[ArbR] Was gilt nach einem gewonnen Kündigungsschutzprozess?

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schuper
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[ArbR] Was gilt nach einem gewonnen Kündigungsschutzprozess?

Beitrag von schuper »

Hallo Forum,

ich stecke gerade in der Vorbereitung auf das 2te Staatsexamen :)
wie es so ist, stellt man sich selber Fragen beim Lernen und merkt, dass man diese nicht beantworten kann ^^

Ich bin über das Urteil vom LAG Berlin-Brandenburg vom 5. November 2009 Az: 26 Sa 1840/09 gestolpert. Dort wird ja als Leitsatz aufgeführt, dass der AN nach einem gewonnen KSchP selbst eigentlich keine Mitwirkungspflichten hat, sondern der ArbG selbst den AN wieder auffordern muss zur Arbeit zu erscheinen um die vertraglichen Pflichten zu erfüllen.

Verstehe ich die Rspr richtig, dass der bestehende Annahmeverzug des ArbG durch das Urteil nicht beendet wird? Irgendwie widerstrebt mir das Ergebnis... Das würde ja heißen, der AN kann abwarten bis der ArbG sich meldet, möglicherweise einen anderen Job für die Zeit annehmen und so gesehen dulden und liquidieren? (Natürlich unter Anrechnung des Entgelts der neuen Arbeit)

Angenommen der ArbG ist froh, dass der AN sich nicht meldet, unternimmt selber nichts und der AN kommt nach 1 Jahr und fordert das Gehalt aufgrund Annahmeverzug... ab wann würdet ihr sagen ist aufgrund § 242 BGB bzw. der Verwirkung dem AN es nicht mehr gestattet den Arbeitslohn zu fordern? Oder übersehe ich hier irgendwas und die Sache ist viel einfacher als ich denke? :D

Habe leider zu diesen Fragen nichts gefunden..

MFG
schuper
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Tikka
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Re: [ArbR] Was gilt nach einem gewonnen Kündigungsschutzproz

Beitrag von Tikka »

Meines Erachtens liegt das hier zum einen an der Konstellation des Falles, die im Tatbestand nicht so ganz eindeutig dargestellt ist.
Ich verstehe es gerade so, dass noch nicht rechtskräftig feststand (Frist zur Einlegung der NZB lief noch), dass die Kündigung unwirksam war. In einem solchen Fall lässt sich die Arbeitspflicht nur wieder erneut begründen (wie das LAG zutreffend ausführt) indem entweder die Kündigung "zurückgenommen" wird oder eben ein Prozessarbeitsverhältnis bis zur Rechtskraft der Entscheidung vereinbart wird.
Dies war im entschiedenen Fall aber nicht geschehen.

Aber von dem Fall abgesehen ist es tatächlich so, dass der Arbeitgeber in jedem Fall (also auch nach Rechtskraft) wieder zur Arbeitsleistung auffordern muss, um den Annahmeverzug zu beenden. Instruktiv hierzu BAG, Urteil vom 19. 1. 1999 - 9 AZR 679/97.
Wo hier ggf. die Grenzen der Verwirkung liegen, weiß ich nicht. Aus einem anderen Fall, dessen Az. ich gerade nicht finde, wo es um jahrelangen Entgeltbezug ging, ohne dass der Mitarbeiter gearbeitet hätte oder ein Arbeitsangebot gemacht hätte, vermute ich aber, dass die Grenzen hier sehr hoch liegen.
Was lernen wir daraus: Immer zur Wiederaufnahme der Arbeit auffordern nach verlorenem Kündigungsschutzrechtsstreit.

(edit: Typos)
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jan
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Re: [ArbR] Was gilt nach einem gewonnen Kündigungsschutzproz

Beitrag von jan »

schuper hat geschrieben: Verstehe ich die Rspr richtig, dass der bestehende Annahmeverzug des ArbG durch das Urteil nicht beendet wird? Irgendwie widerstrebt mir das Ergebnis... Das würde ja heißen, der AN kann abwarten bis der ArbG sich meldet, möglicherweise einen anderen Job für die Zeit annehmen und so gesehen dulden und liquidieren? (Natürlich unter Anrechnung des Entgelts der neuen Arbeit)
Mir leuchtet nicht ein, warum dieses Ergebnis einem wertungsmäßig widerstreben soll. Es war ja der Arbeitgeber, der eine (unwirksame) Kündigung aussprach und den Annahmeverzug (=sein Risiko!) auslöste. Der Arbeitgeber hat es selbst in der Hand, diesen Zustand zu beenden.
schuper hat geschrieben: Angenommen der ArbG ist froh, dass der AN sich nicht meldet, unternimmt selber nichts und der AN kommt nach 1 Jahr und fordert das Gehalt aufgrund Annahmeverzug...
Was soll denn an einem solchen Verhalten des Arbeitgebers schutzwürdig sein? Soll die allgemeine "Augen-zu-und-weiter-Mentalität" auch noch belohnt werden? Er weiß doch, dass er im Annahmeverzug ist?!
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Tikka
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Re: [ArbR] Was gilt nach einem gewonnen Kündigungsschutzproz

Beitrag von Tikka »

Nun ja, so einfach ist es dann meiner Ansicht nach auch nicht.

Zwar ist richtig, dass es der Arbeitgeberin der Hand hat, den Annahmeverzug zu beenden. Ob es im Rahmen einer Parallelwertung in der Laiensphäre allerdings so eindeutig sein soll, dass der Arbeitnehmer kein Arbeitsangebot machen muss, nach Entscheidung in einem Kündigungsschutzprozes,s halte ich für fraglich.

Ob man bei einer Fußgängerzonenbefragung wirklich eine Mehrheit zusammenbekäme für "Ja" bei der Frage "Wenn ein Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage gewinnt, danach aber nicht mehr zur Arbeit erscheint hat er dann ggf. bis zu seinem Ableben Anspruch auf Arbeitslohn ?" weiss ich nicht. (Ich wette nen Fünfer dagegen!)

Dogmatisch mag das Ergebnis ja richtig sein, so klar auf der Hand liegen, wie Du es darstellst, tut es nach meinem Rechtsempfinden -und dem des TE anscheinend auch- nicht.

Spannend sind hier wirklich die Grenzen die Verwirkung.
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Levi
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Re: AW: [ArbR] Was gilt nach einem gewonnen Kündigungsschutz

Beitrag von Levi »

Abgesehen davon, dass ich deine Bedenken rechtsdogmatisch nicht nachvollziehen kann, sehe ich hier auch praktisch kein Problem.

Normale Menschen müssen von irgendwas leben und der typische Arbeitnehmer wird daher kaum ein Jahr mit der Geltendmachung seiner Arbeitslohnansprüche warten können. Im Zweifel hat der Arbeitgeber bereits nach einem Monat den nächsten Mahnbescheid im Briefkasten.
Darüber hinaus haben die meisten Tarifverträge (soweit ein solcher anwendbar ist) sehr kurze Ausschlussfristen von in der Regel drei Monaten, allerhöchstens sechs Monaten.
Und zuletzt bleibt immer noch die Verjährungsfrist.

Die rückwirkende Geltendmachung von jahrelang zurückliegenden Monatsgehältern ist daher eine unrealistische Fiktion.
Der Arbeitgeber wird vielmehr sehr schnell daran erinnert, dass es betriebswirtschaftlich sinnvoll sein könnte, seinen Arbeitnehmer nicht nur zu bezahlen, sondern auch zu beschäftigen.
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schuper
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Re: [ArbR] Was gilt nach einem gewonnen Kündigungsschutzproz

Beitrag von schuper »

jan hat geschrieben: Was soll denn an einem solchen Verhalten des Arbeitgebers schutzwürdig sein? Soll die allgemeine "Augen-zu-und-weiter-Mentalität" auch noch belohnt werden? Er weiß doch, dass er im Annahmeverzug ist?!

Der Arbeitnehmer sollte zumindest mit seiner "ich dulde und liquidiere" Einstellung nicht nach einigen Monaten kommen können und sagen "Pech gehabt, her mit der Kohle"

Spannend ist wirklich die Frage der Verwirkung... gibt hier keine festen Regeln oder gesicherte Rspr.
LAG Mecklenburg-Vorpommern, Entscheidung vom 21.04.2009 - 5 Sa 251/07 spricht von Verwirkung der Geltendmachung von Arbeitsentgelt nach 1 Jahr. Ob das immer so kurz gesehen werden kann, halte ich aber für fraglich.
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