[ArbR] Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz Urlaub

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cd84
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[ArbR] Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz Urlaub

Beitrag von cd84 »

Hallo,

gehen wir davon aus, es existiert kein Tarifvertrag.
Grundsätzlich ist es ja möglich, dass AN verschiede Urlaubstage erhalten (siehe BAG zu Birkenstock)

Aber wie sieht es mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz aus, wenn in den einzelnen Arbeitsverträgen "willkürlich" (also abhängig von Verhandlungssgeschick bzw. Eintritt in Betrieb) verschiedene Urlaubstage vereinbart werden?

Angenommen 15 AN haben je 28 Urlaubstage, 5 AN haben je 26 Urlaubstage.

Hätten diese 5 AN einen Anspruch auf 28 Urlaubstage aufgrund des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (nicht AGG)?

Wenn es jetzt um Weihnachtsgeld gehen würde, dann würde man diesen Anspruch doch zweifelsfrei bejahen, oder?
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Tikka
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Re: [ArbR] Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz Url

Beitrag von Tikka »

cd84 hat geschrieben:Hallo,

gehen wir davon aus, es existiert kein Tarifvertrag.
Grundsätzlich ist es ja möglich, dass AN verschiede Urlaubstage erhalten (siehe BAG zu Birkenstock)

Aber wie sieht es mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz aus, wenn in den einzelnen Arbeitsverträgen "willkürlich" (also abhängig von Verhandlungssgeschick bzw. Eintritt in Betrieb) verschiedene Urlaubstage vereinbart werden?

Angenommen 15 AN haben je 28 Urlaubstage, 5 AN haben je 26 Urlaubstage.

Hätten diese 5 AN einen Anspruch auf 28 Urlaubstage aufgrund des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (nicht AGG)?
m.E. nach nein. Der AGG verbietet nur die willkürliche Ungleichbehandlung. Eine solche liegt aber gerade nicht vor, wenn eine entsprechende vertragliche Abrede besteht.
Wenn es jetzt um Weihnachtsgeld gehen würde, dann würde man diesen Anspruch doch zweifelsfrei bejahen, oder?
Nein, wenn die Weihnachtsgeldhöhe vertraglich vereinbart ist sicher nicht.

Um das ganze anschaulicher zu machen:
Ein ArbG kann arbeitsvertraglich mit seinen ArbN verschiedene Urlaubstage, Gehalt, Sonderleistungen etc. vereinbaren. Soviel Privatautonomie ist selbst im deutschen Arbeitsrecht noch zulässig. Es gibt keinen Anspruch der schlechter verhandelnden Mitarbeiter auf Gleichstellung mit den besser verhandelnden.

Was verboten ist, ist lediglich die willkürliche (einseitige) Besser- oder Schlechterstellung. Um bei Deinem Beispiel mit dem Weihnachtsgeld zu bleiben: Der ArbG entscheidet sich (e: als Freiwillige überobligatorische Leistung) jedem Mitarbeiter 2000,- EUR Weihnachtsgeld auszuzahlen, ausser den Mitarbeitern A,B u. C die der Geschäftsführer nicht mag. DAS ist eine Verletzung des AGG.
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Re: [ArbR] Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz Url

Beitrag von cd84 »

Danke Tikka!

Nochmal zur Klarstellung: Ich rede jetzt nicht vom AGG sondern vom gewohnheitsrechtlich anerkannten allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

Wie sieht es mit folgenden Konstellationen aus:

Alle älteren AN haben 28 Urlaubstage, alle neu einsteigenden erhalten nur noch 26?

Alle Mitarbeiter mit akademischem Abschluss erhalten 28 Urlaubstage, alle Sekretärinnen nur 24.

Oder gehe ich da gedanklich schon falsch ran, weil alle vertraglichen Vereinbarungen von vorneherein nicht unter den Anwendungsbereich fallen?

D.h. dürfte der Arbeitgeber in den Arbeitsverträgen allen Mitarbeitern 2000 € Weihnachtsgeld gewähren nur A, B und C nicht?

Ansonsten: Wo liegt die Abgrenzung zwischen Privatautonomie und Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes?
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Tikka
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Beitrag von Tikka »

cd84 hat geschrieben:Danke Tikka!

Nochmal zur Klarstellung: Ich rede jetzt nicht vom AGG sondern vom gewohnheitsrechtlich anerkannten allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
Is klar, ich bin nur zu faul ihn auszuschreiben. :)
Wie sieht es mit folgenden Konstellationen aus:
Ich zitiere mal das BAG und hebe hervor:
BAG, NZA-RR 2010, 289 hat geschrieben:Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regelung gleich zu behandeln. Damit verbietet der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Im Bereich der Arbeitsvergütung ist er trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit anwendbar, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder einen bestimmten Zweck festlegt (st. Rspr., vgl. BAG [15. 7. 2009], NZA 2009, NZA Jahr 2009 Seite 1202 = DB 2009, DB Jahr 2009 Seite 2496 m.w. Nachw.). Ist dies der Fall, darf er einzelne Arbeitnehmer von der Leistung nur ausnehmen, wenn die Ausnahme sachlichen Kriterien entspricht.
Alle älteren AN haben 28 Urlaubstage, alle neu einsteigenden erhalten nur noch 26?

Alle Mitarbeiter mit akademischem Abschluss erhalten 28 Urlaubstage, alle Sekretärinnen nur 24.
[...]
Halte ich beides für unproblematisch. Wenn der Arbeitgeber entscheidet ab einem Stichtag Neueinsteigern weniger Urlaub gewähren zu wollen oder generell bestimmten Arbeitnehmergruppen mehr Urlaub gewährt als anderen (e: gemeint ist immer per arbeitsvertraglicher Regelung), liegt das im Rahmen der Privatautonomie. Der AGG kommt ja grundsätzlich nur zur Anwendung, wenn der Arbeitgeber von sich aus eine Leistung nach bestimmten Kriterien gewährt (die vom BAG so genannten "selbst gesetzten Regeln") und der Arbeitgeber willkürlich hiervon abweicht. Dies liegt aber bei vertraglichen Vereinbarungen nicht vor. Dort ist - zumindest in der Theorie- der Inhalt ja gemeinsam vereinbart und unterliegt (in den Grenzen bestehender Gesetze, TVen und BVen) der Regelungsautonomie der Vertragspartner.

Man kann natürlich in Zeiten von Formulararbeitsverträgen an der Gerechtigkeit der Lösung zweifeln, dogmatisch bin ich aber in der Tat der Ansicht, dass Differenzierungen bereits im Arbeitsvertrag ohne Rücksicht auf den AGG zulässig sind. Schwierig nach AGG sind immer nicht-vertragliche Leistungen wie Sonderleistungen, Prämien, Sonderurlaub etc. p.p.
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