[FamR] Bestellung zum Pfleger für alle ungeborenen Kinder

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thh
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[FamR] Bestellung zum Pfleger für alle ungeborenen Kinder

Beitrag von thh »

Das Thema würde sicherlich auch in eine Skurrilitätensammlung passen - ich stelle die Frage trotzdem hier.

Nehmen wir an, ein Vormundschaftsgericht - in Württemberg nahmen und nehmen dessen Aufgaben die staatlichen Notariate wahr - würde einen Bürger gemäß § 1913 BGB (man muss wohl ergänzen: analog) zum Pfleger für alle Kinder, die in der Bundesrepublik gezeugt, aber noch nicht geboren sind, bestellen, mit dem Wirkungskreis "Vertretung der [ungeborenen] Kinder bei der Entscheidung darüber, ob sie vor der Geburt getötet werden dürfen oder nicht und alle damit zusammenhängenden Fragen".

Wer wäre gegen eine solche Entscheidung - man könnte an http://rvum.de/wp-content/uploads/Besta ... _Egert.pdf denken - beschwerdebefugt?

Gäbe es ein sonstiges Rechtsmittel, das zur Beseitigung einer solchen Pflegerbestellung führen würde?

Grüße,
-thh
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batman
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Re: [FamR] Bestellung zum Pfleger für alle ungeborenen Kinde

Beitrag von batman »

Hier ist wohl eher § 1912 BGB einschlägig. Beschwerdeberechtigt ist zweifellos jeder Elternteil, dem die elterliche Sorge zustehen würde (vgl. Palandt, § 1912 Rdnr. 8).
falsus
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Re: [FamR] Bestellung zum Pfleger für alle ungeborenen Kinde

Beitrag von falsus »

Ob er selber merkt, dass der Notar sich einen derben Scherz (Bestallung?) erlaubt hat?
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Amtsgerichtsrat
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Re: [FamR] Bestellung zum Pfleger für alle ungeborenen Kinde

Beitrag von Amtsgerichtsrat »

"Bestallung" ist tatsächlich das korrekte Wort, falsus.

Quelle: http://www.duden.de/rechtschreibung/Bestallung

@topic: Der Betreuer dürfte auch beschwerdebefugt sein - denn wer will diesen Job machen? Die Betreuungsstelle (§§ 1ff. BetrBG) wohl eher nicht, oder?

Edit: 20.09.2014 - 20:06 Uhr

Zusatz: Aber viel interessanter ist mMn die Frage, ob das ungeborene (und sehr unbestimmte) Rechtssubjekt "ungeborenes Kind XYZ" überhaupt taugliches Ziel einer solchen Bestimmung sein könnte oder ob diese (wofür einiges spricht) nicht mangels Bestimmbarkeit leer liefe, ja vielleicht sogar nichtig wäre? Denn - und da kommen wir nicht umhin - Voraussetzung für die Einrichtung einer Pflegschaft ist doch jedenfalls, dass der "unbekannte" (der auch noch nicht geboren sein muss) in irgendeiner Art und Weise identifizierbar sein muss? Bei dem noch nicht gezeugten Nacherben ergibt sich wenigstens aus dem Familienstammbaum eine gewissen Eingrenzbarkeit.
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thh
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Re: [FamR] Bestellung zum Pfleger für alle ungeborenen Kinde

Beitrag von thh »

batman hat geschrieben:Hier ist wohl eher § 1912 BGB einschlägig. Beschwerdeberechtigt ist zweifellos jeder Elternteil, dem die elterliche Sorge zustehen würde (vgl. Palandt, § 1912 Rdnr. 8).
Dann kann man ja nur hoffen, dass die nächsten werdenden Eltern sich der Sache einmal annehmen ... Vielleicht gibt's ja im Forum Interessenten dafür. \:D/
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Re: [FamR] Bestellung zum Pfleger für alle ungeborenen Kinde

Beitrag von thh »

Amtsgerichtsrat hat geschrieben:@topic: Der Betreuer dürfte auch beschwerdebefugt sein - denn wer will diesen Job machen? Die Betreuungsstelle (§§ 1ff. BetrBG) wohl eher nicht, oder?
Der Betreuer hat das ja gerade angeleiert, offenkundig, um auf diese Weise gegen Abtreibungen vorzugehen (und jetzt gegen entsprechende vorgeburtliche Diagnostik). Insofern mangelt es wohl nicht am Willen.
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Re: [FamR] Bestellung zum Pfleger für alle ungeborenen Kinde

Beitrag von Amtsgerichtsrat »

thh hat geschrieben:
Amtsgerichtsrat hat geschrieben:@topic: Der Betreuer dürfte auch beschwerdebefugt sein - denn wer will diesen Job machen? Die Betreuungsstelle (§§ 1ff. BetrBG) wohl eher nicht, oder?
Der Betreuer hat das ja gerade angeleiert, offenkundig, um auf diese Weise gegen Abtreibungen vorzugehen (und jetzt gegen entsprechende vorgeburtliche Diagnostik). Insofern mangelt es wohl nicht am Willen.
Der Fall ist nicht fiktiv?! :crazy:

Edit: Hab gerade das verlinkte PDF angeschaut. Unglaublich. Nachdem das ganze von 1990 ist, dürften alle Beschwerdefristen abgelaufen sein ;) Aber von Amts wegen ist jederzeit zu prüfen, ob die Vss. des § 1913 BGB "immer noch" vorliegen. Vielleicht mal eine entsprechende Bitte an das Notariat herantragen...
Was machen die in dem Notariat eigentlich den ganzen Tag? :drinking:
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Re: [FamR] Bestellung zum Pfleger für alle ungeborenen Kinde

Beitrag von Syd26 »

Amtsgerichtsrat hat geschrieben:Der Fall ist nicht fiktiv?! :crazy:
Ist ja Wahnsinn!
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batman
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Re: [FamR] Bestellung zum Pfleger für alle ungeborenen Kinde

Beitrag von batman »

Amtsgerichtsrat hat geschrieben:Nachdem das ganze von 1990 ist, dürften alle Beschwerdefristen abgelaufen sein ;)
Fraglich bei einem am Verfahren nicht beteiligten, aber i.S.v. § 59 I FamFG Betroffenen, dem der Beschluss nicht bekanntgegeben worden ist.
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Re: [FamR] Bestellung zum Pfleger für alle ungeborenen Kinde

Beitrag von Amtsgerichtsrat »

Guter Einwand.
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Re: AW: [FamR] Bestellung zum Pfleger für alle ungeborenen K

Beitrag von thh »

Amtsgerichtsrat hat geschrieben:Der Fall ist nicht fiktiv?! :crazy:

Edit: Hab gerade das verlinkte PDF angeschaut. Unglaublich.
Ich sage ja gerne "Truth is stranger than fiction" und behaupte, dass mich nichts mehr überraschen könne, muss aber freimütig zugeben, dass dieser Beschluss eine Ausnahme ist. :-)
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Re: [FamR] Bestellung zum Pfleger für alle ungeborenen Kinde

Beitrag von Syd26 »

batman hat geschrieben:
Amtsgerichtsrat hat geschrieben:Nachdem das ganze von 1990 ist, dürften alle Beschwerdefristen abgelaufen sein ;)
Fraglich bei einem am Verfahren nicht beteiligten, aber i.S.v. § 59 I FamFG Betroffenen, dem der Beschluss nicht bekanntgegeben worden ist.
Hm...in der Monatsfrist wären wir noch drin. Ich hab ein 8 Monate altes Kind... :D
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Re: [FamR] Bestellung zum Pfleger für alle ungeborenen Kinde

Beitrag von Amtsgerichtsrat »

Dann treibe doch bitte die spannende Rechtsfrage mal voran und Beschwere Dich :) Kosten fallen im Betreuungsverfahren ja nur an, wenn das Gericht sie ausdrücklich auferlegt und das tut es wohl eher nur in den Fällen, wo die Beschwerde grober Unfug ist.

Das zuständige AG für das Notariat Waiblingen II ist das AG Waiblingen :)
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Re: [FamR] Bestellung zum Pfleger für alle ungeborenen Kinde

Beitrag von Syd26 »

Amtsgerichtsrat hat geschrieben:Dann treibe doch bitte die spannende Rechtsfrage mal voran und Beschwere Dich :) Kosten fallen im Betreuungsverfahren ja nur an, wenn das Gericht sie ausdrücklich auferlegt und das tut es wohl eher nur in den Fällen, wo die Beschwerde grober Unfug ist.

Das zuständige AG für das Notariat Waiblingen II ist das AG Waiblingen :)
Danke für den Hinweis. ;) Geht die Beschwerde nicht zum OLG Stuttgart?
Der Spaß wäre es mir echt wert. :D

Aber: Weiß jemand, ob das Ding zwischenzeitlich vielleicht nicht doch noch aufgehoben wurde?

Wo findet man eigentlich so einen Beschluss - aus dem Nichts?

Edit: Geht nicht. Der Beschluss betrifft ja "nur" alle ungeborenen Kinder.

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Re: [FamR] Bestellung zum Pfleger für alle ungeborenen Kinde

Beitrag von famulus »

Ein phantastisches Fundstück!

[quote="Notar Alfred Deiss a.k.a. "Der Vormundschaftsrichter""]Besonders bedenklich, ja geradezu skandalös sieht der Vormundschaftsrichter die Tatsache an, daß im Einigungsvertrag mit der früheren DDR die sogenannte Fristenlösung für Teile der heutigen Bundesrepublik Deutschland als weiterhin praktizierbar festgelegt wurde. Es können also künftig ungeborene Kinder völlig grundlos - oder auch gezielt aus niedrigen Beweggründen - ohne Notsituation, ohne jegliche Beratung aus reiner Willkür getötet werden, wenn nur die Mutter sich in eines der östlichen Länder der Bundesrepublik begibt.

[...]

Wer immer sich in unserer Gesellschaft uneigennützig für andere einsetzt, erhält Ehrungen, Auszeichnungen, Lobreden von allen Seiten. Gleiches verdient eigentlich auch Herr Egert. Er sorgt sich uneigennützig für die schwächsten und wehrlosesten Glieder unserer Gesellschaft und hat sich - wie aus seinem Schriftsatz ersichtlich - intensiv rechtlich, medizinisch und auf jede sonstige Weise mit der Materie vertraut gemacht, ein zumindest anerkennenswertes Verhalten. Er ist zur ehrenamtlichen Übernahme des Pflegschaft bereit. Nichts steht dem entgegen, ihn als Pfleger zu bestellen. Daß er sich wegen seines Engagements auf seine Verantwortung vor Gott und den Menschen beruft, ist nur positiv zu werten, haben doch dasselbe auch die Väter unseres Grundgesetzes getan (siehe Präambel zum GG). Er erinnert zurecht an Art. 2 Abs. 2 GG ("Jeder hat das Recht auf Leben . . . "), ein Artikel, der bekanntlich die direkte Antwort der Väter des Grundgesetzes auf die Greuel der Ideologie des Nationalsozialismus mit ihrem grauenvollen Rassenwahn und Vernichtung menschlichen Lebens war. Wäre damals ein Mann aufgestanden und hätte Pflegschaft gefordert für die vielen unbekannten Juden, Behinderten und Andersdenkenden, wie würde man einen solchen Mann heute beurteilen? Noch heute entschuldigen sich Politiker jeder Richtung für das damalige Mitmachen, Schweigen, Nichtstun.

Wäre ein Tscheche nach 1945 aufgestanden und hätte eine Pflegschaft gefordert für die vielen unbekannten Frauen, Kinder und Greise, die ohne Verschulden aus ihrer seit Generationen angestammten Heimat mittellos von einer Stunde auf die andere vertrieben wurden, wie würde man einen solchen Hann heute beurteilen? Heute erst erklären die Bischöfe der CSFR (wörtlich): "Die damaligen Repräsentanten der Ortskirchen fanden in der Situation, die eingetreten war, nicht den Mut, ein entscheidendes Wort zu sprechen. So wurden wir als Christen durch unser Schweigen mitschuldig an dem Racheakt gegenüber den Deutschen."

Wäre einer in der früheren DDR aufgestanden und hätte eine Pfleschaft gefordert für die vielen Unbekannten, die andersdenkend kurzerhand verschwunden sind und deren Leichen man jetzt in Massengräbern gefunden hat, wie würde man einen solchen heute beurteilen.

Wenn also heute Herr Egert eine Pflegschaft fordert, sich als Pfleger bereitfindet, nur um seinem Gewissen folgend für andere einzutreten, so soll ihm das nicht von der untersten Instanz, dem Vormundschaftsgericht, von vornherein unmöglich gemacht werden.[/quote]
Amen Bruder.
»Ich kenne den Schmerz, den ich hatte, weil ich zweimal die Vorhaut mit dem Reißverschluss mitgenommen habe, so dass dieser - also Reißverschluss - einmal in einer Klinik entfernt werden musste.« - Chefreferendar
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