[FamR] Bestellung zum Pfleger für alle ungeborenen Kinder

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Justitian
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Re: [FamR] Bestellung zum Pfleger für alle ungeborenen Kinde

Beitrag von Justitian »

Was denn für eine "Willenserklärung"?

Und welche Angelegenheiten sollen eigentlich durch das Betreuungsverhältnis geregelt werden? In Betracht kommt ja nur die Abtreibung durch die Mutter, und die ist ja iRd. §§ 218 ff. StGB, die auch verfassungskonform sind, unproblematisch zulässig. Den einzigen sinnvollen Anwendungsbereich für § 1913 BGB sehe ich tatsächlich im erbrechtlichen Kontext.

Im Übrigen kann ich das Wort "Bestallung" - passend zum Thread - nicht ernst nehmen. Wird das tatsächlich auch in der Praxis verwendet? In der Literatur habe ich bis jetzt auch nur "Bestellung" gelesen.
"[...] führt das ja nicht dazu, dass eine Feststellungsklage mit dem Inhalt "Wie wird das Wetter morgen?" zulässig wird" - Swann, 01.03.17
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thh
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Re: [FamR] Bestellung zum Pfleger für alle ungeborenen Kinde

Beitrag von thh »

Justitian hat geschrieben:Was denn für eine "Willenserklärung"?
Die Willenserklärung wurde ja verlinkt: sie untersagt die Pränataldiagnostik, weil das ungeborene Kind - vertreten durch den Pfleger - dieser nicht zustimmt und auch die Weitergabe eventueller Erkenntnisse an die Mutter / die Eltern verbietet (Schweigepflicht!). Wer aber mögliche Krankheiten oder Behinderungen des ungeborenen Kindes nicht kennen kann, kann es deswegen auch nicht abtreiben.

Wobei ich vermute, dass der Pfleger eine Abtreibung ohnehin untersagen würde.
Justitian hat geschrieben:Und welche Angelegenheiten sollen eigentlich durch das Betreuungsverhältnis geregelt werden? In Betracht kommt ja nur die Abtreibung durch die Mutter, und die ist ja iRd. §§ 218 ff. StGB, die auch verfassungskonform sind, unproblematisch zulässig.
Die Abtreibung war wohl der ursprüngliche Ansatzpunkt; jetzt geht es vor allem um die Pränataldiagnostik.

Im Hinblick auf die Vorschriften der §§ 218 ff. StGB dürften die Folgen einer entgegenstehenden Willenserklärung des abzutreibenden ungeborenen Kindes in der rechtswissenschaftlichen Diskussion noch nicht abschließend geklärt sein. Jedenfalls kann das Kind aber die Abtreibung durch eine einstweilige Anordnung zu verhindern trachten.
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Re: [FamR] Bestellung zum Pfleger für alle ungeborenen Kinde

Beitrag von Unusual-Et »

Justitian hat geschrieben:Im Übrigen kann ich das Wort "Bestallung" - passend zum Thread - nicht ernst nehmen. Wird das tatsächlich auch in der Praxis verwendet?
Es genügt ein Blick in Wikipedia unter https://de.wikipedia.org/wiki/Bestallung
oder https://de.wikipedia.org/wiki/Betreuerausweis

Als Pfleger könnte ich gegen eine konkrete Abtreibung nur theoretisch vorgehen:
  • a) erfahre ich üblicherweise nichts von der dementsprechenden Planung
    b) sieht das StGB außer der Zustimmung der Schwangeren keine Mitwirkung (oder Einspruchsmöglichkeit) des betroffenen Kindes bzw. dessen gesetzlichen Vertreters vor (auch der Vater kann dies nicht..)
    c) könnte sich der gesetzliche Vertreter ausschließlich auf höherrangiges Grundrecht oder auf Verstoß gegen die Bedingungen des §218a StGB beziehen (z.B. Beratung nicht gesetzesgemäß erfolgt).
Zuletzt geändert von Unusual-Et am Montag 18. April 2016, 13:17, insgesamt 1-mal geändert.
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Justitian
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Re: [FamR] Bestellung zum Pfleger für alle ungeborenen Kinde

Beitrag von Justitian »

thh hat geschrieben: Im Hinblick auf die Vorschriften der §§ 218 ff. StGB dürften die Folgen einer entgegenstehenden Willenserklärung des abzutreibenden ungeborenen Kindes in der rechtswissenschaftlichen Diskussion noch nicht abschließend geklärt sein. Jedenfalls kann das Kind aber die Abtreibung durch eine einstweilige Anordnung zu verhindern trachten.
Was soll denn der Anordnungsanspruch sein? Der Gesetzgeber hat die Abwägung zwischen dem Recht des Kindes auf Leben und dem der Mutter auf Selbstbestimmung dergestalt abschließend geregelt, dass in den ersten zwölf Wochen das Recht des Kindes keine Berücksichtigung findet. Die Mutter darf ja willkürlich entscheiden. In Betracht käme allenfalls ein Anspruch auf Einhaltung des Beratungstermins.
"[...] führt das ja nicht dazu, dass eine Feststellungsklage mit dem Inhalt "Wie wird das Wetter morgen?" zulässig wird" - Swann, 01.03.17
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Re: [FamR] Bestellung zum Pfleger für alle ungeborenen Kinde

Beitrag von thh »

Justitian hat geschrieben:
thh hat geschrieben:Im Hinblick auf die Vorschriften der §§ 218 ff. StGB dürften die Folgen einer entgegenstehenden Willenserklärung des abzutreibenden ungeborenen Kindes in der rechtswissenschaftlichen Diskussion noch nicht abschließend geklärt sein. Jedenfalls kann das Kind aber die Abtreibung durch eine einstweilige Anordnung zu verhindern trachten.
Was soll denn der Anordnungsanspruch sein? Der Gesetzgeber hat die Abwägung zwischen dem Recht des Kindes auf Leben und dem der Mutter auf Selbstbestimmung dergestalt abschließend geregelt, dass in den ersten zwölf Wochen das Recht des Kindes keine Berücksichtigung findet.
Dass ein Schwangerschaftsabbruch dann nicht strafbar ist bzw. aus dem Straftatbestand ausgenommen wird, bedeutet im Umkehrschluss ja noch nicht, dass er deshalb - auch gegen den Willen des dadurch zu tötenden Kindes - zulässig ist. Viele Handlungen sind straffrei, aber nichtsdestotrotz unzulässig.
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Justitian
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Re: [FamR] Bestellung zum Pfleger für alle ungeborenen Kinde

Beitrag von Justitian »

Grundsätzlich ist das natürlich richtig, aber ich denke beim Schwangerschaftsabbruch wollte der Gesetzgeber eindeutig eine abschließende Regelung auch für das Zivilrecht treffen. Das ergibt sich schon aus 218a II StGB a fortiori, subsidär außerdem aus 34 StGB.
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Re: [FamR] Bestellung zum Pfleger für alle ungeborenen Kinde

Beitrag von Swann »

thh hat geschrieben: Dass ein Schwangerschaftsabbruch dann nicht strafbar ist bzw. aus dem Straftatbestand ausgenommen wird, bedeutet im Umkehrschluss ja noch nicht, dass er deshalb - auch gegen den Willen des dadurch zu tötenden Kindes - zulässig ist. Viele Handlungen sind straffrei, aber nichtsdestotrotz unzulässig.
Das zeigt umso dringender an, dass diesem Unsinn ein Ende gemacht werden muss. Es handelt sich um den klaren Missbrauch rechtlicher Formen für ein politisches Anliegen.
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