§ 771 ZPO
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§ 771 ZPO
Ich mache mir Gedanken zu folgendem Problem:
A möchte ein Grundstück kaufen, dessen Zwangsversteigerung beantragt ist. Im notariellen Kaufvertrag lässt er sich den Besitzübergang ab Beurkundung zusichern. Der Kaufvertrag kommt wegen Finanzierungsproblemen zunächst nicht zum Vollzug. Zwischenzeitlich wird das Grundstück versteigert, der Zuschlag erteilt und schließlich die Vollstreckung der Räumung gegen den Eigentümer angedroht.
A überlegt sich, ob er mit § 771 ZPO weiter kommt. Die h. M. sieht es wohl so, dass der Besitz kein Recht im Sinne des Abs. 1 der Vorschrift darstellt. Allerdings kann A aufgrund seines Anwartschaftsrechts Drittwiderspruchsklage erheben.
Ich weiß nicht, ob ich hier einen Denkfehler habe. Die Drittwiderspruchsklage bewirkt erst einmal, dass die Zwangsvollstreckung unzulässig wird, weil sie auf Gegenstände erstreckt wurde, die nicht zum Vermögen des Schuldners gehören. Vorliegend besteht "lediglich" ein Anwartschaftsrecht auf das Eigentum, welches im Rahmen des § 771 dem Volleigentum gleich steht.
Mit diesem Konstrukt könnte man als potentieller Erwerber jede Zwangsvollstreckung vereiteln. Ich meine, dass dies grundsätzlich zulässig ist, die Frage ist dann, was mit dem Erlös passiert.
Meinungen?
A möchte ein Grundstück kaufen, dessen Zwangsversteigerung beantragt ist. Im notariellen Kaufvertrag lässt er sich den Besitzübergang ab Beurkundung zusichern. Der Kaufvertrag kommt wegen Finanzierungsproblemen zunächst nicht zum Vollzug. Zwischenzeitlich wird das Grundstück versteigert, der Zuschlag erteilt und schließlich die Vollstreckung der Räumung gegen den Eigentümer angedroht.
A überlegt sich, ob er mit § 771 ZPO weiter kommt. Die h. M. sieht es wohl so, dass der Besitz kein Recht im Sinne des Abs. 1 der Vorschrift darstellt. Allerdings kann A aufgrund seines Anwartschaftsrechts Drittwiderspruchsklage erheben.
Ich weiß nicht, ob ich hier einen Denkfehler habe. Die Drittwiderspruchsklage bewirkt erst einmal, dass die Zwangsvollstreckung unzulässig wird, weil sie auf Gegenstände erstreckt wurde, die nicht zum Vermögen des Schuldners gehören. Vorliegend besteht "lediglich" ein Anwartschaftsrecht auf das Eigentum, welches im Rahmen des § 771 dem Volleigentum gleich steht.
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"Eine Verschiebung eines Termins setzt jedoch denklogisch voraus, dass vorher ein fester Termin vereinbart worden ist."
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Re: § 771 ZPO
Aber sind die etwaigen Rechte des A an dem Grundstück nicht durch den erfolgten Zuschlag erloschen?
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Re: § 771 ZPO
Außerdem entsteht auch nicht "einfach so" mit Abschluss eines Grundstückskaufvertrages ein Anwartschaftsrecht an einem Grundstück.
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Re: § 771 ZPO
Das ist klar, aber gehen wir der Einfachheit halber davon aus, dass das AnwR tatsächlich besteht.OJ1988 hat geschrieben:Außerdem entsteht auch nicht "einfach so" mit Abschluss eines Grundstückskaufvertrages ein Anwartschaftsrecht an einem Grundstück.
"Eine Verschiebung eines Termins setzt jedoch denklogisch voraus, dass vorher ein fester Termin vereinbart worden ist."
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Re: § 771 ZPO
Das Bestehen des Anwartschaftsrechts setzt, wenn ichs noch richtig im Gedächtnis habe, nach dem BGH die Auflassung und die Eintragung einer Auflassungsvormerkung oder die Auflassung und den beim GBA eingegangenen Antrag auf Eigentumsumschreibung seitens des Erwerbers voraus. Bei dem Sachverhalt - ohne Kaufpreiszahlung - wäre ein Anwartschaftsrecht eher aufgrund der ersten Alternative denkbar.
Wenn die Zwangsversteigerung erst eingeleitet wurde, nachdem (!) schon eine Vormerkung zugunsten des Erwerbers eingetragen wurde, sieht das Ganze wegen § 883 II 2 BGB zunächst einmal schon wieder besser für den Erwerber aus. Kann er aber den Kaufpreis nicht beibringen, wird doch wohl mal der Rücktritt vom Kauf erklärt werden - mit der Folge des Erlöschens des Übereignungsanspruches, der Vormerkung und des darauf gestützten Anwartschaftsrechts.
Ich denke auch, dass bei § 91 I ZVG ein Lösungsansatz liegen könnte: Das überhaupt nicht aus dem Grundbuch ersichtliche Anwartschaftsrecht kann wohl nicht besser geschützt sein als zB eine gegenüber dem betreibenden Gläubiger nachrangige Grundschuld, die zweifellos erlöschen würde (§§ 44, 52 I 2 ZVG). - Und vom Anwartschaftsrecht selbst her gedacht: Das Anwartschaftsrecht ist ja vom zugrundeliegenden schuldrechtlichen Anspruch abhängig. Der Anspruch auf Eigentumsverschaffung gegen den Verkäufer erlischt aber wegen dessen Unvermögens, wenn auch keine Aussicht besteht, das Grundstück vom Ersteher wieder zu erlangen (§ 275 I BGB). Ich habe nicht präsent, ob das allein schon zum Erlöschen des Anwartschaftsrechts ausreicht oder dazu noch der Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt werden müsste. Aber auf die Dauer zäh wird das Anwartschaftsrecht unter diesen Umständen nicht sein können. -julée hat geschrieben:Aber sind die etwaigen Rechte des A an dem Grundstück nicht durch den erfolgten Zuschlag erloschen?
Wenn die Zwangsversteigerung erst eingeleitet wurde, nachdem (!) schon eine Vormerkung zugunsten des Erwerbers eingetragen wurde, sieht das Ganze wegen § 883 II 2 BGB zunächst einmal schon wieder besser für den Erwerber aus. Kann er aber den Kaufpreis nicht beibringen, wird doch wohl mal der Rücktritt vom Kauf erklärt werden - mit der Folge des Erlöschens des Übereignungsanspruches, der Vormerkung und des darauf gestützten Anwartschaftsrechts.
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Re: § 771 ZPO
Welchen Sinn macht dann vor dem Hintergrund des § 883 II 2 BGB eine Zwangsversteigerung trotz eingetragener Vormerkung?
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Re: § 771 ZPO
Gute Frage. Ich liebe das ZVG auch nicht gerade. Die Frage geht zunächst mal an den, der die Zwangsversteigerung beantragt - und den, der sich als Ersteher bereitfindet. Das Gericht wird das Verfahren trotz vorrangiger Vormerkung einfach durchziehen (kein Interventionsrecht nach § 771 ZPO aufgrund Vormerkung, auch kein dem Verfahren entgegenstehendes Recht nach § 28 ZVG) und die vorrangige Vormerkung in das geringste Gebot mit der Folge ihres Bestehenbleibens aufnehmen (§ 52 I 1 ZVG). Der Ersteher muss dann damit leben, sein Eigentum über § 888 I BGB wieder zu verlieren.
Immerhin kann ein solches Verfahren bei einem durch Vormerkung gesicherten bedingten Anspruch etwas mit dem "Prinzip Hoffnung" zu tun haben - dass die Bedingung nicht eintritt. Ich habe neulich mal eine Grundschuld beurkundet, bei der die auftraggebende Bank ausdrücklich keine Einholung eines Rangrücktritts der Gemeinde mit ihrer Auflassungsvormerkung wegen des durch sie gesicherten Rückerwerbsrechts bei Nichterfüllung der Bauverpflichtung wollte. Schon extreme schwäbische Sparsamkeit zwecks Einsparen einer Vollzugsgebühr! Würde die Bank später aus der Grundschuld zur Finanzierung der Baukosten die Zwangsversteigerung betreiben, dürfte sie allerdings ziemlich zuversichtlich davon ausgehen, dass die Bauverpflichtung dann erfüllt wurde und deshalb die Gemeinde ihr vormerkungsgerichertes Rückerwerbsrecht nicht mehr ausüben kann.
Immerhin kann ein solches Verfahren bei einem durch Vormerkung gesicherten bedingten Anspruch etwas mit dem "Prinzip Hoffnung" zu tun haben - dass die Bedingung nicht eintritt. Ich habe neulich mal eine Grundschuld beurkundet, bei der die auftraggebende Bank ausdrücklich keine Einholung eines Rangrücktritts der Gemeinde mit ihrer Auflassungsvormerkung wegen des durch sie gesicherten Rückerwerbsrechts bei Nichterfüllung der Bauverpflichtung wollte. Schon extreme schwäbische Sparsamkeit zwecks Einsparen einer Vollzugsgebühr! Würde die Bank später aus der Grundschuld zur Finanzierung der Baukosten die Zwangsversteigerung betreiben, dürfte sie allerdings ziemlich zuversichtlich davon ausgehen, dass die Bauverpflichtung dann erfüllt wurde und deshalb die Gemeinde ihr vormerkungsgerichertes Rückerwerbsrecht nicht mehr ausüben kann.
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Re: § 771 ZPO
D. h. entweder ein Glücksritter als Ersteigerer oder jemand, der genau weiß, dass die Vormerkung am Ende nicht durchgreifen wird.
Und derjenige, der die Zwangsversteigerung betreibt, darf den Erlös auch behalten, wenn die Vormerkung am Ende wirksam geltend gemacht worden ist? Es erscheint mir zumindest auf den ersten Blick überraschend, dass der Schaden dann beim Ersteigerer hängen bleibt (der natürlich nicht besonders schützenswert ist), während der Gläubiger nur im Vorfeld das Risiko trägt, keinen zu finden, der das Grundstück ersteigern möchte.
Und derjenige, der die Zwangsversteigerung betreibt, darf den Erlös auch behalten, wenn die Vormerkung am Ende wirksam geltend gemacht worden ist? Es erscheint mir zumindest auf den ersten Blick überraschend, dass der Schaden dann beim Ersteigerer hängen bleibt (der natürlich nicht besonders schützenswert ist), während der Gläubiger nur im Vorfeld das Risiko trägt, keinen zu finden, der das Grundstück ersteigern möchte.
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Re: § 771 ZPO
Ich habe in der Praxis nur sehr wenig mit dem ZVG zu tun, kann mir aber kaum vorstellen, dass jemand wirklich ein vormerkungsbelastetes Grundstück ersteigert, wenn die Vormerkung nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibt. (Eloquente Erzählungen über den Inhalt des gesicherten schuldrechtlichen Anspruches, der zwischenzeitlich nach Meinung des BGH auch außerhalb des Grundbuches durch "Wiederaufladung" der Vormerkung geändert worden sein könnte, stehen schließlich nicht unter Gutglaubensschutz.) - Aber abgesehen davon: Der Ersteher wird das von ihm Gezahlte nicht zurückverlangen können (§ 56 S. 3 ZVG). Und der betreibende Gläubiger wird das von ihm Erlangte im Verhältnis zu seinem Schuldner behalten dürfen, wenn die Schuld bestand (bzw. ein rechtskräftiger Titel darüber vorlag).
Aber vielleicht mag Torquemada uns noch weiterhelfen... ?
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Re: § 771 ZPO
Ich wüsste nicht, was man dem noch hinzufügen sollte ...
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Re: § 771 ZPO
Genau diese Folge finde ich auch überraschend.julée hat geschrieben:Und derjenige, der die Zwangsversteigerung betreibt, darf den Erlös auch behalten, wenn die Vormerkung am Ende wirksam geltend gemacht worden ist? Es erscheint mir zumindest auf den ersten Blick überraschend, dass der Schaden dann beim Ersteigerer hängen bleibt (der natürlich nicht besonders schützenswert ist), während der Gläubiger nur im Vorfeld das Risiko trägt, keinen zu finden, der das Grundstück ersteigern möchte.
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Re: § 771 ZPO
Dann werdet Ihr wohl nicht drum herumkommen, die causa mal ausführlich bei Frau Assmann (Die Vormerkung (1998), S. 179 ff.) nachzulesen.Syd26 hat geschrieben:Genau diese Folge finde ich auch überraschend.julée hat geschrieben:Und derjenige, der die Zwangsversteigerung betreibt, darf den Erlös auch behalten, wenn die Vormerkung am Ende wirksam geltend gemacht worden ist? Es erscheint mir zumindest auf den ersten Blick überraschend, dass der Schaden dann beim Ersteigerer hängen bleibt (der natürlich nicht besonders schützenswert ist), während der Gläubiger nur im Vorfeld das Risiko trägt, keinen zu finden, der das Grundstück ersteigern möchte.
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Re: § 771 ZPO
Der Thread hat mich dazu angeregt, mir mal wieder einen neuen Stöber zum ZVG zu gönnen. Die Kommentierung bei § 91 ZVG geht allerdings auf das Anwartschaftsrecht nicht eigens ein... Dafür weiß ich jetzt aber wenigstens, dass Meliorationsanlagen-Dienstbarkeiten nach § 6 Meliorationsanlagengesetz vom 21.9.1994 zwangsversteigerungsresistent sind, wenn das Verfahren bis zum 31.12.2005 beantragt wurde (§ 52 Ziff. 8.2.)!
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Re: § 771 ZPO
Schön, dass ich dazu beitragen konnte!Niederegger hat geschrieben:Der Thread hat mich dazu angeregt, mir mal wieder einen neuen Stöber zum ZVG zu gönnen. Die Kommentierung bei § 91 ZVG geht allerdings auf das Anwartschaftsrecht nicht eigens ein... Dafür weiß ich jetzt aber wenigstens, dass Meliorationsanlagen-Dienstbarkeiten nach § 6 Meliorationsanlagengesetz vom 21.9.1994 zwangsversteigerungsresistent sind, wenn das Verfahren bis zum 31.12.2005 beantragt wurde (§ 52 Ziff. 8.2.)!
Der Stöber steht hier übrigens auch!
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