Verkehrsunfall, warum auch den Halter verklagen?

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Dunja
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Verkehrsunfall, warum auch den Halter verklagen?

Beitrag von Dunja »

Hallo Forum,

in einigen Mustern zu Verkehrsunfallklagen hab ich nun schon gesehen, dass neben der Haftpflichtversicherung und dem Fahrer auch der Halter mitverklagt wird.

Welche (taktischen) Erwägungen stecken dahinter? Dass der Fahrer mitverklagt wird um seine Benennung als Zeugen zu verhindern ist mir einleuchtend, aber warum auch der Halter?

Viele Grüße

Dunja
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Zum einen aus Beweisgründen zum anderen aber, weil ggü. diesen Personen auch ein Anspruch besteht.

Wie pflegte ein Zivilrechtsdozent bei uns immer zu sagen, "Es ist immer besser, aus mehreren Rohren zu schießen". :D
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hallo Dunja,

du hast schon recht. Wenn man die Versicherung verklagt und den Fahrer (der nicht Halter ist) reicht dies vollkommen aus. Sollte man verlieren, würde man durch die Klage gegen den Halter nur evt. weitere zusätzliche (Anwalts-)Kosten produzieren. Es bringt auch nichts, gegen den Halter zu klagen, da

– kein finanzielles Interesse besteht: der Halter ist praktisch nie solventer ials die Versicherung

– keine Notwendigkeit aus Beweisgründen besteht, da der Halter regelmäßig nicht als Zeuge rausgeschossen werden muß (außer er ist Beifahrer o.ä.).

Von daher kann man sich das eigentlich - wie du richtig anmerkst - sparen. Aus allen "Rohren" schießen immer gerne - aber nur wenns auch Sinn macht...
Dunja
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Beitrag von Dunja »

Vielen Dank für Eure Antworten!

Ich behalte also im Hinterkopf, den Halter nur dann mitzuverklagen, wenn er Beifahrer o.ä. ist.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hallöchen,

ganz so einfach würd ich das nicht "abmeiern".
Aus welcher Haftungsgrundlage (AGL) heraus verklagt man denn die Versicherung?
Normalerweise schliesst der Halter und nicht der Fahrer diesen Vertrag - ausnahmsweise tatsächlich "Pflicht"versicherung - für den PKW ab, nicht wahr? Also: besser alle in einem Boot.

LG Carola
Dunja
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Beitrag von Dunja »

CarolaC. hat geschrieben:Hallöchen,

ganz so einfach würd ich das nicht "abmeiern".
Aus welcher Haftungsgrundlage (AGL) heraus verklagt man denn die Versicherung?
Normalerweise schliesst der Halter und nicht der Fahrer diesen Vertrag - ausnahmsweise tatsächlich "Pflicht"versicherung - für den PKW ab, nicht wahr? Also: besser alle in einem Boot.

LG Carola
AGL gegen die Versicherung § 3 Nr. 1 Pflichtversicherungsgesetz. Wenn also gegen PKW - Fahrer(!) vorgegangen wird, seh ich jetzt kein Problem nur Versicherung und Fahrer zu verklagen?!
Dunja
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Beitrag von Dunja »

Jetzt hätte ich noch eine Zusatzfrage: Wie lautet denn die korrekte AGL gegenüber dem Fahrer?

Ich würde sagen: §§ 18, 17 StVG. Stimmt das?
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De Owwebacher
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Beitrag von De Owwebacher »

Anspruchsgrundlagen gegen den Fahrer:

- § 18 I StVG
- § 823 I BGB
- § 823 II BGB iVm StVO

(also auch hier aus allen Rohren feuern :leftfighter5: )
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Thibaut hat geschrieben:Wenn man die Versicherung verklagt und den Fahrer (der nicht Halter ist) reicht dies vollkommen aus. Sollte man verlieren, würde man durch die Klage gegen den Halter nur evt. weitere zusätzliche (Anwalts-)Kosten produzieren. Es bringt auch nichts, gegen den Halter zu klagen, da
– kein finanzielles Interesse besteht: der Halter ist praktisch nie solventer ials die Versicherung
– keine Notwendigkeit aus Beweisgründen besteht, da der Halter regelmäßig nicht als Zeuge rausgeschossen werden muß (außer er ist Beifahrer o.ä.).
Einspruch. Zunächst klagt man sowieso nur, wenn man auch gewinnen wird (zumindest teilweise). Und in dem Fall ist es auch durchaus legitim, sich als Anwalt höhere Gebühren zu sichern. Den Mandanten wird es nicht stören, da meist eine Rechtsschutzversicherung besteht.
Zudem gibt es auch keine Rspr., die es verbietet, bestehende Ansprüche nicht geltend zu machen, weil es wirtschaftlich nicht sinnvoll sein mag.

Die fehlende beweistaktische Notwendigkeit halte ich auch für kein Argument. Ein nach mat. Recht bestehender Anspruch kann auch tituliert werden - ob dann die Notwendigkeit der Vollstreckung jemals besteht, ist eine Frage, die mit dem Erkenntnisverfahren nichts zu tun hat. So ein Titel auf Reserve kann nützlich sein (im schlimmsten Fall wäre sogar ein Anwaltsregress möglich, wenn das unterlassen wurde).
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Manolaw hat geschrieben: So ein Titel auf Reserve kann nützlich sein (im schlimmsten Fall wäre sogar ein Anwaltsregress möglich, wenn das unterlassen wurde).
Ja, aber nur in dem äußerst wahrscheinlichen Fall, daß die gegnerische Versicherung in die Inso hoppst und der Versicherungsausgleich auch nicht klappt. Chance für einen Lottogewinn dürfte höher sein.
Wir sprachen hier ausdrücklich von einem Verkehrsunfall. In allen anderen Fällen stimme ich selbstveständlich überein.

Jedenfalls ist aber der Mandant darüber aufzuklären, dass evt. durch die zusätzliche Klage gegen den Halter weitere Kosten entstehen können.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Manolaw hat geschrieben:Und in dem Fall ist es auch durchaus legitim, sich als Anwalt höhere Gebühren zu sichern. Den Mandanten wird es nicht stören, da meist eine Rechtsschutzversicherung besteht.
Zudem gibt es auch keine Rspr., die es verbietet, bestehende Ansprüche nicht geltend zu machen, weil es wirtschaftlich nicht sinnvoll sein mag.

Die fehlende beweistaktische Notwendigkeit halte ich auch für kein Argument. Ein nach mat. Recht bestehender Anspruch kann auch tituliert werden - ob dann die Notwendigkeit der Vollstreckung jemals besteht, ist eine Frage, die mit dem Erkenntnisverfahren nichts zu tun hat. So ein Titel auf Reserve kann nützlich sein (im schlimmsten Fall wäre sogar ein Anwaltsregress möglich, wenn das unterlassen wurde).
Beides ist jedenfalls unter praktischen Erwägungen in unserem Fall unrichtig.

Der Klägervertreter erhält nicht höhere Gebühren, wenn er drei statt zwei Beklagte in Anspruch nimmt. Und mit einem Titel gegen den Halter kann der Kläger jedenfalls dann, wenn er ohnehin einen Titel gegen die Haftpflichtversicherung hat, nicht wirklich viel Tolles anfangen.

Das Risiko, im Falle eines (Teil-)Unterliegens der Gegenseite Kosten erstatten zu müssen, steigt jedenfalls betragsmäßig mit jedem weiteren Prozessgegner. Deshalb würde ich in der o.g. Konstellation den Halter nicht mit verklagen.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

alternative variante:

geh außergerichtlich (nur) gegen die versicherung vor. wenn die nicht zahlt, dann verklage halter und/oder fahrer. nach (einem teil) der rechtsprechung ist die außergerichtlich angefallene geschäftsgebühr (vorgehen ggü. haftpflichtversicherung) nicht anzurechnen. macht in summe 1/2 geschäftsgebühr zzgl. auslagenpauschale O:)

falls halter/fahrer nicht reagiert kassiert er u. u. sogar ein vu :) :)
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Dunja hat geschrieben:AGL gegen die Versicherung § 3 Nr. 1 Pflichtversicherungsgesetz. Wenn also gegen PKW - Fahrer(!) vorgegangen wird, seh ich jetzt kein Problem nur Versicherung und Fahrer zu verklagen?!
Aber ob Nr.5 oder Nr.6 (§ 3 PflVG) vorliegt, weiss man zu dem Zeitpunkt in der Regel nicht, nicht wahr? Ich bin immer noch dafür, den Halter sofort mitzuverklagen ...

LG Carola
Dunja
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Beitrag von Dunja »

Ersteinmal vielen Dank für die angeregte Diskussion.

@ De Owwebacher: Verkehrsunfallklagen scheinen eine recht kriegerische Angelegenheit zu sein:-) Muss bei § 18 der § 17 nicht mitzitiert werden?

@ Carola C.: Hab mir jetzt schon mehrmals § 3 Nr. 5 und 6 PflVG durchgelesen und muss sagen mir fehlt ein bisschen der Durchblick:-( Kannst Du mal kurz erklären was Du damit meinst?
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hallo Dunja,

interessante Frage für den Praktiker (und ein nice-to-know): was macht man, wenn kein Anspruch gegen einen (deutschen) Versicherer zu realisieren ist.
Beispielhaft die Gründe nach Reihenfolge der Unwahrscheinlichkeit:
a) der Versicherer ist von der Verpflichtung frei (§ 3 Nr.5 und 6 PflVG)
b) der Versicherer ist platt (siehe Mannheimer!)
c) der Halter ist Ausländer und es gibt keine entsprechende Versicherung
Unabhängig jetzt von möglicherweise zu realisierenden Ansprüchen gegen eine Berufsganossenschaft ...
Guckt der Mandant dann in die grosse Gazprom-Röhre? ;o)
Hab mir jetzt schon mehrmals § 3 Nr. 5 und 6 PflVG durchgelesen und muss sagen mir fehlt ein bisschen der Durchblick:-( Kannst Du mal kurz erklären was Du damit meinst?
Klar: der Versicherer *kann* trotz PflVG von der Leistung unter bestimmten Umständen frei sein, nämlich, wenn das Versicherungsverhältnis eine bestimmte Zeit lang nicht (mehr) besteht.
Nr 4 ist ein Einwendungsausschluss. D.h., selbst wenn der Vertrag "notleidend" (z.B. wegen nicht bezahlter Prämie) war, kann / darf sich der Vers. darauf nicht berufen.
Nr.5 ist wieder die Ausnahme zur Ausnahme. Nehmen wir an, der Vertrag existiert nicht (mehr) und somit auch die Deckung. Dann muss der Versicherer dies der "zuständigen Stelle" - mithin dem Strassenverkehrsamt - anzeigen. Dies ist dann verpflichtet, das Fahrzeug asap stillegen zu lassen. Tritt nun das Schadenereignis (= Unfall) mehr als einen Monat nach Beendigung (und Anzeige des Vers.) ein, ist der Vers. von der Leistung frei. (-> Dann wäre fraglich, ob das Strassenverkehrsamt nicht geschlampt hat und dort Ansprüche zu realisieren sind.)

Am Besten nachzulesen ist das in einem entsprechenden Kommentar - daher: diese Angaben sind ohne *peng* ;o)

LG Carola
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