Besitzkondiktion

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

Moderator: Verwaltung

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Gelöschter Nutzer

Besitzkondiktion

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hallo,

ich hab ein schweres Verständnisproblem:

D stiehlt dem E eine Sache und verkauft sie weiter an den gutgläubigen B. Der Kaufvertrag ist dabei nichtig.

Nun kann E gegen B § 985 geltend machen und den Besitz herausverlangen.

Aber was ist mit D? Der hat doch rechtsgrundlos den Besitz an der Sache an B geleistet. Den kann er doch eigentlich über § 812 I 1 Alt. 1 kondizieren.

Das Ergebnis ist aber doch komisch:

B müsste den Besitz sowohl an D (gem § 812 I 1 Alt. 1) als auch an E (gem. § 985) herausgeben.

Was mach ich falsch....

Arggg...Sachenrecht ](*,)
ProstG!
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Beitrag von ProstG! »

D kann nicht bei B kondizieren, das ist klar. Begründen könnte man es mit

1. 985 BGB ist stärker
2. "dolo facit..."
3. 242 BGB

nur ein Vorschlag...
"Der Stellvertreter hat nur dann die Rechte und Pflichten des Vorsitzenden, wenn dieser behindert ist" (§ 107 I 3 AktG)
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Wenn D als erster kommt und die Sache haben will, würd ich auch "dolo facit.." sagen.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ich denke auch, dass es das sein wird.

Gekommen bin ich auf das ganze so:
Die Konstellation von oben ist ja der Fall, wo strittig ist, wie E an die von B gezogenen Nutzungen kommt (Rspr.: § 988 analog, Literatur: ausnahmesweise Leistungskondiktion).

Nach der h.M. müsste also der D bei B die Nutzungen kondizieren und E könnte dann gem. §§ 823, 249 diese wieder bei D holen.

Deshalb hab ich mich gefragt, was genau der D eingentlich kondiziert. Denn "die Nutzungen" geht ja nicht:

1. etwas erlangt
-> Besitz
2. durch Leistung des D
-> (+)
3. ohne rechtlichen Grund
-> Kaufvertrag D-B nichtig

Herausgabe ginge dann auf den Besitz PLUS die Nutzungen ("AUCH auf die Nutzungen")
Ich bin da jetzt etwas verwirrt, dass D NUR die Nutzungen kondizieren soll.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Moin, moin,

ich würd´ den Fall über § 817 S. 2 BGB lösen. Der Kaufvertrag zwischen D und B dürfte zumindest nach § 138 I BGB (evtl. § 134 BGB i.V.m. §§ 246, 263 StGB) nichtig sein. Da § 817 S. 2 BGB entgegen des etwas mißverständlichen Wortlauts ("gleichfalls") auch anwendbar ist, wenn nur der Leistende verwerflich gehandelt hat, kann D die zur Erfüllung des nichtigen Kaufvertrags geleistete Sache nicht zurückfordern.
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veltina
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Beitrag von veltina »

dude hat geschrieben:Moin, moin,

ich würd´ den Fall über § 817 S. 2 BGB lösen. Der Kaufvertrag zwischen D und B dürfte zumindest nach § 138 I BGB (evtl. § 134 BGB i.V.m. §§ 246, 263 StGB) nichtig sein.
Wie kommst du denn darauf? B ist doch gutgläubig, und was wäre ihm denn da geholfen, wenn du den KV wegen Betrugs AN ihm nichtig sein lässt?? Und wieso soll es nichtig sein, wenn ein Nichtberechtigter über eine Sache verfügt? Da bräuchten wir ja den ganzen gutgläubigen Erwerb nicht, wenn's so einfach wäre...
134: Wenn der Vertrag SELBST gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, zB KV über Drogen.
138: Wenn der Vertragsinhalt sittenwidrig ist (zB oft bei Organhandel) oder der Vertragspartner schlecht behandelt ist (zB bei den sittenwidrigen Bürgschaften) oder die Interessen Dritter/der Allgemeinheit missachtet werden. Dass einer der Vertragspartner ein sittenwidriges Motiv verfolgt, macht nicht den ganzen Vertrag sittenwidrig!

Unter normalen Umständen ist der Vertrag D-B also durchaus wirksam, 817 greift nicht!
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Im Ausgangsfall von alex011 ist von Nichtigkeit des Kaufvertrags die Rede.
Aber sei´s drum, selbst wenn man auf dem Standpunkt stünde, der KV sei wirksam, führt dies nicht zwangsläufig zu einem Ausschluss des § 817 S. 2 BGB. Der Abschluss des KV stellt einen Betrug des D an B dar, ein gesetzliches Verbot i.S.v. § 817 S. 1 BGB liegt vor. Da § 817 S. 2 BGB nicht voraussetzt, dass auch der Leistungsempfänger (B) gesetzes- oder sittenwidrig gehandelt hat, kann D die zur "Erfüllung" des (meinetwegen wirksamen) Kaufvertrags geleistete Sache nicht zurückfordern. Ein solches Ergebnis ist doch mehr als nur verständlich. Wenn auch der B ungerechtfertigt bereichert ist, da er wegen § 935 I 1 BGB kein Eigentum erwerben konnte, darf eine Leistungskondiktion des Diebes nicht dazu führen, eine "noch ungerechtfertigtere" Bereicherungslage herzustellen. Einem Anspruch des Diebes auf Rückgabe des Diebesgutes steht daher § 817 S. 2 BGB entgegen.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Man sollte vielleicht zuerst mal den Thread-Ersteller fragen, warum denn der Kaufvertrag hier nichtig ist bzw. sein soll? Geht er (Var. A) davon aus, dass der Kaufvertrag deswegen nichtig ist, weil Gegenstand eine gestohlene Sache ist oder soll (Var. B) die Nichtigkeit (aus welchen Gründen auch immer) einfach mal unterstellt werden?

In Var. A würde ich mich insoweit der Meinung von veltina anschließen, als dass der Kaufvertrag weder nach 134 noch nach 138 I BGB nichtig ist.
134 ist mE deswegen nicht einschlägig, weil sich wenn überhaupt nur der D strafbar gemacht hat, ein einseitiger Gesetzesverstoß reicht aber für 134 idR nicht aus (Palandt, 63. Aufl., § 134, Rn 8, 9). Dass insbesondere ein Eingehungsbetrug nicht automatisch die Nichtigkeit des Vertrags nach 134 begründet, ergibt sich ja schon im Umkehrschluss aus 123 BGB. Im Übrigen halte ich es für sehr zweifelhaft, ob D sich durch Abschluss des KVs (erneut) strafbar gemacht hat. 146 StGB würde ich abgesehen von Tatbestands- oder Konkurrenzlösung bereits deshalb ablehnen, weil mE allein im Abschluss des KVs keine erneute Manifestation des Zueignungswillens liegt. Auch ist 263 StGB (Eingehungsbetrug) mE nicht erfüllt, da es jedenfalls am Vermögensschaden bei B fehlen dürfte. Vereinbarte Leistung und Gegenleistung sind (wohl) gleichwertig und solange D die Sache nicht übereignet bzw. übereignen kann, ist B durch die Unmöglichkeitsregeln etc. hinreichend geschützt, sprich er muss auch nicht zahlen.
Geht man aber in Var. A von der Wirksamkeit des KVs aus, kommt man schon gar nicht zu 817 BGB, weil dann der Besitz nicht rechtsgrundlos geleistet wurde und ein Kondiktionsanspruch von vornherein ausscheidet.

Zu Var. B: Da es bei 817 BGB genügt, dass entweder das Grund- oder das Erfüllungsgeschäft gegen 134 oder 138 BGB verstößt, ist mit Sicherheit an 817 S. 2 BGB zu denken. Ob die "Quasi-Übereignung" (=Leistung des Besitzes) als Erfüllungsgeschäft hier tatsächlich gegen 134 oder 138 I BGB verstößt, wage ich allerdings zu bezweifeln. Ansonsten wäre 935 I BGB nämlich tatsächlich überflüssig, wenn man bei abhanden gekommenen Sachen stets eine wirksame Einigung im Sinne von 929 S. 1 BGB verneinen würde.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Na ja, ganz so einfach ist es wohl nicht.
"Var. A": Weshalb sich D durch Abschluss des KV nicht nach § 263 StGB strafbar gemacht haben soll, erschließt sich mir nicht. Selbst wenn man in der Kaufpreiszahlungspflicht nach § 433 I 1 BGB keinen Vermögensschaden sehen sollte, lässt sich eine konkrete Vermögensgefährdung wohl kaum leugnen. Dies ergibt sich ja gerade aus der Gutgläubigkeit des B. Inwieweit er trotz Unkenntnis der Eigentumslage durch die Vorschriften zur Unmöglichkeit geschützt sein soll, bleibt mir unklar, zumal die Sache bereits übergeben wurde, der Kaufpreis also schon bezahlt sein dürfte. Zudem scheidet ein Kondiktionsanspruch des D selbst bei unterstellter Wirksamkeit des KV mitnichten von vornherein aus. Die Übergabe der Kaufsache kann wegen § 935 I 1 BGB nicht zur Erfüllung des KV führen, so dass sich ein Anspruch des D aus § 812 I 2 Alt 2 BGB ergäbe.
"Var. A und B": § 817 S. 2 BGB setzt, wie sich auch aus dem letzten Hs. ergibt, nicht voraus, dass die Übergabe der Kaufsache selbst gesetzes- oder sittenwidrig sein muss. Der Gesetzesverstoss (§ 263 StGB) bezieht sich auf das Verpflichtungsgeschäft. Und ich bleibe dabei, das zur Erfüllung dieser kaufvertraglichen Verbindlichkeit Geleistete kann von D wegen § 817 S. 2 BGB nicht zurückgefordert werden.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

dude hat geschrieben:"Var. A": Weshalb sich D durch Abschluss des KV nicht nach § 263 StGB strafbar gemacht haben soll, erschließt sich mir nicht. Selbst wenn man in der Kaufpreiszahlungspflicht nach § 433 I 1 BGB keinen Vermögensschaden sehen sollte, lässt sich eine konkrete Vermögensgefährdung wohl kaum leugnen. Dies ergibt sich ja gerade aus der Gutgläubigkeit des B. Inwieweit er trotz Unkenntnis der Eigentumslage durch die Vorschriften zur Unmöglichkeit geschützt sein soll, bleibt mir unklar, zumal die Sache bereits übergeben wurde, der Kaufpreis also schon bezahlt sein dürfte.
Ok, meinetwegen ist 263 StGB wegen konkreter Vermögensgefährdung bereits durch Abschluss des KVs erfüllt. Wie gesagt führt dies aber mE keineswegs zur Nichtigkeit des Vertrags nach 134 BGB. Hauptargument nach wie vor 123 I Alt. 1 BGB. B kann anfechten, aber der Vertrag ist zunächst wirksam.
dude hat geschrieben:Zudem scheidet ein Kondiktionsanspruch des D selbst bei unterstellter Wirksamkeit des KV mitnichten von vornherein aus. Die Übergabe der Kaufsache kann wegen § 935 I 1 BGB nicht zur Erfüllung des KV führen, so dass sich ein Anspruch des D aus § 812 I 2 Alt 2 BGB ergäbe.
Das sieht die ganz hM (ich kenn auch keine Gegenmeinung) anders. 812 I 2 Alt. 2 BGB greift nur dann, wenn ein über den bloßen Leistungsaustausch hinausgehender Erfolg bezweckt wird (vgl. auch den Gesetzeswortlaut). Dies ist hier aber nicht der Fall.
dude hat geschrieben: "Var. A und B": § 817 S. 2 BGB setzt, wie sich auch aus dem letzten Hs. ergibt, nicht voraus, dass die Übergabe der Kaufsache selbst gesetzes- oder sittenwidrig sein muss. Der Gesetzesverstoss (§ 263 StGB) bezieht sich auf das Verpflichtungsgeschäft. Und ich bleibe dabei, das zur Erfüllung dieser kaufvertraglichen Verbindlichkeit Geleistete kann von D wegen § 817 S. 2 BGB nicht zurückgefordert werden.
Das habe ich auch nicht behauptet. Es reicht wie gesagt aus, dass entweder das Grund- oder das Erfüllungsgeschäft (oder natürlich beide) gesetzes- oder sittenwidrig sind. Da ich aber ebenfalls nach wie vor dabei bleibe, dass das Grundgeschäft hier nicht gegen 134 oder 138 verstößt, kann im Rahmen des 817 S. 2 BGB nach meiner Lösung eben nur noch auf das Erfüllungsgeschäft abgestellt werden und auch da habe ich wie gesagt meine Zweifel, ob 134 oder 138 BGB (+). Ich meine eher nein.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

ghostwriter hat geschrieben: kann im Rahmen des 817 S. 2 BGB nach meiner Lösung eben nur noch auf das Erfüllungsgeschäft abgestellt werden und auch da habe ich wie gesagt meine Zweifel, ob 134 oder 138 BGB (+). Ich meine eher nein.
Das Erfüllungsgeschäft scheitert doch sowieso an § 935, kann also auch nicht nichtig sein.

Oh, sorry...habe gerade gesehen, dass du das selbst ja schon oben festgestellt hast. Ich bezweifle auch stark, ob man wegen § 935 noch von einem "Rechtsgeschäft" sprechen kann, da die Willenserklärungen überhaupt keine Wirkungen haben. Sieht mir eher nach Realakt aus.
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