Kino.to (Streaming) und das UrhG

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Ara
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Re: Kino.to (Streaming) und das UrhG

Beitrag von Ara »

ToSaPhi hat geschrieben:
Ara hat geschrieben:Siehe Hutz post oben "soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird"

Bei YouTube würde man vermutlich tatsächlich § 53 UrhG anwenden können (Wenn sich z.B. jemand ein Musikvideo anschaut und imo sogar wenn man es runterlädt), aber bei offensichtlich illegalen Seiten wie es Kino.to war ist es wohl nicht mehr mit § 53 UrhG vereinbar.
Ich kenne mich im Urheberrecht so gut wie gar nicht aus, wollte jetzt aber trotzdem mal nachhaken ;-)
§53 I 1 UrhG stellt ja auf eine "Vorlage" ab. Ich habe keine Literatur dazu gelesen, aber ist als Vorlage wirklich das gesamte Portal "YouTube" zu bezeichnen, sofern es um ein dort eingestelltes Video geht? Was ich damit meine: Wenn jetzt z.B. eine Scrubs-Folge in drei Teilen und schlechter Qualität hochgeladen wird (womöglich noch mit ProSieben-Zeichen eingeblendet), dann würde das für mich schon eine offensichtlich rechtswidrige Vorlage darstellen - vorausgesetzt man darf es als Vorlage betrachten. Könnte man das auch so sehen oder ist "Vorlage" immer nur der Anbieter des Portals?
Denn in ersterem Fall würde ja auch die Privilegierung des §53 UrhG ins Wanken geraten...
§53 I 1 UrhG zählt ja zwei Alternativen auf: "offensichtlich rechtswidrig hergestellte" oder "offensichtlich rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht" Vorlage.

Alternative 2 deckt den Fall ab, dass eine legale Vorlage (zum Beispiel eine DvD) auf YouTube geladen wird. Alternative 1 deckt dagegen den Fall ab, dass schon die Herstellung der Vorlage rechtswidrig war, also z.B. ein Camrip aus dem Kino.

Jetzt mal ohne weiter nachzuforschen aus dem Bauch raus: Das "Mitschneiden" einer Scrubs-Folge ist ja selbst abgedeckt durch §53 I 1 UrhG, das ist ja der klassische Fall einer Privatkopie. Eine weitere Privatkopie gemäß §53 I 1 UrhG von einer Privatkopie sollte auch kein Problem sein. Problematisch wird aber das veröffentlichen auf YouTube. Selbst wenn man kein Gewinnstreben hätte, verstößt die Veröffentlichung gegen §13 II UrhG und somit wäre die Veröffentlichung auf YouTube "rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht" und da man davon ausgehen kann, dass Pro7 keine schlechte Qualität auf YouTube veröffentlichen würde, würde man in dem speziellen Fall mit Branding wohl auch von "offensichtlich" ausgehen.

Ist aber sicher ne Einzelfallentscheidung.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
Einsamer
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Re: Kino.to (Streaming) und das UrhG

Beitrag von Einsamer »

Wenn ich es richtig verstehe, bezieht sich §53 UrhG auf die private Sicherungskopie während sich §44a UrhG auf das streamen bezieht?

Ich darf bei gekauften Tonträgern eine gewisse Anzahl an Sicherungskopien machen. So viel ich weiß, spricht man von 7 Kopien. Dieses soll durch eben den §53 UrhG gedeckt sein.

Beim Film anschauen oder Musik hören, muß aus technischen Gründen eine temporäre Kopie auf der Festplatte gspeichert werden. Dies ist vom Nutzer nicht zu beeinflussen, wenn er eine entsprechende Aktion durch führt. Das wird im §44a UrhG bestimmt.

Zu den einzelnen Filmen, ob diese angeschaut werden dürfen oder nicht:
1. Wenn erkennbar ist, dass ein Film mit einem Aufnahmegerät wie z.B. Handycamera, aufgezeichnet wurde. muss man von ausgehen, dass die Bereitstellung des Filmes illegal ist.

2. Bei Neuerscheinungen die noch im Kino laifen, wird es schwieriger, muesste man aber auch von ausgehen, dass diese überwiegend illegal sind. Wie kann ein Nutzer wissen, ob der Anbieter nicht die Rechte hat um den Film zu zeigen? Da diese Seiten mit Werbung arbeiten, kann sich der Nutzer doch denken, dass der Anbieter sich eben durch die Werbung finanziert.

3. Bei älteren Filmen wird es ganz schwierig. Es gibt viele Portale wie z.B. Bild.de, wo man sich legal Foilme anschauen kann. Auch die Betreiber von Kino.to zeigen ältere Filme. Wenn diese Filme sogar schon im freizugänglichem TV zu sehen war, kann ein Nutzer nicht wissen, ob der Anbieter dieses darf oder nicht.

4. Bei youtube hat man oft die Meldung, dass dieses Video aufgrund von Urheberrechtsverletzungen gelöscht wurde. Von daher kann man davon ausgehen, dass es bei youtube rechtlich in Ordnung ist, sich dort Musik und Filme an zu schauen.

Selbst wenn man einen Nutzer auf Schadenersatz verklagen will, wie hoch wäre diese Summe? So hoch wie eine Kinokarte
abzüglich der Kosten pro Film und Besucher die ein Kino hat? Ich denke, in den Fällen wird es schwer, da eine Klage bis zum Ende durch zu ziehen.

Das sind mal meine Gedanken dazu.
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BuggerT
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Re: Kino.to (Streaming) und das UrhG

Beitrag von BuggerT »

ToSaPhi hat geschrieben: Ich habe keine Literatur dazu gelesen, aber ist als Vorlage wirklich das gesamte Portal "YouTube" zu bezeichnen, sofern es um ein dort eingestelltes Video geht?
Nein, Vorlage meint schlicht die zur Vervielfältigung des jeweiligen Werks verwendete "Kopiervorlage".


grtz
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Re: Kino.to (Streaming) und das UrhG

Beitrag von TimAdomeit »

Hallo,

ich bin kein Experte in Urheberrechtsfragen, aber dennoch empfinde ich die leichtfertige strafrechtliche Wertung einer Kopie durch Streaming als unhaltbar.

Die Kopie wird angelegt, egal ob man dies will oder nicht. So wie jeder Browser im Cache daten hinterlegt und Kopien macht, Bilder, Texte usw... warum soll bei Filmen hier auf einmal eine Strafbarkeit bzw. Urheberrechtsverstoß automatisch gegeben sein?

Das ist widersprüchlich. Eine strafrechtliche Wertung muss einheitlich sein und erfolgen.
Der Ansatzpunkt hier wäre: jeder der Bilder auf seiner HP zur Verfügung stellt erklärt sich damit einverstanden, dass der Betrachter eine Kopie des Bildes etc. auf seinem Rechner anfertigt, und dieses Einverständnis ist bei einer illegalen zur Verfügung gestellten Kopie eines Filmes sicherlich nicht gegeben.

Dennoch kann eine technisch unveränderliche Tatsache (Cache) dem User nicht so leicht zur Last gelegt werden. Schließlich macht sich auch nicht automatisch jeder der GEMA gegenüber zum Zahlungsgläubiger, nur weil er im Schwimmbad auf seinem "Ghettoblaster" seine Mucke hört.

Die bewusst gesteuerte Kopie eines geschützten Werkes sollte das Mindestkriterium darstellen. Beim Stream alleine ist auch weiter zu prüfen ob der Delinquent genug Speicher für den Cache freigegeben hat, oder ob die Kopie automatisch gelöscht wird usw.
Diese Unwägbarkeiten stehen in meinen Augen im Gegensatz zum Bestimmtheitsgrundsatz.
"Das Gesetz regelt nur wie hart man sich gegenseitig in die Fresse hauen darf" (Jens A.)

Falls ich mal nicht sofort "repliziere"... Entschuldigung - ich lebe nicht online.
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Ara
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Re: Kino.to (Streaming) und das UrhG

Beitrag von Ara »

Warum "ob man will oder nicht"? Der User klickt aktiv auf den Stream und holt sich damit den Film in seinen Cache und anschließend auf den Bildschirm. Möchte er dies nicht tun, dann darf er nicht draufklicken. Das aktive Tun des Users ist beim starten eines Streams das gleiche wie beim starten eines Downloads. Dass es dem user nicht darauf ankommt eine Kopie im Cache abzulegen ist ja irrelevant, er handelt zumindest mit Dolus Eventualis.

Und natürlich erklärt jeder Webseitenbetreiber sich dazu bereit, dass ein User beim Abrufen der Seite eine Kopie aller Bilder erstellt. Der entscheidende Punkt ist hier doch über den Vorsatz zu regeln. Wenn jemand auf einer Kochseite ein Bild online stellt wozu er nicht das Recht hat und ein User ruft es ab, dann handelt er (wenn überhaupt) fahrlässig. Bei einer Streamingseite ist aber Vorsatz gegeben.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Kino.to (Streaming) und das UrhG

Beitrag von Ara »

Mal als Aktualisierung des Threads: Im vierten Strafverfahren gegen die Kino.to Betreiber hat sich das Amtsgericht auch beiläufig mit der Frage beschäftigt, ob das Streamen eine illegale Vervielfältigung sei und der Richter kommt zum Ergebnis, dass Streamen und Downloaden strafrechtlich das gleiche sei -> Klick mich
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Re: Kino.to (Streaming) und das UrhG

Beitrag von Nimm2 »

TimAdomeit hat geschrieben:
Die bewusst gesteuerte Kopie eines geschützten Werkes sollte das Mindestkriterium darstellen. Beim Stream alleine ist auch weiter zu prüfen ob der Delinquent genug Speicher für den Cache freigegeben hat, oder ob die Kopie automatisch gelöscht wird usw.
Diese Unwägbarkeiten stehen in meinen Augen im Gegensatz zum Bestimmtheitsgrundsatz.
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Re: Kino.to (Streaming) und das UrhG

Beitrag von Trente Steele82 »

"Ich bin ein Freund der privaten Passivitäten, bin also ein fauler Mensch, der versucht seine Intelligenz einzusetzen, um weiterhin faul zu bleiben zu können." (Benno Heussen)
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Ara
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Re: Kino.to (Streaming) und das UrhG

Beitrag von Ara »

Beihilfe oder was soll das werden?
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Re: Kino.to (Streaming) und das UrhG

Beitrag von Kroate »

Herr Vetter hat in seinem Blog einen Kommentar dazu veröffentlicht: http://www.lawblog.de/index.php/archive ... suchungen/
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Re: Kino.to (Streaming) und das UrhG

Beitrag von Ara »

Abgesehen davon, dass Vetter erneut ignoriert, dass keine !dauerhafte! Vervielfältig nötig ist (Umkehrschluß aus § 44a UrHG), warum sollte es am Vorsatz scheitern?

Ein Subsumtionsirrtum ist doch für den Vorsatz irrelevant. In der Laiensphäre wird der Täter ja wohl schon für möglich gehalten haben, dass das was er da macht eine Raubkopie sein könnte.
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Re: Kino.to (Streaming) und das UrhG

Beitrag von Nemesis63 »

Ich würde aufgrund der unklaren Rechtslage momentan noch einen unvermeidbaren Verbotsirrtum annehmen...
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Trente Steele82
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Re: Kino.to (Streaming) und das UrhG

Beitrag von Trente Steele82 »

"Ich bin ein Freund der privaten Passivitäten, bin also ein fauler Mensch, der versucht seine Intelligenz einzusetzen, um weiterhin faul zu bleiben zu können." (Benno Heussen)
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Re: Kino.to (Streaming) und das UrhG

Beitrag von Ant-Man »

Oðlakcýoðlu, Der Videostream und seine urheberstrafrechtliche Bewertung, in: ZIS 2012, 431 ff.

www.zis-online.com/dat/artikel/2012_8-9_698.pdf
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Re: Kino.to (Streaming) und das UrhG

Beitrag von smallprint »

Ara hat geschrieben:Ein Subsumtionsirrtum ist doch für den Vorsatz irrelevant. In der Laiensphäre wird der Täter ja wohl schon für möglich gehalten haben, dass das was er da macht eine Raubkopie sein könnte.
Wenn der Nutzer mit seinem beschränkten Verständnis davon ausgeht, daß es keine Kopie bei ihm gibt und er die Sache nur anschaut, sind wir m.E. im § 16 I StGB, nicht im § 17. Du kannst nicht das allgemeine Bewußtsein, die Angelegenheit könnte irgendwie rechtswidrig sein, dazu verwenden, um Vorsatz hinsichtlich der Merkmale des obj. Tatbestands zu ersetzn.
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