Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Für alle Themen, die in der Rechtspraxis auftauchen, inkl. Fragen zu Kanzlei-Software

Moderator: Verwaltung

Antworten
Pippen
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1296
Registriert: Dienstag 4. April 2006, 22:10

Re: Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von Pippen »

Ich hatte mal eine VB wegen erwiesener Willkür eingelegt - selbst die wurde nicht angenommen. Hier ein Auszug:

Das Amtsgericht versagte dem Beschwerdeführer Verzugszins ab dem 01.01.2009 und billigte ihn mit Hinweis auf § 193 BGB erst ab dem 02.01.2009 zu. Tatsächlich hatte der Beschwerdeführer aber die spätere Beklagte mit Schreiben vom 24.12.2008 zur Rückzahlung des streitgegenständlichen Geldbetrages bis zum 31.12.2008 (ein Mittwoch, normaler Werktag) aufgefordert. Nach den zivilrechtlichen Vorschriften war die Beklagte damit ab dem 01.01.2009 in Verzug und musste ab diesem Zeitpunkt auch Verzugszinsen entrichten. § 193 BGB ist unter keinem Gesichtspunkt einschlägig, weil es dieser Vorschrift allein darum geht, dass ein bestimmter Tag oder das Ende einer Frist zur Willenserklärungsabgabe oder Leistungsbewirkung auf einen Sams-, Sonn- oder Feiertag fällt. Diese Voraussetzungen lagen unstreitig und offensichtlich nicht vor (s.o.). Es handelt sich daher bei der gerichtlichen Entscheidung zur weitergehenden Klageabweisung insoweit um ein krasses Fehlurteil, welches jeder rationalen und juristischen Grundlage entbehrt und damit den Beschwerdeführer (trotz des letztendlich geringen wirtschaftlichen Wertes eines Verzugszinses für einen zusätzlichen Tag) in besonders einschneidender und fataler (weil offensichtlich erkennbarer) Weise seiner Grundrechte auf Willkürfreiheit und Eigentumsschutz beraubt. Das Amtsgericht hat sich nicht die Mühe zu sauberer Subsumtion gemacht und gerade dadurch aufgezeigt, dass es die o.g. Grundrechte des Beschwerdeführers gering schätzt. Daher sollte die Verfassungsbeschwerde auch zur Entscheidung angenommen werden. Es kann und darf in einem sog. Rechtsstaat nicht sein, dass solche gerichtlichen Willkürakte Bestand haben.

ME hat eine VB nur Erfolg, wenn sie zusätzlich zu allen juristischen Vorgaben den OmG-Test besteht.
Benutzeravatar
Kroate
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1466
Registriert: Sonntag 25. Dezember 2011, 09:46
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von Kroate »

Ist das ein Scherz?

Gesendet von meinem GT-I9505 mit Tapatalk
Benutzeravatar
Tibor
Fossil
Fossil
Beiträge: 16441
Registriert: Mittwoch 9. Januar 2013, 23:09
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von Tibor »

Das ist ein Schriftsatzauszug, oder?
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
Benutzeravatar
Tibor
Fossil
Fossil
Beiträge: 16441
Registriert: Mittwoch 9. Januar 2013, 23:09
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von Tibor »

"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
Pippen
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1296
Registriert: Dienstag 4. April 2006, 22:10

Re: Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von Pippen »

Tibor hat geschrieben:Das ist ein Schriftsatzauszug, oder?
Ja, das war Teil einer VB-Begrüdnung und wie geschrieben: Sowas wird nicht kassiert, obwohl es mE ganz harte Willkür darstellt (die Tatsachen kann man ja aus dem kurzen Stück entnehmen). Deshalb mein Tipp mit dem OmG-Test: Die Herren in Karlsruhe wollen nur die wichtigen und "großen" Sachen. Leider gibt es immer wieder Klienten, die uneinsichtig sind und sich durch die fehlenden Gerichtskosten blenden lassen und einen dann in die VB treiben...und dann auch noch aus allen Wolken fallen, wenn sie nicht angenommen wird (wohl wissend um die prozentuale Quote).
Benutzeravatar
Tibor
Fossil
Fossil
Beiträge: 16441
Registriert: Mittwoch 9. Januar 2013, 23:09
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von Tibor »

@ Pippen: hast du dir die verlinkte Diskussion angeschaut? Dass ist alles andere, als Willkür, nämlich höchstrichterliche Rechtsprechung!


PS eben gesehen, dass mein Link von gestern fehlerhaft war; ausgebessert!
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
Kasimir
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 3751
Registriert: Sonntag 10. Dezember 2006, 11:18
Ausbildungslevel: RA

Re: Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von Kasimir »

:lmao: Gab es wenigstens eine Missbrauchsgebühr?
Eichhörnchen, Eichhörnchen wo sind deine Nüsse?
Benutzeravatar
Pillendreher
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 4183
Registriert: Sonntag 3. März 2013, 15:01

Re: Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von Pillendreher »

Tibor hat geschrieben:PS eben gesehen, dass mein Link von gestern fehlerhaft war; ausgebessert!
Also ich lande auf derselben Seite.
Welcome to Loud City! THUNDER UP!
Benutzeravatar
immer locker bleiben
Fossil
Fossil
Beiträge: 10448
Registriert: Mittwoch 28. November 2007, 18:06
Ausbildungslevel: RA

Re: Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von immer locker bleiben »

Kasimir hat geschrieben::lmao: Gab es wenigstens eine Missbrauchsgebühr?
Das war mein zweiter Gedanke.

Mein erster Gedanke war: hat der Mandant den Aufwand angemessen vergütet? Und war das dann für den Mandanten noch wirtschaftlich? :D
You might remember me from such posts as this.
Bild
Benutzeravatar
Einwendungsduschgriff
Fossil
Fossil
Beiträge: 14744
Registriert: Mittwoch 28. Juni 2006, 19:16
Ausbildungslevel: Doktorand

Re: Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Pippen hat geschrieben:Sowas wird nicht kassiert, obwohl es mE ganz harte Willkür darstellt (die Tatsachen kann man ja aus dem kurzen Stück entnehmen). Deshalb mein Tipp mit dem OmG-Test: Die Herren in Karlsruhe wollen nur die wichtigen und "großen" Sachen.
Willkürlich gegriffen:

http://www.bundesverfassungsgericht.de/ ... 92513.html

(Weder wichtig, noch groß - man weiß nicht einmal, ob die Stattgabe überhaupt berechtigt ist.)
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
Parabellum
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 6850
Registriert: Dienstag 21. Juni 2011, 16:49
Ausbildungslevel: RA

Re: Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von Parabellum »

immer locker bleiben hat geschrieben:
Kasimir hat geschrieben::lmao: Gab es wenigstens eine Missbrauchsgebühr?
Das war mein zweiter Gedanke.

Mein erster Gedanke war: hat der Mandant den Aufwand angemessen vergütet? Und war das dann für den Mandanten noch wirtschaftlich? :D
Und was sagt Richter Bärli dazu?
"Ich sage nicht, dass man sich hier zu siezen hätte oder ähnlichen Quatsch. Bei einem Forum von Juristen für Juristen ist meine Erwartungshaltung aber trotzdem nochmal eine andere als bei der Kneipe um die Ecke." OJ1988
Benutzeravatar
Einwendungsduschgriff
Fossil
Fossil
Beiträge: 14744
Registriert: Mittwoch 28. Juni 2006, 19:16
Ausbildungslevel: Doktorand

Re: Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

*schnüff*
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
Pippen
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1296
Registriert: Dienstag 4. April 2006, 22:10

Re: Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von Pippen »

Tibor hat geschrieben:@ Pippen: hast du dir die verlinkte Diskussion angeschaut? Dass ist alles andere, als Willkür, nämlich höchstrichterliche Rechtsprechung!


PS eben gesehen, dass mein Link von gestern fehlerhaft war; ausgebessert!
Wie jetzt? Es ist also Rsp., dass wenn ich dich bis zum 31.12. zur Leistung auffordere, ich erst ab 2.1. Verzugszinsen bekomme? :eeeek: Oder meinst du, dass selbst solche Willkürakte nicht mehr vom BVerfG geprüft werden, weil sie selbst dafür zu fau...ähm..."aufgrund der Vielzahl an Verfahren überfordert" sind? Beides wäre mir neu.
julée
Fossil
Fossil
Beiträge: 13077
Registriert: Freitag 2. April 2004, 18:13
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von julée »

Pippen hat geschrieben:
Wie jetzt? Es ist also Rsp., dass wenn ich dich bis zum 31.12. zur Leistung auffordere, ich erst ab 2.1. Verzugszinsen bekomme? :eeeek: Oder meinst du, dass selbst solche Willkürakte nicht mehr vom BVerfG geprüft werden, weil sie selbst dafür zu fau...ähm..."aufgrund der Vielzahl an Verfahren überfordert" sind? Beides wäre mir neu.
Wenn eine Frage in der Rechtsprechung ernsthaft diskutiert wird und sich normbasierte Argumente sowohl für A als auch für B finden, dann dürfte sich schwerlich von Willkür sprechen lassen, wenn ein Gericht sich für eine der beiden Alternativen entscheidet.
"Auch eine stehengebliebene Uhr kann noch zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigen; es kommt nur darauf an, daß man im richtigen Augenblick hinschaut." (Alfred Polgar)
Benutzeravatar
famulus
Fossil
Fossil
Beiträge: 10254
Registriert: Freitag 12. März 2004, 12:55
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von famulus »

Vor allem "ganz harte Willkür" - ich hoffe nach wie vor, dass es sich um einen Scherz handelt. :lmao:
»Ich kenne den Schmerz, den ich hatte, weil ich zweimal die Vorhaut mit dem Reißverschluss mitgenommen habe, so dass dieser - also Reißverschluss - einmal in einer Klinik entfernt werden musste.« - Chefreferendar
Antworten