Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

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Tibor
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Re: Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von Tibor »

famulus hat geschrieben:Vor allem "ganz harte Willkür" - ich hoffe nach wie vor, dass es sich um einen Scherz handelt. :lmao:
Ich glaube nicht an einen Scherz. Jenes hier http://forum.jurawelt.com/viewtopic.php?t=36978 hatte er ja auch bierernst gemeint.
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Vorkriegsjugend
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Re: Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von Vorkriegsjugend »

Es reicht doch keiner sowas beim BVerfG ein ohne auch nur einen Kommentar dazu gelesen zu haben.
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Tibor
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Re: Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von Tibor »

Doch. Ein Volljurist braucht nur das Gesetz und die vier Auslegungsarten.
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Re: Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von Parabellum »

Tibor hat geschrieben:Doch. Ein Volljurist braucht nur das Gesetz und die vier Auslegungsarten.
Die Auslegung des Klägers, die Auslegung des Beklagten, die Auslegung des Sachverständigen und die Auslegung des Gerichtes? :-k
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Tibor
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Re: Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von Tibor »

Zum Beispiel die, aber Nazilarenz reicht auch.
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Pippen
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Re: Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von Pippen »

julée hat geschrieben:
Pippen hat geschrieben:
Wie jetzt? Es ist also Rsp., dass wenn ich dich bis zum 31.12. zur Leistung auffordere, ich erst ab 2.1. Verzugszinsen bekomme? :eeeek: Oder meinst du, dass selbst solche Willkürakte nicht mehr vom BVerfG geprüft werden, weil sie selbst dafür zu fau...ähm..."aufgrund der Vielzahl an Verfahren überfordert" sind? Beides wäre mir neu.
Wenn eine Frage in der Rechtsprechung ernsthaft diskutiert wird und sich normbasierte Argumente sowohl für A als auch für B finden, dann dürfte sich schwerlich von Willkür sprechen lassen, wenn ein Gericht sich für eine der beiden Alternativen entscheidet.
Du glaubst also, dass o.G. ernsthaft diskutiert wird? Verzugszinsen zwei Tage nach Verzugsbeginn oder Nichtprüfung von Willkürentscheidungen? Belege? Wie denkt man überhaupt, um darauf zu kommen? Das würde mich interessieren. Dass der Verzug am 1.1. beginnt und dann 193 BGB anwenden (was natürlich nicht klappt, weil dessen Voraussetzungen offensichtlich nicht erfüllt sind)? Oder 187 I BGB gleich mal doppelt analog anwenden? Ich sehe keinen Weg ohne Willkür, um vom Fristende des 31.12. auf einen Verzugseintritt am 2.1. zu kommen, ansonsten soll mal jmd. die line of thinking aufzeigen.
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Vorkriegsjugend
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Re: Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von Vorkriegsjugend »

Pippen hat geschrieben:
julée hat geschrieben:
Pippen hat geschrieben:
Wie jetzt? Es ist also Rsp., dass wenn ich dich bis zum 31.12. zur Leistung auffordere, ich erst ab 2.1. Verzugszinsen bekomme? :eeeek: Oder meinst du, dass selbst solche Willkürakte nicht mehr vom BVerfG geprüft werden, weil sie selbst dafür zu fau...ähm..."aufgrund der Vielzahl an Verfahren überfordert" sind? Beides wäre mir neu.
Wenn eine Frage in der Rechtsprechung ernsthaft diskutiert wird und sich normbasierte Argumente sowohl für A als auch für B finden, dann dürfte sich schwerlich von Willkür sprechen lassen, wenn ein Gericht sich für eine der beiden Alternativen entscheidet.
Du glaubst also, dass o.G. ernsthaft diskutiert wird? Verzugszinsen zwei Tage nach Verzugsbeginn oder Nichtprüfung von Willkürentscheidungen? Belege? Wie denkt man überhaupt, um darauf zu kommen? Das würde mich interessieren. Dass der Verzug am 1.1. beginnt und dann 193 BGB anwenden (was natürlich nicht klappt, weil dessen Voraussetzungen offensichtlich nicht erfüllt sind)? Oder 187 I BGB gleich mal doppelt analog anwenden? Ich sehe keinen Weg ohne Willkür, um vom Fristende des 31.12. auf einen Verzugseintritt am 2.1. zu kommen, ansonsten soll mal jmd. die line of thinking aufzeigen.
Oder du liest es einfach nach, das sollte einem Juristen (?) zuzumuten sein. Es wird in dem von Tibor verlinkten Thema aber mehr als einmal erörtert.
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Re: Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von joee78 »

Pippen hat geschrieben:Oder meinst du, dass selbst solche Willkürakte nicht mehr vom BVerfG geprüft werden, weil sie selbst dafür zu fau...ähm..."aufgrund der Vielzahl an Verfahren überfordert" sind? Beides wäre mir neu.
Guckst du hier:

§ 93a BVerfGG

Ich ärger mich auch oft über "falsche" Gerichtsentscheidungen. Aber nicht jede falsche Gerichtsentscheidung erfüllt die Vss. des o.g. Paragrafen - "Knöllchen-Horst" mag sich dasselbe gedacht haben, als er gegen die Einstellung seiner Strafanzeige gegen einen Staatsanwalt wegen Strafvereitelung im Amt (letzterer hatte "Knöllchen-Horsts" Strafanzeigen gegen Falschparker eingestellt) VB erhob. :drinking:
Sind Sie ein Mensch? Sowas Ähnliches, ich bin Anwalt.

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Re: Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Pippen hat geschrieben:Ich hatte mal eine VB wegen erwiesener Willkür eingelegt - selbst die wurde nicht angenommen. Hier ein Auszug:

Das Amtsgericht versagte dem Beschwerdeführer Verzugszins ab dem 01.01.2009 und billigte ihn mit Hinweis auf § 193 BGB erst ab dem 02.01.2009 zu. Tatsächlich hatte der Beschwerdeführer aber die spätere Beklagte mit Schreiben vom 24.12.2008 zur Rückzahlung des streitgegenständlichen Geldbetrages bis zum 31.12.2008 (ein Mittwoch, normaler Werktag) aufgefordert. Nach den zivilrechtlichen Vorschriften war die Beklagte damit ab dem 01.01.2009 in Verzug und musste ab diesem Zeitpunkt auch Verzugszinsen entrichten. § 193 BGB ist unter keinem Gesichtspunkt einschlägig, weil es dieser Vorschrift allein darum geht, dass ein bestimmter Tag oder das Ende einer Frist zur Willenserklärungsabgabe oder Leistungsbewirkung auf einen Sams-, Sonn- oder Feiertag fällt. Diese Voraussetzungen lagen unstreitig und offensichtlich nicht vor (s.o.). Es handelt sich daher bei der gerichtlichen Entscheidung zur weitergehenden Klageabweisung insoweit um ein krasses Fehlurteil, welches jeder rationalen und juristischen Grundlage entbehrt und damit den Beschwerdeführer (trotz des letztendlich geringen wirtschaftlichen Wertes eines Verzugszinses für einen zusätzlichen Tag) in besonders einschneidender und fataler (weil offensichtlich erkennbarer) Weise seiner Grundrechte auf Willkürfreiheit und Eigentumsschutz beraubt. Das Amtsgericht hat sich nicht die Mühe zu sauberer Subsumtion gemacht und gerade dadurch aufgezeigt, dass es die o.g. Grundrechte des Beschwerdeführers gering schätzt. Daher sollte die Verfassungsbeschwerde auch zur Entscheidung angenommen werden. Es kann und darf in einem sog. Rechtsstaat nicht sein, dass solche gerichtlichen Willkürakte Bestand haben.

ME hat eine VB nur Erfolg, wenn sie zusätzlich zu allen juristischen Vorgaben den OmG-Test besteht.
Du weißt doch nicht einmal, ob Deine Verfassungsbeschwerde zulässig erhoben wurde.
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Re: Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von Pippen »

Vorkriegsjugend hat geschrieben:Oder du liest es einfach nach, das sollte einem Juristen (?) zuzumuten sein. Es wird in dem von Tibor verlinkten Thema aber mehr als einmal erörtert.
Da geht's um Fristsetzung bis 1.1. (Feiertag). Da kann man den 2.1. oder 3.1. vertreten, je nachdem, ob man 187 I BGB analog anwendet. Hier ging es um Fristsetzung bis 31.12. (Wochentag) und da ist der 2.1. als Verzugszinsbeginn einfach falsch, ach was sag ich: grottenfalsch.
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Re: Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von Tibor »

Und was ist mit Verzug? Du setzt eine Frist auf den 31.12.; soll nun Verzug auf den 1.1. eintreten?
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Re: Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von Pippen »

Tibor hat geschrieben:Und was ist mit Verzug? Du setzt eine Frist auf den 31.12.; soll nun Verzug auf den 1.1. eintreten?
Na logisch und ab da gibt's dann auch Zinsen, es sei denn man ist ein gewisses Amtsgericht und glaubt ernsthaft, dass 193 BGB die Verzugszinsen bei Feiertagen auf den nächsten Werktag verschiebt. :drinking: Und irgendwie geht es ja letztlich doch, wie man sieht^^, denn die VB wurde nicht angenommen.
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Re: Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Pippen hat geschrieben:
Tibor hat geschrieben:Und was ist mit Verzug? Du setzt eine Frist auf den 31.12.; soll nun Verzug auf den 1.1. eintreten?
Na logisch und ab da gibt's dann auch Zinsen, es sei denn man ist ein gewisses Amtsgericht und glaubt ernsthaft, dass 193 BGB die Verzugszinsen bei Feiertagen auf den nächsten Werktag verschiebt. :drinking: Und irgendwie geht es ja letztlich doch, wie man sieht^^, denn die VB wurde nicht angenommen.
Nochmals: Hast Du selbige denn überhaupt zulässig erhoben? Vermutlich wirst Du eine begründungslose Nichtannahmeentscheidung erhalten haben - woher willst Du wissen, dass überhaupt eine Sachprüfung vorgenommen wurde?
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Re: Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von Tibor »

Aber wenn die Beschwerde begründet ist (Willkür!!!), dann kann es doch auf Förmlichkeiten nicht ankommen (omg!!!).
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Re: Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden

Beitrag von Pippen »

Einwendungsduschgriff hat geschrieben:Nochmals: Hast Du selbige denn überhaupt zulässig erhoben? Vermutlich wirst Du eine begründungslose Nichtannahmeentscheidung erhalten haben - woher willst Du wissen, dass überhaupt eine Sachprüfung vorgenommen wurde?
Ich weiß sogar, dass keine Sachprüfung gemacht wurde. Die haben vorher mitgeteilt, dass aufgrund der geringen Beschwer (es ging ja nur um einen Tag Zins) kein existentieller Nachteil droht und haben auf § 93a II b, letzter Satz BVerfGG verwiesen und wollten so erreichen, dass ich die VB nicht mehr aufrechterhalte. Später haben sie dann (konsequenterweise) auf Nichtannahme entschieden. Der Punkt ist: Hier ging es zwar rein ökonomisch um eine Bagatelle, aber juristisch um ein Schwergewicht: Willkür. Die okönomische Betrachtung spielt auch eigentlich gar keine Rolle, das BVerfG sagt selbst, dass Willkür immer die Durchsetzung vor dem BVerfG rechtfertigt (mal vereinfacht ausgedrückt).

Genau deshalb stimme ich ja auch dem Tenor zu, dass VB's sehr schwierig zum Erfolg gebracht werden können, und zwar weil die Herren in Karlsruhe einfach nicht wollen und/oder können.

p.s. Ich sehe gerade: Mein Gott ist 93a II b beschi...eiden formuliert. Dass, was man wohl ausdrücken will, nämlich dass eine Annahme nur bei Grundrechtsverletzung + erheblichem Nachteil daraus stattfinden soll, kann man erst durch die Systematik herausfinden. Warum nicht so: Sie ist zur Entscheidung anzunehmen, ... b) wenn die Nichtdurchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte für den Betroffenen einen erheblichen Nachteil darstellen würde. Einfacher und klarer (und immer noch genug Spielraum um sich nach Gutdünken vor der Arbeit zu drücken).
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