InsO: Anmeldung = höheres Anfechtungsrisiko?

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smallprint
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InsO: Anmeldung = höheres Anfechtungsrisiko?

Beitrag von smallprint »

Ich möchte mal folgende Frage zur Diskussion stellen:

Ich habe inzwischen den Eindruck, daß Anmeldungen von teilweise getilgten Forderungen gegen Insolvenzschuldner für die Verwalter geradezu eine Einladung sind, um nach möglichen Anfechtungsgründen für die bereits vom Gläubiger vereinnahmten Zahlungen zu graben. Die liefert der Gläubiger oft genug leichtfertig in Form eines Forderungskontos mit.

Die realisierbaren Quoten, die ich in der Praxis in der von uns betreuten Branche sehe, sind ja meist im unteren einstelligen Prozentbereich, so daß i.d.R. das Verlustrisiko durch Anfrechungen höher zu bewerten wäre als die Gewinnchancen aus einer Anmeldung der Restforderung. Bei der Zielgruppe der chaotisch wirtschaftenden Einzelunternehmer könnte es ja durchaus sein,daß die Informationen vom Verwalter mangels Zugänglichkeit ohne Anmeldung nicht so leicht gefunden werden.

Hat jemand praktische Erfahrungen damit, ob man das Anfechtungsrisiko deutich senken kann, wenn man bei teilweise getilgten Forderungen die Anmeldung bewußt unterläßt?
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Torquemada
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Re: InsO: Anmeldung = höheres Anfechtungsrisiko?

Beitrag von Torquemada »

"Den" Insolvenzverwalter gibt es nicht: Von den etwa 2.000 in Deutschland zu Insolvenzverwaltern bestimmten Personen sind etwa ein Viertel Vollprofis mit entsprechender Qualifikation und entsprechend qualifiziertem Mitarbeiterstab, der Rest eben nicht. Viele Verwalter haben deshalb wenig Ahnung von Insolvenzanfechtung (und auch nicht das Personal, das z.B. bei der Bearbeitung der Forderungsanmeldungen anfechtungsgeeignete Fälle erkennt und vorlegt) oder haben für sich die Erfahrung gemacht, dass zügige Liquidierung und alsbaldiger Verfahrensabschluss das für sie wirtschaftlich vorteilhafteste Vorgehen ist. Das Umsetzungsdefizit bei der Insolvenzanfechtung ist daher bei vielen Verwaltern hoch.

Je nachdem, was für einen Verwalter man erwischt, kann es deshalb schon einmal sein, dass ein im Rahmen der Forderungsanmeldung mundgerecht präsentierter Anfechtungssachverhalt - insbesondere ein solcher, aus dem sich die Voraussetzungen einer inkongruenten Deckung oder der Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit ergeben - im Einzelfall das zusätzliche Quäntchen Motivation erzeugt, dessen es bedurfte, damit sich im Verwalterbüro mal jemand zur Prüfung und Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen bequemt. Ob das so häufig ist? Eher nicht. Dass man dem Verwalter im Rahmen der Anmeldung überhaupt erst die notwendigen und anders nicht zu beschaffenden Informationen über die in der Krise erfolgten Mittelabflüsse gibt, halte ich zumindest bei den üblichen unbaren Leistungen (Banküberweisungen) ohnehin für weniger plausibel.
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Re: InsO: Anmeldung = höheres Anfechtungsrisiko?

Beitrag von utriusque »

Professionelle Gläubiger (Sozialversicherungsträger, Finanzamt) senden jedenfalls nie irgendwelche Forderungskonten, aus denen sich Tilgungen ergeben. Nachfragen kann man sich in Bundesländern ohne IFG auch sparen. Der Weg über die Gerichtsvollzieher ist steinig ("Ich habe in den letzten drei Jahren ca 300 Vollstreckungsmaßnahmen bei dem Schuldner durchgeführt. Eine Zahlungsliste kann ich nicht erstellen, ich führe die Akten mit Bleistift und Papier und über ein Sammelkonto. Fragen Sie den Schuldner, der muss alle Quittungen haben. Akteneinsicht in die Vollstreckungsakten ist mir zu aufwändig, und muss über den Amtsvorstand [wer immer das sein mag] genehmigt werden."). Man muss sich also im Zweifel durch fünf Waschkörbe halbverschimmelter und unvollständiger Belege kämpfen.

Da liest der Verwalter natürlich vorher erstmal alle Forderungsanmeldungen. Schon aus olfaktorischen Gründen. Man kann den Gläubigern nicht empfehlen, mehr anzugeben als unbedingt notwendig.

Man kann auch eine Restforderung von 500 EUR mit dem VB über 2000 EUR anmelden. Auf Nachfragen des Verwalters, was mit dem Restbetrag ist (getilgt, erlassen, von der Oma bezahlt, whatever) muss sich der Gläubiger nicht erklären. Man kann ja auch Teilklagen erheben. Mehr als einen Anhaltspunkt hat der Verwalter dann nicht (aber vorsicht, es gibt noch viele weitere Informationsquellen...)
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Re: InsO: Anmeldung = höheres Anfechtungsrisiko?

Beitrag von smallprint »

Danke für die Antworten. Mit ist auch klar, daß bei gewissenhafter Durchsicht der Verträge und Zahlungen die Informationen an sich ja vorhanden sind. Aber ich nehme mal mit, daß man die "Zugänglichkeit" nicht von sich aus erhöhen sollte.

Auch daß man sehr unterschiedliche Ansätze bei den Verwaltern sieht, teilweise experimentelle PKH-Anträge nach dem Motto "mal schauen, was passiert", teilweise auch gut begründete Klagen, gegen die kaum etwas einzuwenden ist, kann ich bestätigen.
Nimm2
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Re: InsO: Anmeldung = höheres Anfechtungsrisiko?

Beitrag von Nimm2 »

Der Gedanke ist durchaus berechtigt. Aber was ist die Konsequenz, keine Forderung mehr anmelden? Gerade wenn die Forderung noch gesichert ist, ist der Begründungsaufwand gegenüber dem Mandanten schon hoch.

Ich habe gerade die Erfahrung gemacht, dass wenn der Verwalter mit Aus/ und Absonderung "genervt" wird, er dann gerne mit Anfechtung zurückschießt.
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