Fallunterscheidung: causa honestus, anceps, humile, turpe

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Moderator: Verwaltung

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Gelöschter Nutzer

Fallunterscheidung: causa honestus, anceps, humile, turpe

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hallo,

meine Frage betrifft weniger ein spezielles Rechtsgebiet als die juristische Rhetorik/Argumentation allgemein, ich hoffe, ich bin hier richtig.

In der Klassischen Rhetorik gibt es eine Klassifikation, die verschiedene Glaubhaftigkeitsgrade von Redegegenständen aus Sicht des Publikums unterscheidet (genera causarum, figura controversiae):

- paradox bzw. adox, humile bzw. turpe, niedrig bzw. schockierend
- amphidox, anceps, ungewiss/strittig
- endox, honestus, anerkannt
- (außerdem ggf. schwer verständlich, kompliziert)

Gibt es diese oder eine ähnliche Klassifikation in der modernen juristischen Fachsprache (bzw. in der Rechtswissenschaft)?

Dazu nur noch ein paar Assoziationen:

Untergekommen sind mir bereits die Begriffe 'Vertretbarkeit/Vertretbarkeitsgrad' sowie 'Bagatellsache', umgangssprachlich liegt für anceps/amphidox 'Grauzone' nahe.

Die Klassifikation wurde vermutlich in der juristischen Beredsamkeit des Hellenismus auf eine Formel gebracht und findet sich dann in Bezug auf allgemeine Rhetorik bei Cicero, Quintilian u.a. Der historische Sinn der Klassifikation war wohl, dem Redner in Abhängigkeit von seinem Fall eine Anleitung oder zumindest Argumentationshilfe zur Produktion seiner Rede/seines Plädoyers an die Hand zu geben.

Beispiele für 'Paradoxien' aus der epideiktischen Beredsamkeit wären Tyrannenlob, Lob der Torheit, Lob der Fliege etc. Aber das nur als Hinweis am Rande.

Nach meiner Laienauffassung wäre jede Verteidigung eines 'wahrscheinlichen' Mörders (wie in "Die 12 Geschworenen") paradox, seine Anklage hingegen endox.

Soweit. Ich bin für jeden Hinweis dankbar.

Liebe Grüße,
L_Egeips
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