Annahmeunmöglichkeit § 615

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Justitian
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Annahmeunmöglichkeit § 615

Beitrag von Justitian »

Wenn der Arbeitnehmer an einem Tag nicht arbeitet, tritt idR. Unmöglichkeit ein und sein Lohnanspruch erlischt grundsätzlich nach § 326 I 1 BGB. Ausnahmen hiervon sehen § 326 II 1 BGB und § 615 BGB vor. Problematisch ist der Fall, wenn der Arbeitgeber die Leistung des Arbeitnehmers unverschuldet nicht annehmen konnte, z.B. wegen eines Betriebsbrands. § 326 II 1 Alt. 1 BGB scheitert am Vertretenmüssen des AG, § 326 II 1 Alt. 2 scheitert am Annahmeverzug weil Annahmeverzug die Möglichkeit der Leistung zZt. des Angebots voraussetzt.
Ein Lohnanspruch kann sich daher allenfalls aus §§ 611 I, 615 BGB ergeben.
Das BAG lehnt § 615 S. 1 BGB nach einer vorherigen Differenzierung zwischen "Annahmeunfähigkeit" und "Annahmeunwilligkeit" ab und spricht von einer Regelungslücke, welche es über die Betriebsrisikolehre löst, die mittlerweile in § 615 S. 3 BGB einen positiv-rechtlichen Aufhänger gefunden hat.
In der Literatur wird die Lehre von der Annahmeunmöglichkeit vertreten, dergemäß § 615 S. 1 BGB eine Teilrechtsgrundverweisung auf die §§ 293 ff. BGB darstellt und auch bei Unmöglichkeit anzunehmen ist. § 615 S. 3 BGB wäre demnach deklaratorisch.
Wenn ich das recht überblicke ist diese Ansicht überwiegende Literaturmeinung. Ich habe mich allerdings gefragt, ob sie mit der Einführung des § 615 S. 3 BGB noch vertretbar ist. Hat sich nicht der Gesetzgeber offensichtlich für die Lösung des BAG entschieden? Die nachträgliche Einfügung einer deklaratorischen Norm trotz Kenntnis einer anderslautenden ständigen Rechtsprechung erscheint wenig plausibel.
"[...] führt das ja nicht dazu, dass eine Feststellungsklage mit dem Inhalt "Wie wird das Wetter morgen?" zulässig wird" - Swann, 01.03.17
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