt, a.a.O., § 291 RN 1). Denn der vorrangige § 286 Abs. 1 S.2 BGB begründet schon Verzug und die Pflicht zur Zahlung von Zinsen
(Quelle (Verwaister Link http://www.al-online.de/downloads/lp_klausur_a102.pdf automatisch entfernt), S. 23)

Dort ging es allerdings nicht um Schmerzensgeld, so dass sich von mir befürchtete Problematik nicht stellt.

Ich würde also generell über den Verzug arbeiten, beim Schmerzensgeld tendiere ich zu § 291 iVm § 288.


@OJ Loc
Die Rechnung für meine Recherche-Arbeit schick ich dir morgen per PN :wink2:.


grtz
BuggerT
OJ Loc
Power User
Power User
Beiträge: 430
Registriert: Mittwoch 28. September 2005, 14:54

Beitrag von OJ Loc »

Hallo BuggerT! Danke.
Ich habe jetzt noch einmal selbst im Internet nach >Zinsanspruch Schmerzensgeld< gesucht. Alle Urteile, die ich da gefunden habe, stützten den Zinsanspruch auf § 291 BGB in Verbindung mit § 288 BGB.
Also ist § 291 BGB doch eine eigene Anspruchsgrundlage. Von Verzug habe ich da eigentlich nichts gefunden. Ich denke, § 291 BGB in Verbindung mit § 288 BGB ist in Ordnung.


Danke.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

BuggerT hat geschrieben:§ 288 ist meiner Meinung nach keine eigene AGL. Es spricht imho auch einiges dafür, dass § 291 keine eigene AGL ist. Es könnte also durchaus sein, dass man § 291 einfach so nennen kann, wie du es oben machen willst. Aber wie gesagt: ich weiß es nicht.
Nenn doch bitte mal ein Argument, das dagegen spricht...
Kann man die Zinsen nicht einfach beim Umfang des Schadensersatzanspruchs ansprechen?

Zum Beispiel sage ich, dass der Kläger Schmerzensgeld erstattet bekommen kann (§ 253 Abs.2 BGB). In einem nächsten Schritt stelle ich dann fest, dass der Anspruch auch Zinsen hierauf umfasst. Ich würde dann also §§ 291, 288 BGB nur im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB ansprechen.
Das halte ich für nicht vertretbar, sprich falsch. Der Zinsanspruch ist ein selbständiger Anspruch neben dem Hauptanspruch. Was auch immer AGL für die Zinsen sein mag, 823 I BGB ist es mE nicht!
Wie ich oben schon sagte: prinzipiell würde ich das auch über Verzugszinsen lösen. Aber beim hier in Frage stehenden Schmerzensgeld wäre ich mir da nicht so sicher.
Mit der Fälligkeit ist eine Sache; da würde ich dir Recht geben, dass diese vorliegt. Aber weitere Voraussetzung wäre, dass der Schuldner den Verzug zu vertreten hat. Wenn du schon nicht § 280 anwenden willst - was mir immer noch nicht wirklich einleuchtet -, dann ergibt sich das jedenfalls aus § 286 IV.

Hier stell ich mir dann die Frage, ob man wirklich dem Schuldner anlasten kann, dass er einen Betrag nicht gezahlt hat, dessen letztliche Höhe er nicht kannte?!? Wenn das Schmerzensgeld - wie in der Praxis üblich - nicht genau beziffert ist, hab ich da meine Probleme.
Folglich könnte man die Zinsen auch nicht als Verzugszinsen verlangen.
Lässt sich sicherlich hören. Wobei sich der Schuldner allein auf eine "schwierige Rechtslage" bzw. einen "Rechtsirrtum" wohl nur selten berufen wird können. Zumindest bis zur Höhe einer gewissen "Untergrenze" muss dem Schuldner wohl klar sein, dass er zahlen muss. Aber im Ergebnis ist es wegen 291 ja letztlich wurscht, ab Rhk. gibt's Zinsen auch beim Schmerzensgeld, das ist völlig unstreitig.
Per Googel hab ich auch noch folgendes gefunden:
Zitat:

Bei der Zinsentscheidung wenden viele Referendare § 291 BGB an (Prozesszinsen). Dies offenbart dem Prüfer grundlegende Wissenslücken im 2. Examen. § 291 BGB ist schon nach dem Wortlaut und allgemeiner Auffassung so gut wie nie anwendbar (vgl. Palandt, a.a.O., § 291 RN 1). Denn der vorrangige § 286 Abs. 1 S.2 BGB begründet schon Verzug und die Pflicht zur Zahlung von Zinsen
Ein Stück weit aA auch hier wieder mal ich. :) Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Palandt ergibt sich mE, dass man 291 nicht neben Verzugszinsen (woraus im Einzelnen auch immer) anwenden darf. Aus der Wendung "auch wenn er nicht im Verzug ist" ergibt sich mE gerade bzw. erst Recht, dass es im Verzugsfall stets Prozesszinsen gibt.

Aber um mal wieder etwas auf n Teppich zu kommen:
In der Praxis macht sich da kein Mensch, weder Richter noch Anwälte irgendwelche Gedanken. Es gibt Zinsen, fertig aus, und ob da am Ende der Klage bzw. des Urteils "288, 291" oder "280, 286, 288" oder was weiß ich steht, interessiert einfach niemanden. Sich über so nen rein dogmatischen Blödsinn Gedanken zu machen haben nur so Leute wie wir Zeit für... :)
Benutzeravatar
BuggerT
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 4405
Registriert: Mittwoch 3. März 2004, 13:14
Ausbildungslevel: Au-was?

Beitrag von BuggerT »

@ghostwriter
Jetzt hab ich halt wirklich meine alten Fallbücher rausgekramt und tatsächlich wurde dort ein Anspruch auf Verzugszinsen auf §§ 288, 286 I gestützt. Demnach wäre also § 288 doch eine AGL und man bräuchte den § 280 nicht :-w .

Allerdings hab ich hier auch einen Aufsatz vor mir liegen, in dem Zinsen ab Verzugsbeginn wieder auf §§ 280 I, II, 286 I 1, 288 I 2 BGB gestützt werden.

Wäre ja auch schlimm, wenn sich Juristen mal einig wären :D.

Ich denke also, dass §§ 291, 288 BGB oder §§ 288, 286 I BGB vertretbar sind.

Letztlich spielt es ja wirklich keine Rolle; die Zinsen sind zu entrichten und fertig :wink2:.


grtz
BuggerT
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hehe, fast wie in der Politik: Am Ende einigt man sich auf etwas, was eigentlich schon von Anfang an feststand (nämlich, dass es eigentlich gar kein Problem gibt) und am Ende gehen alle als Sieger raus. Schön. :)
Antworten