Wie haltet Ihr es mit der Widerrufsbelehrung?

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Syd26
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Re: Wie haltet Ihr es mit der Widerrufsbelehrung?

Beitrag von Syd26 »

immer locker bleiben hat geschrieben:Wer glaubt, die Annahme von Mandaten, die ausschließlich über E-Mail, Telefon oder Fax zustande kommen und bei der es keinen persönlichen Beratungstermin in der Kanzlei gibt, falle nicht unter Fernabsatz, der wird ein böses Erwachen haben.
Danke. Ich denke auch, dass meine Annahme nicht so abwegig ist.
Einwendungsduschgriff hat geschrieben:Gibt es dahingehend wenigstens einschlägige Rechtsprechung - die zitierte Entscheidung des AG Offenbach lässt da ja eher gegenteiliges vermuten?
Leider nicht. Die Entscheidung habe ich als einzige gefunden. Zudem erging diese noch zum alten Widerrufsrecht. Die Regelungen haben sich aber im Juni geändert und sind nun noch verbraucherfreundlicher.
immer locker bleiben hat geschrieben:Allein entscheidend ist, ob der Auftrag per Fernkommunikation zustande kommt. Auf den negativen Ausschluss "nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt" kann sich meines Erachtens niemand verlassen, weil das viel zu schwammig ist und es noch an einer hinreichend Zahl von Urteilen dazu fehlt.
Sehe ich auch so.
Kurt Kettenfett hat geschrieben:Einzig und allein das Bereithalten einer E-Mailadresse genügt nicht. Auch wenn ich hin und wieder ein Mandat per Telefon oder E-Mail abschließe reicht dies m.E. nicht aus. Nach der Vorstellung des EU-Gesetzgebers sollte die Fernabsatzgeschichte doch auf Online-shops und Callcenter abzielen. Dies wird grundsätzlich auch von den Auslegungshilfen der EU-Kommission unterstrichen.
Diese Argumentation ist (bisher jedenfalls) auch die meine. Die Dienstleistung "Anwaltsvertrag" ist m. E. gar nicht vergleichbar mit den typischen Geschäften, die üblicherweise unter das Fernabsatzrecht fallen.

Herr Schraeg hat geschrieben:Für den Normalfall anwaltlicher Arbeit wird man ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebssystem sicher noch nicht bejahen können. Anders sieht aber wohl bei den als Massengeschäft konzipierten Kapitalanlegervertretungen aus. Die Entwicklung scheint aber noch so im Fluss, dass man das Anwalt genauestens beobachten sollte.
Und genau deswegen wollte ich das hier diskutieren. Meine Kollegen aus der Kanzlei und ich sind aufgrund eines anderen Sachverhalts drauf gekommen. Meinung Kollege 1: Nicht relevant. Meinung Kollege 2 und ich: Könnte ein Problem sein.

Ich jedenfalls möchte mich nicht darauf verlassen, dass ein Gericht hier die Anwendung des Fernabsatzes ausschließt, denn der europäische Verbraucher "darf" ja im Allgemeinen alles. Eine E-Mail-Adresse allein wird nicht reichen, da stimme ich zu. Aber was ist mit einem Kontaktformular? Ein RA, der bei verschiedenen Beratungsplattformen angemeldet ist (und sei es nur wegen seines Google-Rankings)? Was ist mit der Kanzlei, die eine Facebook- oder Google+ -Seite hat?
"Eine Verschiebung eines Termins setzt jedoch denklogisch voraus, dass vorher ein fester Termin vereinbart worden ist."
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Re: Wie haltet Ihr es mit der Widerrufsbelehrung?

Beitrag von Ant-Man »

Syd26 hat geschrieben:Ich jedenfalls möchte mich nicht darauf verlassen, dass ein Gericht hier die Anwendung des Fernabsatzes ausschließt, denn der europäische Verbraucher "darf" ja im Allgemeinen alles. Eine E-Mail-Adresse allein wird nicht reichen, da stimme ich zu. Aber was ist mit einem Kontaktformular? Ein RA, der bei verschiedenen Beratungsplattformen angemeldet ist (und sei es nur wegen seines Google-Rankings)? Was ist mit der Kanzlei, die eine Facebook- oder Google+ -Seite hat?
Auf der Seite einer bekannten Medienrechtskanzlei gibt es einen kostenlosen Abmahncheck. Das Programm prüft dann, wie hoch die Gefahr für eine Abmahnung ist (z.B. weil Datenschutzerklärung/Impressum/Widerrufsbelehrung, usw. auf der eigenen Seite unzureichend sind und wo genau das Problem liegt).
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Re: Wie haltet Ihr es mit der Widerrufsbelehrung?

Beitrag von Parabellum »

Ant-Man hat geschrieben:
Syd26 hat geschrieben:Ich jedenfalls möchte mich nicht darauf verlassen, dass ein Gericht hier die Anwendung des Fernabsatzes ausschließt, denn der europäische Verbraucher "darf" ja im Allgemeinen alles. Eine E-Mail-Adresse allein wird nicht reichen, da stimme ich zu. Aber was ist mit einem Kontaktformular? Ein RA, der bei verschiedenen Beratungsplattformen angemeldet ist (und sei es nur wegen seines Google-Rankings)? Was ist mit der Kanzlei, die eine Facebook- oder Google+ -Seite hat?
Auf der Seite einer bekannten Medienrechtskanzlei gibt es einen kostenlosen Abmahncheck. Das Programm prüft dann, wie hoch die Gefahr für eine Abmahnung ist (z.B. weil Datenschutzerklärung/Impressum/Widerrufsbelehrung, usw. auf der eigenen Seite unzureichend sind und wo genau das Problem liegt).
...und verkauft die Kontaktdaten dann an einen passenden Wettbewerber. Sehr clevere Geschäftsidee.
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Re: Wie haltet Ihr es mit der Widerrufsbelehrung?

Beitrag von Ant-Man »

Parabellum hat geschrieben:
Ant-Man hat geschrieben:
Syd26 hat geschrieben:Ich jedenfalls möchte mich nicht darauf verlassen, dass ein Gericht hier die Anwendung des Fernabsatzes ausschließt, denn der europäische Verbraucher "darf" ja im Allgemeinen alles. Eine E-Mail-Adresse allein wird nicht reichen, da stimme ich zu. Aber was ist mit einem Kontaktformular? Ein RA, der bei verschiedenen Beratungsplattformen angemeldet ist (und sei es nur wegen seines Google-Rankings)? Was ist mit der Kanzlei, die eine Facebook- oder Google+ -Seite hat?
Auf der Seite einer bekannten Medienrechtskanzlei gibt es einen kostenlosen Abmahncheck. Das Programm prüft dann, wie hoch die Gefahr für eine Abmahnung ist (z.B. weil Datenschutzerklärung/Impressum/Widerrufsbelehrung, usw. auf der eigenen Seite unzureichend sind und wo genau das Problem liegt).
...und verkauft die Kontaktdaten dann an einen passenden Wettbewerber. Sehr clevere Geschäftsidee.
Äußerst unwahrscheinlich, zumal nur die Internetseite eingegeben werden muss (die von jeder Person eingegeben werden kann).
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Re: Wie haltet Ihr es mit der Widerrufsbelehrung?

Beitrag von hlubenow »

Wäre Aufgabe der BRAK, dafür zu sorgen, daß eine Regelung aufgenommen wird, nach der anwaltliche Dienste nicht erfaßt werden.
Ich glaube, der Gesetzgeber hat an diese bei den Fernabsatzverträgen gar nicht gedacht.
Die Vorschriften scheinen ohnehin in den letzten Jahren mehrfach neu gefaßt worden zu sein.

Wenn möglich, würde ich den Anwaltsvertrag in den Kanzleiräumen abschließen. Dann kann auch gleich die Vollmacht unterzeichnet werden.
"Fernabsatz" hab' ich bisher noch nicht gemacht.
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Re: Wie haltet Ihr es mit der Widerrufsbelehrung?

Beitrag von Ant-Man »

Syd26 hat geschrieben:
immer locker bleiben hat geschrieben:Wer glaubt, die Annahme von Mandaten, die ausschließlich über E-Mail, Telefon oder Fax zustande kommen und bei der es keinen persönlichen Beratungstermin in der Kanzlei gibt, falle nicht unter Fernabsatz, der wird ein böses Erwachen haben.
Danke. Ich denke auch, dass meine Annahme nicht so abwegig ist.
Die Beweislast dafür, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt ist, obliegt dem RA (§ 312c I BGB: "...es sei denn..."), d.h. im Streitfalle ist der RA von vornherein in einer schlechten Position.

Siehe auch (zur alten Rechtslage): Axmann/Degen, Kanzlei-Homepages und elektronische Mandatsbearbeitung - Anwaltsstrategien zur Minimierung rechtlicher Risiken, in: NJW 2006, 1457 (1461 ff.)
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Re: Wie haltet Ihr es mit der Widerrufsbelehrung?

Beitrag von Amtsgerichtsrat »

"Aufgrund der Komplexität und Einzigartigkeit jedes Falles kann eine hochwertige Beratung am Telefon nicht erfolgen. Bitte machen Sie mit meinem Sekretariat einen Termin aus. Auf Wiederhören." - und schon hat man das Problem nicht mehr.
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Re: Wie haltet Ihr es mit der Widerrufsbelehrung?

Beitrag von Versicherungsnehmer »

Genau, dann hat man entweder keine Mandanten mehr oder ein Mandantengespräch nach dem anderen ;)

Das Thema hatte ich bislang auch gar nicht auf dem Schirm. Die Mandate, in denen ausschließlich per E-Mail und Telefon kommuniziert wird, betreffen hier aber nur Unternehmer.
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Re: Wie haltet Ihr es mit der Widerrufsbelehrung?

Beitrag von jct »

Also die Verbraucherrechtsrichtlinie äußert sich in Erwägungsgrund 20 zum für den Fernabsatz organisierten Vertriebssystem wie folgt:
Der Begriff eines für die Lieferung im Fernabsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungserbringungsystems sollte von einem Dritten angebotene Fernabsatz- oder Dienstleistungssysteme erfassen, die von Unternehmern verwendet werden, wie etwa eine Online-Plattform. Der Begriff sollte jedoch nicht Fälle erfassen, indenen Webseiten lediglich Informationen über den Unternehmer, seine Waren und/oder Dienstleistungen und seine Kontaktdaten anbieten.
Der letzte Satz dürfte doch gerade die typischen Anwalts-Websites erfassen, auf denen die Anwälte vorgestellt werden, die Tätigkeitsschwerpunkte dargestellt werden und Kontaktdaten zu entnehmen sind. Das dürfte auch dann gelten, wenn man sich damit auf Social-Media-Plattformen und einschlägigen Verzeichnissen registriert hat. Etwas anderes mag in der Tat gelten, wenn man die Kanzei-Website gezielt auf den Online-Massenvertrieb auslegt (mag sein, dass das AG Offenbach einen solchen Fall hatte).

Also ich würde es jedenfalls erstmal darauf ankommen lassen. Aufgrund der neuen Rechtslage und damit ungefestigten/nicht vorhandenen Rechtsprechung besteht natürlich ein theoretisches Restrisiko hinsichtlich Widerrufen und Abmahnungen. Tatsache ist allerdings, dass Widerrufsrecht und Belehrungspflicht für "gewöhnliche" Kanzleien mit entsprechenden Websites (anders vielleicht für Massenvertriebssysteme wie im Bereich Anlegerschutz) derzeit weder dem Gesetzeswortlaut noch den Materialien noch der Rechtsprechung zu entnehmen sind. Ich sehe daher keinen Handlungsbedarf.

Man sollte bei seiner Entscheidung hierzu auch den Aspekt "selbstverfüllende Prophezeiung" berücksichtigen: M.E. wollte der nationale und EU-Gesetzgeber den klassischen Anwaltsvertrag mit Verbrauchern nicht dem Widerrufsrecht unterwerfen. Auch dann nicht, wenn der Anwalt eine Homepage hat. Diese Ansicht sollte im Interesse der Anwaltschaft insgesamt möglichst geschlossen vertreten werden. Wenn erstmal z.B. eine RA-Kammer oder der DAV auf die Idee kommt, den Mitgliedern die Aufnahme von Widerrufsbelehrungen zu empfehlen, sind auch schnell die Gerichte dabei. Argument: "Sieht doch Eure eigene Kammer auch so."
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immer locker bleiben
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Re: Wie haltet Ihr es mit der Widerrufsbelehrung?

Beitrag von immer locker bleiben »

jct hat geschrieben:M.E. wollte der nationale und EU-Gesetzgeber den klassischen Anwaltsvertrag mit Verbrauchern nicht dem Widerrufsrecht unterwerfen. Auch dann nicht, wenn der Anwalt eine Homepage hat. Diese Ansicht sollte im Interesse der Anwaltschaft insgesamt möglichst geschlossen vertreten werden. Wenn erstmal z.B. eine RA-Kammer oder der DAV auf die Idee kommt, den Mitgliedern die Aufnahme von Widerrufsbelehrungen zu empfehlen, sind auch schnell die Gerichte dabei. Argument: "Sieht doch Eure eigene Kammer auch so."
Es gibt inzwischen eine Reihe von Kanzleien, die die Online-Bearbeitung so professionalisiert haben, dass wir nicht mehr nur über eine informative Homepage reden. Insofern wird es so oder so genug Kollegen geben, die mit ihrer Geschäftspraxis unter den Fernabsatz fallen. Und deshalb meine ich, dass diese Messe bereits gesungen ist. Da hätte die Kammer, die wie immer im Dornröschenschlaf ruht, wenn es mal etwas zu tun gibt (Rechtsdienstleistungsgesetz anyone?) viel eher aufwachen und auf einen gesetzlichen Ausnahmetatbestand für Anwälte drängen müssen. Da hätte es auch ein gutes Argument gegeben: der Rechtsanwalt ist ohnehin zur umfassenden Beratung und zur Wahrung der Interessen des Mandanten verpflichtet, sodass eine klassische Überrumpelungssituation schon berufsrechtlich ausgeschlossen sein sollte (sonst Pflichtverletzung), die Vergütung des Anwalts ergibt sich mangels Vereinbarung aus dem Gesetz, also Schutzbedürfnis nicht sooo hoch.
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Syd26
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Re: Wie haltet Ihr es mit der Widerrufsbelehrung?

Beitrag von Syd26 »

jct hat geschrieben:M.E. wollte der nationale und EU-Gesetzgeber den klassischen Anwaltsvertrag mit Verbrauchern nicht dem Widerrufsrecht unterwerfen. Auch dann nicht, wenn der Anwalt eine Homepage hat.
Nun ja, das wollte er bei Maklerverträgen etc. auch nicht und diese haben durch das neue Widerrufsrecht richtig Probleme, wenn ein Mieter die Rechtslage kennt. Nehmen wir doch nur folgenden Fall an: Potentieller Mieter sucht über ein Immobiliensuchportal eine Wohnung. Mieter meldet sich dort an, ein Makler verschickt online ein Exposee. Man schließt einen Maklervertrag ohne sich jemals persönlich getroffen zu haben. Zur Wohnungsbesichtigung kommt es aus irgendeinem Grund ohne Makler. Der Mieter mietet die Wohnung an - und widerruft sodann nach Abschluss des Mietvertrags den Maklervertrag mangels ausreichender Widerrufsbelehrung. Demnach hätte der Makler kostenlos gearbeitet und kann auch seine Provision vergessen.
Amtsgerichtsrat hat geschrieben:"Aufgrund der Komplexität und Einzigartigkeit jedes Falles kann eine hochwertige Beratung am Telefon nicht erfolgen. Bitte machen Sie mit meinem Sekretariat einen Termin aus. Auf Wiederhören." - und schon hat man das Problem nicht mehr.
Du bist kein Anwalt. Hier rufen Mandanten an, die 500km weit weg sitzen. Keine Ahnung, wie die mich finden. Oft ist es natürlich besser, wenn sie zu einem Kollegen vor Ort gehen, aber genauso oft lässt sich ein Vertrag auch ohne persönliches Kennenlernen prüfen.

Aber auch folgende Konstellation ist gefährlich: Langjähriger Mandant, der den Anwalt schon kennt, schickt per Mail Unterlagen zu einer neuen Sache, die bearbeitet werden soll. Oftmals muss es dann auch schnell gehen. Zumindest ist der RA gut beraten, wenn er das schon mal auf etwaige Fristen hin sichtet. Hier dem Mandanten in die Kanzlei zu bestellen, ist völlig praxisfern.
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Re: Wie haltet Ihr es mit der Widerrufsbelehrung?

Beitrag von jct »

@Syd26 Wie siehst Du das im Kontext des zitierten Erwägungsgrundes der RL? Für mich folgt daraus, wenn sich die Homepage auf Informationen und Kontaktdaten beschränkt und also kein "Vertriebssystem" enthält, besteht keine Belehrungspflicht. Das mag anders aussehen, wenn man eine durchgestylte Online-Bearbeitung anbietet wie von immer locker bleiben angesprochen. Nach meiner Wahrnehmung ist das aber zumindest noch bei der großen Mehrheit nicht der Fall.

Heißt für mich: Wenn ich mich und meine Kanzlei auf einer Homepage lediglich darstelle und dann ein Mandant nach Lektüre der Homepage hier anruft (z.B. weil er mich über google gefunden hat), habe ich keine Belehrungspflicht.
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Re: Wie haltet Ihr es mit der Widerrufsbelehrung?

Beitrag von Herr Schraeg »

jct hat geschrieben:Heißt für mich: Wenn ich mich und meine Kanzlei auf einer Homepage lediglich darstelle und dann ein Mandant nach Lektüre der Homepage hier anruft (z.B. weil er mich über google gefunden hat), habe ich keine Belehrungspflicht.
Na ja, wenn er Dir das Mandat dann telefonisch oder per email erteilt, sind schon einmal zwei Voraussetzungen erfüllt: Verbraucher und Vertragsschluss durch Fernkommunikationsmittel.

Es kommt dann also nur noch auf die eng auszulegende und vom RA nachzuweisende Ausnahme an, dass der Vertragschluss nicht im Rahmen eines "für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems" erfolgte. Wie lange wird es dauern, bis das erste Gericht das wörtlich nimmt und feststellt, dass der Anwalt seine Leistungen u.a. im Fernabsatz erbringt und deshalb ein entsprechende Dienstleistungssystem unterhält? Ich z.B. erbringe meine Beratungsleistungen in einem überwiegenden Teil der Mandate ausschliesslich via email. Der Mandant schickt mir per email Unterlagen, ich prüfe sie und berate ihn mit einer Stellungnahme ebenfalls per email, ohne ihn jemals zu sehen.
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Re: Wie haltet Ihr es mit der Widerrufsbelehrung?

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Nochmals den Wortlaut und die Binnensystematik bemühend: Ihr legt das gesetzgeberisch gewollte "System" sehr weit aus. Nach Eurer Auslegung ist die Bereitstellung und Anpreisung von Fernkommunikationsmitteln - um überhaupt einen Fernkommunikationsabschluss nach Halbsatz 1 herbeiführen zu können - regelmäßig sogleich die Etablierung eines Systems nach Halbsatz 2. Die Ausnahme ist auf die Etablierung solcher Geschäftsmodelle zugeschnitten, die entweder Onlineshops sind oder solchen nahekommen. Es geht hierbei um die typsierte Abwicklung von Geschäften, die grundsätzlich auf einem schlichten "Click-and-buy"-Prinzip beruhen und sich dadurch auszeichnen, dass man nicht persönlich und individuell als Besteller den Kontakt aufnimmt, sondern es einen generalisierten Kontakt gibt, der entsprechende Anfragen allgemein bearbeitet.
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
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Re: Wie haltet Ihr es mit der Widerrufsbelehrung?

Beitrag von Herr Schraeg »

Einwendungsduschgriff hat geschrieben:Nochmals den Wortlaut und die Binnensystematik bemühend: Ihr legt das gesetzgeberisch gewollte "System" sehr weit aus. Nach Eurer Auslegung ist die Bereitstellung und Anpreisung von Fernkommunikationsmitteln - um überhaupt einen Fernkommunikationsabschluss nach Halbsatz 1 herbeiführen zu können - regelmäßig sogleich die Etablierung eines Systems nach Halbsatz 2. Die Ausnahme ist auf die Etablierung solcher Geschäftsmodelle zugeschnitten, die entweder Onlineshops sind oder solchen nahekommen. Es geht hierbei um die typsierte Abwicklung von Geschäften, die grundsätzlich auf einem schlichten "Click-and-buy"-Prinzip beruhen und sich dadurch auszeichnen, dass man nicht persönlich und individuell als Besteller den Kontakt aufnimmt, sondern es einen generalisierten Kontakt gibt, der entsprechende Anfragen allgemein bearbeitet.
Nein, wir betreiben typisch anwaltlich - aber ausnahmsweise mal in eigener Sache - nur eine Risikoeinschätzung und -vorsorge. Mit der ratio legis wird Dir jeder hier Recht geben, mit dem Wortlaut schon nicht mehr alle (siehe oben: vollständige Abwicklung eines Beratungsmandats als für den Fernabsatz organisiertes Dienstleistungssystem). Also versuchen wir das Risiko zu prognostizieren, dass ein Gericht den Sinn und Zweck der Regelung ignoriert und eine für Anwälte nachteilige Auffasssung vertritt, und wägen das gegen die Nachteile einer Risikovorsorge (Widerruf)ab. In meinem Bereich ist das Risiko vernachlässigenswert, weil die wenigsten meiner Mandanten Verbraucher iSd § 13 BGB sind und die Kombination "Verbraucher/Vertragsschluss ohne persönlichen Kontakt" noch seltener ist. Ich verstehe aber jeden Kollegen, der das für seinen Bereich anders beurteilt.
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