[Erbrecht] Fragen zur Ausschlagung

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Syd26
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[Erbrecht] Fragen zur Ausschlagung

Beitrag von Syd26 »

Wir haben nachfolgenden Fall im Kollegenkreis diskutiert und sind uns uneinig.

Die Stiefmutter des Mandanten ist verstorben. Es gibt keine letztwillige Verfügung, somit tritt die gesetzliche Erbfolge ein, was zunächst heißt, dass ihre beiden leiblichen Kinder sowie ihr aktueller Ehemann erben. Ihre Eltern leben noch.

Sämtliche gesetzliche Erben werden das Erbe wegen Überschuldung ausschlagen.

Der Mandant fragt sich nun, ob er als Stiefkind ebenfalls ausschlagen muss.

Uns ist natürlich bekannt, dass Stiefkinder kein Erbrecht haben. Allerdings wird der Ehemann Alleinerbe, wenn alle anderen ausschlagen. Schlägt er nun ebenfalls aus, würden seine leiblichen Kinder erben. Und hier beginnen die Fragezeichen. Ich bin der Meinung, dass Stiefkinder mangels Verwandtschaft zur Stiefmutter nie erben können, auch dann nicht, wenn der Ehemann ausschlägt.

Oder doch?
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Niederegger
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Re: [Erbrecht] Fragen zur Ausschlagung

Beitrag von Niederegger »

Ich sehe es ebenso wie Du: Infolge der Ausschlagungen gestaltet sich die gesetzliche Erbfolge nach § 1953 I, II BGB so, als ob alle Ausschlagenden vor dem Erblasser vorverstorben wären. Wäre dies so, wäre die Erbschaft aber auch nicht dem Stiefkind angefallen. Letztlich ein Fall für den Freistaat (§ 1936 S. 1 BGB, der ja auch noch einmal die Richtigkeit dieser Rechtsanwendung bestätigt: Kein Verwandter, Ehepartner oder Lebenspartner vorhanden, also Staatserbrecht).
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Re: [Erbrecht] Fragen zur Ausschlagung

Beitrag von Syd26 »

Niederegger hat geschrieben:Ich sehe es ebenso wie Du: Infolge der Ausschlagungen gestaltet sich die gesetzliche Erbfolge nach § 1953 I, II BGB so, als ob alle Ausschlagenden vor dem Erblasser vorverstorben wären. Wäre dies so, wäre die Erbschaft aber auch nicht dem Stiefkind angefallen. Letztlich ein Fall für den Freistaat (§ 1936 S. 1 BGB, der ja auch noch einmal die Richtigkeit dieser Rechtsanwendung bestätigt: Kein Verwandter, Ehepartner oder Lebenspartner vorhanden, also Staatserbrecht).
Eben. Zur Stiefmutter besteht keine Verwandtschaft, sondern nur eine Schwägerschaft.

Was beim hiesigen AG übrigens mal zu der weitreichenden Frage geführt hat, ob der Stiefvater der Ehefrau des Klägers ein Zeugnisverweigerungsrecht hat. :D

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Re: [Erbrecht] Fragen zur Ausschlagung

Beitrag von Niederegger »

;)
Ich habe die Antwort darauf zwar nicht präsent im Kopf, aber Gesetz lesen und subsumieren hilft im allgemeinen schon viel. O:) Dass man sich dabei trotzdem in weitreichende gesetzesferne Fragen verstricken kann, habe ich gerade wieder in einer Examensarbeit zu § 498 BGB gesehen.
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Re: [Erbrecht] Fragen zur Ausschlagung

Beitrag von Syd26 »

Nochmal zur Ausschlagung: Selbst das zuständige Nachlassgericht ist ratlos. Da kann man dem Mandanten ja nur raten, vorsorglich auszuschlagen, denn die Frist läuft...
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Re: [Erbrecht] Fragen zur Ausschlagung

Beitrag von j_laurentius »

Ungeachtet der sicherlich sinnvollen Empfehlung, vorsorglich die Ausschlagung zu erklären, meine ich, daß sich die Frage durch § 1953 Abs. 1, 2 BGB doch ziemlich klar beantwortet, oder? Der einzige Weg, auf dem der Stiefsohn am Erbe der Stiefmutter partizipieren könnte, wäre der über seinen Vater, dieser müßte also für eine "logische Sekunde" Erbe seiner Ehefrau geworden sein. Dies wird aber durch § 1953 Abs. 1 BGB doch gerade verhindert und durch dessen Abs. 2 sozusagen "verstärkt".

Viele Grüße, Jana
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Re: [Erbrecht] Fragen zur Ausschlagung

Beitrag von Syd26 »

j_laurentius hat geschrieben:Ungeachtet der sicherlich sinnvollen Empfehlung, vorsorglich die Ausschlagung zu erklären, meine ich, daß sich die Frage durch § 1953 Abs. 1, 2 BGB doch ziemlich klar beantwortet, oder? Der einzige Weg, auf dem der Stiefsohn am Erbe der Stiefmutter partizipieren könnte, wäre der über seinen Vater, dieser müßte also für eine "logische Sekunde" Erbe seiner Ehefrau geworden sein. Dies wird aber durch § 1953 Abs. 1 BGB doch gerade verhindert und durch dessen Abs. 2 sozusagen "verstärkt".

Viele Grüße, Jana
Jana, ich bin ja Deiner Meinung. Allerdings sieht die zuständige Rechtspflegerin das wohl nicht so. Der Mandant und ich wollen da nichts riskieren, ggf. sollte ich die Rechtspflegerin mal auf die Vorschrift hinweisen. ;)
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Re: [Erbrecht] Fragen zur Ausschlagung

Beitrag von Niederegger »

Ich halte die Rechtslage auch immer noch für klar. Aber in Gottes Namen eben lieber eine Ausschlagung zu viel als eine zu wenig, wenn die Rechtspflegerin es möchte...
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Syd26
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Re: [Erbrecht] Fragen zur Ausschlagung

Beitrag von Syd26 »

Sie hatte ein Einsehen... ;)
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Re: [Erbrecht] Fragen zur Ausschlagung

Beitrag von Pippen »

Die Sache ist doch glasklar: Ausschlagen kann nur, wer erbt. Von der Stiefmutter (und nur um diese Erbschaft geht es) erbt das Stiefkind auf jeden Fall nichts. Also braucht es hier nicht ausschlagen.
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